Landtag,
3. Sitzung vom 25.01.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 78
überhaupt keinen Sinn! Das ist wirtschaftspolitisch
völlig unzulässig und hilft eigentlich niemandem etwas. (Beifall bei der
ÖVP. - StR Dr Johannes Hahn: Das ist private wirtschaftspolitische Kompetenz!)
Wofür wir eintreten sollen, ist, unser Sozialsystem
so weit abzusichern und die beste Absicherung sind eben dynamische
Arbeitsplätze, eine dynamische, eine wachsende Wirtschaft. Wir haben jetzt auch
genügend Initiativen gesetzt, dass der Staat seinen Beitrag leisten kann. Wir
haben oft darauf hingewiesen, dass Wien eigentlich auch in diesem Bereich der
Dynamik, der Forschungs- und Wirtschaftsförderung, des Bürokratieabbaus säumig
geworden ist. Insofern bremst Wien den Bund und damit auch unsere Stellung
innerhalb der EU!
Meine Damen und Herren, es ist aber auch wichtig,
sich die Rolle und die Zukunft der EU auf einer breiten Basis vor Augen zu
führen. Das haben wir hier in den Debattenbeiträgen gesehen. Was soll aus
Europa werden? Wo sind die Grenzen Europas? Die geographischen Grenzen? Die
Grenzen der Aufnahmefähigkeit? Die EU ist jetzt irgendwie ein Mittelding, ein
Staatenverbund, also Mitglieder sind die einzelnen Mitgliedsstaaten, der sich
irgendwo in Richtung Bundesstaat bewegt. Die Frage ist: Soll das ein
Bundesstaat werden? Kann das überhaupt ein Bundesstaat werden? Meines Erachtens
sind wir schon viel zu groß, es sind schon zu viele Länder dabei. Das sind
Fragen, die man auch in den Expertengremien, in der Politik, aber dann auch mit
dem Bürger zu diskutieren hat. Das ist ein offener Prozess. Ich glaube, das ist
etwas, womit wir uns zu beschäftigen haben.
Meine Damen und Herren, die EU-Verfassung trägt zwar
den Titel "Verfassung", ist aber im juristischen Sinne keine Verfassung,
sondern einfach ein Verfassungsvertrag. Es ist der Vertrag über die europäische
Verfassung. Insofern ist die Argumentation, dass in Österreich eine
Volksabstimmung verpflichtend wäre, weil sich eine europäische Verfassung über
die österreichische Bundesverfassung drüberstülpt, juristisch in dieser Form
nicht korrekt. Es bleibt dabei, die EU basiert auf Verträgen, die einstimmig
angenommen werden müssen. Deswegen ist sozusagen die derzeitige Rechtslage in
den Ländern, dass jedes Parlament oder jedes Volk, das darüber abstimmt, das
national macht und nicht das nichtexistente europäische Einheitsvolk. Es wird
die österreichische Verfassung nicht ersetzt, sondern es werden mehrere
EU-Verträge modifiziert und bekommen den Titel "Verfassung". (Abg
Mag Wolfgang Jung: Aber grundlegende Änderungen in der Verfassung sind auch
einer Volksabstimmung zu unterziehen!) - Ja, aber so grundlegend ist diese
Verfassungsänderung zum gegenwärtigen Stand nicht! (Abg Mag Wolfgang Jung:
Ist das nicht grundlegend, wenn man die Eigenstaatlichkeit aufgibt? Was dann,
Herr Kollege! Schauen Sie einmal in der Bundesverfassung nach!)
Meine Damen und Herren, vielleicht noch ein letztes
Argument, weil es immer um die Kosten des Ganzen geht. Wir haben heute schon
über die Kosten unserer demokratisch gewählten Vertreter gesprochen. Jetzt
reden wir über die Kosten des EU-Vorsitzes. Ich hoffe denn doch, dass es in
diesem Haus einen Konsens darüber gibt, dass die Demokratie eben ein gewisses
Geld kostet und dass nicht eine Staatsform die billigste ist, wo nur mehr einer
entscheidet. Dann hat man nur ein Gehalt, aber keine Demokratie mehr! Seien wir
uns dessen bewusst, dass demokratische Entscheidungsfindungen entsprechende
Kosten mit sich bringen! Diese Kosten sind es uns allen doch wert, dass wir
mitbestimmen können und dass wir ein demokratisches Gemeinwesen hier in Europa
gemeinsam aufbauen!
In diesem Sinne glaube ich, dass der EU-Vorsitz eine
Chance bietet, auf allen Ebenen einen Dialog in Europa zu beginnen, vor allem
auch mit den Bürgern. Es wäre unsere Aufgabe als politisch Verantwortliche,
nicht Ängste zu schüren, sondern Chancen aufzuzeigen. Sie können sicher sein,
dass der Herr Bundeskanzler und Ratsvorsitzende und die Bundesregierung dieses
Chancenaufzeigen im Rahmen ihres EU-Vorsitzes in den Vordergrund stellen
werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Ludwig. Ich erteile ihm das Wort.
Abg Dr Michael LUDWIG (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr
Landeshauptmann! Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Für ein halbes Jahr wird Wien während der
österreichischen Ratspräsidentschaft weltweit noch größeres mediales Interesse
genießen als ohnehin. Vertreterinnen und Vertreter der europäischen
Mitgliedsstaaten, aber auch Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen der
EU werden gern in unsere Stadt kommen, denn sie kommen in die viertreichste
Region der Europäischen Union und sie kommen in jene Stadt innerhalb der EU,
die den höchsten Lebensstandard und die höchste Lebensqualität hat. Das ist
nicht eine Behauptung, die wir als Vertreter der Stadt aufstellen, sondern dies
ist das Ergebnis einer internationalen Studie von William Mercer, die sich
Quality-of-Living-Reports nennt, wo 219 Städte weltweit verglichen wurden
und Wien die Stadt ist, die den höchsten Lebensstandard, die höchste
Lebensqualität innerhalb der EU hat.
Wien wird auch Mittelpunkt zahlreicher Ereignisse der
österreichischen Ratspräsidentschaft sein. Es wird ein informelles Treffen der
Bildungsminister geben und es wird den vierten Lateinamerikagipfel in Wien
geben, also große Ereignisse, die weit über unser Land hinaus strahlen werden.
Wien wird in dieser Zeit zweifellos nicht nur selbstbewusste Hauptstadt
Österreichs sein, sondern sich auch als eine sehr moderne Metropole inmitten
Europas präsentieren können, eine Metropole, die die Stellung in diesem Europa
ausschöpft, um weit über unsere nationalen Grenzen hinaus zu wirken.
Das war nicht immer so. Wir haben
gerade im vergangenen Jahr, im Rahmen des Gedenkjahrs, darauf hingewiesen, dass
im April 1945, von den Alliierten befreit, hier im Rathaus, im Roten
Salon, die Zweite Republik gegründet wurde und dass mit dem Staatsvertrag
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular