Landtag,
27. Sitzung vom 28.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 66
auch für Landtags- und Gemeinderatswahlen geltenden
Grundsätze des geheimen, unmittelbaren und persönlichen Wahlrechts nicht
ausreichend gewährleistet sind. Sehr wohl vorstellbar ist ein Wahlkartensystem
auf Landes-, Gemeinde- und Bezirksebene analog dem Wahlkartensystem für
Auslandsösterreicher gemäß Art 26 Abs 6 B-VG in Verbindung mit
§ 60 der Nationalrats-Wahlordnung 1992. Damit können Wahlberechtigte, die
sich am Wahltag in einem anderen Bundesland aufhalten, mit Wahlkarte vor einem
amtlichen Organ oder mit Bestätigung eines volljährigen Zeugen mit
österreichischer Staatsbürgerschaft von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Ein
Herantreten an die zuständigen Stellen der Bundesregierung und an den
Nationalrat ist nicht mehr nötig, da diese Forderung durch einen von SPÖ, FPÖ
und den GRÜNEN in der Sitzung des Landtages am 13. Dezember 2002
eingebrachten und einstimmig - also auch mit den Stimmen Ihrer Partei -
angenommenen Resolutionsantrag bereits an die Bundesregierung herangetragen
wurde. (Abg Harry Kopietz: Das haben wir vergessen!) Im Übrigen wurde
und wird dieses Thema unter Mitwirkung aller Bundesländer im Österreich-Konvent
bereits ausführlich diskutiert und wird mit Sicherheit auch im Verfassungsausschuss
diskutiert werden.
Ich darf nun noch zu den einzelnen Punkten Ihrer
Anfrage kommen.
Zu Punkt 1: Das Wahlrecht für die Wahlen in den
Gemeinderat ist in der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 geregelt. Wie § 1
der Gemeindewahlordnung 1996 entnommen werden kann, werden die Mitglieder des
Gemeinderats auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen
Verhältniswahlrechts aller nach dieser Wahlordnung wahlberechtigten österreichischen
Staatsbürger, die in Wien ihren Hauptwohnsitz haben, gewählt. Die Wahl
entspricht daher den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 117
Abs 2 B-VG. Gemäß § 1 Abs 2 zweiter Satz Gemeindewahlordnung
1996 erfolgt die Wahl der Mitglieder der Bezirksvertretung ebenfalls nach
diesen Grundsätzen.
Der Verfassungsgerichtshof hatte seit dem
In-Kraft-Treten der Wiener Gemeindewahlordnung aus 1996 aus Anlass mehrerer
Wahlanfechtungen Fragen zu lösen, bei denen er die Wiener Gemeindewahlordnung
1996 anzuwenden hatte, zum Beispiel Anfechtung der Bezirksvertretungswahl 1996
für den 19. Bezirk und Anfechtung der Gemeinderatswahl 1996 im Wahlkreis
Donaustadt. In keinem dieser Fälle hat er von Amts wegen ein
Gesetzprüfungsverfahren eingeleitet. Es besteht daher aus verfassungsrechtlicher
Sicht kein Anlass, die Wiener Gemeindewahlordnung 1996 in der Weise zu ändern,
wie dies in der Dringlichen Anfrage angedeutet wird.
Zu Punkt 2: Nach den Bestimmungen des
Meldegesetzes 1991 können weitere Wohnsitze in beliebiger Zahl begründet
werden. Eine Überprüfung der Melde- oder Wahlbehörde vor Ort in der
betreffenden Wohnung, ob eine tatsächliche Unterkunftnahme erfolgt ist, ist
praktisch nicht möglich und rechtlich auch nicht zulässig. Es könnte somit bei
der Begründung von mehreren Wohnsitzen in verschiedenen Bezirken für jeden
dieser Bezirke ein Wahlrecht begründet werden. Das wäre aber mit einer massiven
Manipulationsgefahr in Bezug auf das Wahlergebnis der Bezirksvertretungswahl
verbunden.
Solange das Meldegesetz 1991 des Bundes keine
Begrenzung der Begründung von weiteren Wohnsitzen vorsieht, sehe ich kaum
Möglichkeiten, diese Manipulationsgefahr zu verhindern und das Wahlrecht auf
weitere Wohnsitze auszudehnen.
Zu Punkt 3: Auf Grund der derzeitigen
Verfassungslage wäre die Durchführung einer Briefwahl verfassungswidrig. Der
Bundesverfassungsgesetzgeber hat erst ansatzweise ein der Briefwahl ähnliches
Verfahren durch Einfügung eines Satzes in Art 26 Abs 6 B-VG in Bezug
auf die Stimmabgabe im Ausland bei der Wahl zum Nationalrat, der Wahl des
Bundespräsidenten sowie bei Volksabstimmungen vorgesehen. Weitergehende
Schritte zur Einführung einer Briefwahl sind bis dato nicht gesetzt worden. Im
Österreich-Konvent ist zu dieser Frage kein Konsens erzielt worden. Die dazu
erstatteten Vorschläge entsprechen weitgehend jener Lösung, wie sie § 60
der Nationalrats-Wahlordnung 1992 für die Auslandsösterreicher vorsieht.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich unter
bestimmten Bedingungen für die Einführung der Briefwahl bin, allerdings nur für
jene Formen, die einer solchen Wahl entsprechen, bei welcher die Grundsätze des
geheimen, unmittelbaren und persönlichen Wahlrechts gewährleistet sind.
Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang den
von mir bereits erwähnten Resolutionsantrag betreffend die Einführung eines
Wahlkartensystems auf Landes-, Gemeinde- und Bezirksebene in Erinnerung rufen,
der in einer Sitzung dieses Gremiums am 13. Dezember 2002 einstimmig
beschlossen worden ist. Dieser Beschluss ist an die Bundesregierung
herangetragen worden; es liegt also beim Bund, Wahlberechtigten, die sich am
Wahltag in einem anderen Bundesland aufhalten, die Ausübung ihres Wahlrechts
auch zu ermöglichen. - Ich danke Ihnen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke für die Beantwortung.
Ich eröffne die Debatte, wobei ich bemerke, dass die
Dauer der Diskussion maximal 180 Minuten beträgt.
Zur Debatte über die Beantwortung der Dringlichen
Anfrage hat sich Herr StR Dr Hahn zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm,
wobei ich bemerke, dass die Redezeit mit 20 Minuten begrenzt ist.
StR Dr Johannes Hahn: Frau Präsidentin,
das sollte nicht notwendig sein.
Herr Bürgermeister! Mir war
eigentlich nicht klar, dass Sie sich möglicherweise schon auf eine neue
berufliche Tätigkeit vorbereiten, denn das hat eher geklungen wie die
Antrittsvorlesung eines Politologen und weniger wie die Positionierung oder
Stellungnahme eines Politikers. (Abg
Godwin Schuster: Richtig und gescheit war es! Das ist entscheidend! –
Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg Walter Strobl: Das ist zu wenig für einen
Politiker!) - Na, ich will das jetzt nicht alles ausführlich
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