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Landtag, 3. Sitzung vom 25.01.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 78

 

wenn er überhaupt keine Entscheidung getroffen hat oder seine Entscheidung anders trifft als man sie erwartet.

 

Wenn vom Präsidenten Hufnagl ein Ordnungsruf begehrt wird und er gesagt hat, er sieht das Protokoll ein, das ist eine übliche Vorgangspraxis, und wenn man weiß, dass er nach unserem Sitzungsrhythmus um 15 Uhr den Vorsitz wieder übernimmt und ich das auch dem Klubobmann gesagt habe, als er sich bei mir erkundigt hat, finde ich es nicht für richtig, von einer Skandalsitzung oder von einem reaktionslosen Präsidenten in einer Parteiaussendung der Freiheitlichen Partei zu sprechen. Ich bitte, das für die Zukunft zu überdenken.

 

Zum Wort gelangt der Abg Schieder. - Bitte.

 

Abg Mag Andreas Schieder (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Willy Brandt hat einmal gesagt, oder es wird ihm zumindest zugeschrieben: „Mit den Europaverhandlungen ist es wie mit dem Liebesspiel der Elefanten. Alles spielt sich auf hoher Ebene ab, wirbelt viel Staub auf und es dauert sehr lange, bis etwas dabei herauskommt." - Eine Beschreibung, über die man heute nicht nur schmunzelt, sondern sich auch fragt, ob alles noch so stimmt wie in dieser Beschreibung, nämlich, ob nach der langen Dauer auch wirklich etwas herauskommt. Denn die Euroskepsis, die wir allerorts bemerken und vor der wir, auch wenn wir vom Projekt Europa begeistert sind, nicht die Augen verschließen dürfen, ist auch darin begründet, dass oft nichts herauskommt oder nicht das herauskommt, was man sich erwartet und braucht.

 

Österreich, besser gesagt, die österreichische Bundesregierung, hat jetzt den Vorsitz der Europäischen Union im Europäischen Rat inne. Genau hier ist es einerseits eine Chance für die Stadt, sich in technischer Hinsicht als funktionierende Stadt, als schöne Stadt, als Konferenzstandort, als Stadt der hohen Lebensqualität zu präsentieren, aber davon wird auch der Erfolg einer Präsidentschaft nicht abhängen. Gleichzeitig sage ich auch, während der Präsidentschaft einen Maulkorberlass für alle politischen Parteien zu verlangen, so wie es der Herr Bundeskanzler getan hat, indem er vor der Präsidentschaft den Schulterschluss, ein anderes Wort für Maulkorb, eingemahnt hat (Abg Dkfm Dr Fritz Aichinger: Man kann alles umdrehen!) und gesagt hat, jetzt müssen wir ein halbes Jahr zusammenarbeiten (Abg Dkfm Dr Fritz Aichinger: Man kann alles falsch interpretieren!), dieser Gedanke ist zutiefst abzulehnen (Abg Dr Matthias Tschirf: Wie der Schelm denkt!), weil auch eine Präsidentschaft eine konstruktive Diskussion braucht. Daher hoffe ich, das ich es nur falsch interpretiert habe und sich der Herr Bundeskanzler in Wahrheit eine konstruktive Diskussion wünscht.

 

Wie gesagt, ein Erfolg einer Präsidentschaft hängt nicht davon ab, ob es ein schönes Logo gibt. Zweifelsohne ist es ein gelungenes Logo, das einzige bis jetzt Gelungene an dieser Präsidentschaft. Es hängt nicht davon ab, ob gut organisiert ist. Das ist eine Vorbedingung, aber nicht der Erfolg selbst. Sondern ein Erfolg einer Präsidentschaft hängt davon ab, ob es gelingt, Antworten auf die Fragen zu finden, die die Menschen in Europa stellen (StR Dr Johannes Hahn: Das werden wir eh machen!), ob es wieder gelingt, die Probleme anzusprechen, Perspektiven und Lösungen für all diese Fragen zu geben.

 

Wie geht es weiter mit dem Verfassungsprozess? Wie wollen wir dort hinaus? Und wie wollen wir uns gleichzeitig eine Grundlage für unser politisches Handeln geben? Wie geht es weiter mit der Finanzierung der Europäischen Union von 2007 bis 2013? Wie schaffen wir es weg von einem Geldfluss zu 42 Prozent in die Landwirtschaft, hin zu mehr Finanzmitteln für Forschung und Entwicklung, für Infrastruktur, für Schiene, Wasser, Straße, Breitband, für Wachstum und Beschäftigung? Wie schaffen wir das, nicht nur rein über Zahlen zu reden und zu sagen, wir wollen nicht mehr zahlen, sondern über die Verteilung der Mittel endlich einmal auch zu sprechen? Vor allem, wie schaffen wir es, eine soziale Antwort auf die Globalisierung zu geben? Und wie schaffen wir es, dass die Europäische Union nicht länger oft empfunden wird als Vorreiter des Neoliberalismus, sondern wieder zum Schutzschild der europäischen Bürger gegen den Neoliberalismus wird? 20 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union, 32 Millionen Menschen in der Europäischen Union suchen Arbeit. Die Armut wächst, das Wirtschaftswachstum ist niedrig, die Lohnzuwächse und Gehaltszuwächse sind sehr niedrig, die Dauer der Arbeitslosigkeit steigt auch. Das sind die Fragen, wo sich die Menschen zu Recht von der Europäischen Union und von ihren nationalen Regierungen Antworten erwarten. Eine österreichische Ratspräsidentschaft wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie darauf die Antworten findet und die Antworten auch gibt.

 

Will aber Wolfgang Schüssel, der gefeierte Ratspräsident, um es einmal so zu sagen, wirklich die Antworten darauf geben? In der Zeitschrift "trend" vom Dezember 2005 sagte Wolfgang Schüssel: „Es braucht eine gewisse Abschlankung des Sozialstaates." - Genau das ist die Antwort, die die Leute zu Europaskeptikern macht. Genau das ist die Antwort, die die Leute verunsichert. Will das die Außenministerin Ursula Plassnik, wenn sie davon spricht, man solle von Europa nicht verlangen, was Europa nicht leisten kann und damit meint, Europa kann nicht sichere Arbeitsplätze und mehr soziale Sicherheit leisten? Wenn Sie sagt, "Gugelhupf für alle", meint Sie das ähnlich dem ehemaligen französischen Präsidenten? Wenn die Leute kein Brot haben, dann sollen sie halt Gugelhupf essen, ist nicht die Antwort, die die Leute wollen. Das sind die Antworten, die die Leute verzweifeln lassen und die die Leute von Europa wegtreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, die Europäische Union kann die Antworten auf diese Anfragen geben, und zwar dann, wenn sie es will und wollen tut es die Europäische Union dann, wenn es die einzelnen Regierungen wollen. Was ich ablehne, ist allerdings dieses Schwindeln immer in Bezug auf Europa, dort die

 

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