Landtag,
24. Sitzung vom 10.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 33
angesprochen hat. Sie war seit Jahren, nämlich seit
über 25 Jahren, SPÖ-Mitglied, und sie hat mir gesagt: „Wissen'S, mir
reicht's! Übergeben'S bitte im Wiener Rathaus dem Herrn Landeshauptmann, sollte
er da sein, oder irgendeinem hochrangigen Vertreter mein
25°Jahre-Mitglied-schaftsabzeichen, weil ich es satt habe!" „Ich habe es
satt", hat sie mir gesagt. (Abg Godwin Schuster: ... wann die
Kanalgebühr erhöht worden ist!) Ich zitiere sie jetzt stellvertretend für
den Unmut vieler Wienerinnen und Wiener, speziell vieler Senioren, die Sie im
Stich gelassen haben. Nun soll ich Ihnen heute diese
25°Jahre-Mitgliedschaftsmedaille zurückgeben, weil sie keinen Wert mehr darauf
legt.
Ich sage Ihnen, Sie sollten das ernst nehmen! Da
beginnen viele, viele Wienerinnen und Wiener zu erkennen, dass Sie die
Verantwortung in dieser Stadt tragen und niemand anderer, weil Sie die absolute
Mehrheit haben. Stehen Sie dazu, machen Sie es besser, trauen Sie sich endlich
einmal, auch Visionen zu überlegen! Denken Sie nach, wie wir diese Stadt nach
vorne bringen können! Nützen Sie mögliche Strukturmaßnahmen und Reformen, um
Geld wirklich zielgerichtet für Sozialprojekte einsetzen zu können!
Dann brauchen wir nicht zu lamentieren, wie Sie das
tun! Dann brauchen wir nicht den "Alles leiwand"-Schmäh zu spielen,
sondern können wirklich etwas Besseres für diese Stadt, für unser Wien
erreichen. (Abg Godwin Schuster: Seien Sie ehrlich! Einmal ehrlich im
Leben!) Das wird unser Anliegen sein. (Beifall bei der FPÖ. - Abg
Heinz-Christian Strache begibt sich zu Abg Godwin Schuster und überreicht ihm ein
Parteiabzeichen. - Abg Kurt Wagner: Wir können jetzt nicht den Wahrheitsgehalt
überprüfen!)
Präsident Johann Hatzl: Zum Wort
gemeldet ist Abg Margulies. - Bitte.
Abg Dipl Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr
Präsident!
Der Titel des heutigen Sonderlandtages, "Die
Niederlage der Wiener SPÖ gegenüber der Bundes-SPÖ beim Finanzausgleich
gefährdet Wiener Interessen!", lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass
sich die Freiheitlichen gewünscht hätten, die Wiener SPÖ hätte sich mit all den
niedergeschriebenen Belastungen im Finanzausgleich durchgesetzt. (Zwischenruf
des Abg Günther Barnet.) So liest sich dieser Titel. (Abg
Heinz-Christian Strache: Da haben Sie Interpretationsprobleme, ja!)
Gleichzeitig ist die FPÖ scheinbar auch schon
angesteckt, angesteckt von einer Mentalität, die eine Regierungspartei, die
seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt, solange sie nicht den Bundeskanzler
gestellt hat, immer wieder an den Tag gelegt hat - nämlich: Wir waren ja nicht
dabei! (Abg Heinz-Christian Strache: Sitzen wir hier in der Regierung?)
Die Freiheitlichen sind nicht in der Bundesregierung, und Finanzminister
Grasser verhandelt schon gar nicht im Auftrag der Bundesregierung den
Finanzausgleich einer Bundesregierung, an der die Freiheitlichen nicht
beteiligt sind, einer Bundesregierung, in der kein einziger freiheitlicher
Politiker jemals irgendetwas dazu gesagt hat - diesen Eindruck gewinnt man,
wenn man Herrn Strache zuhört.
Letztendlich ist es aber so, dass man sich die
vergangenen Jahre einer FPÖ-Regierungsbeteiligung einmal genauer ansehen muss.
Gerade die von Ihnen gepriesene Steuerreform hat ganz vorsätzlich zugunsten der
Wohlhabenden und Bessergestellten in Österreich die finanziellen Mittel
verknappt. Das rote Wien hat da nicht gegengesteuert, und so ist es
letztendlich auch kein Wunder, dass wenn sich ÖVP, FPÖ und SPÖ gemeinsam an
einen Tisch setzen, um den Finanzausgleich zu verhandeln, ein Belastungspaket
auf dem Rücken der Bevölkerung herauskommt. Diese Art der Belastungspakete
lehnen wir GRÜNE ab! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Schauen wir uns das doch einmal genauer an, und zwar
auf einer inhaltlichen Ebene und nicht auf einer oberflächlichen, so wie Herr
Strache versucht hat, einen Rundumschlag zu machen, bei dem ich mich gefragt
habe: Was will er uns heute eigentlich erzählen? Reden wir einmal ganz konkret
über den Stabilitätspakt, der erneut auch von VBgm Dr Rieder in seiner Funktion
als Landeshauptmann-Stellvertreter oder Landesfinanzreferent erneut
unterschrieben wurde.
Die Geschichte des Stabilitätspakts ist, wie Sie alle
wissen, auch in diesem Haus eine sehr umstrittene, von "Der
Stabilitätspakt ist wichtig" bis hin zu, beim letzten Budgetvoranschlag
2004, "Na ja, wenn es der Bund nicht einhält, müssen wir es eigentlich
auch nicht einhalten", und bis dahin, dass auch die Sozialdemokratie sich
der Kritik der GRÜNEN schon einmal angeschlossen hatte, dass diese Art und
Weise der Stabilitätspakte - nicht nur des europäischen Stabilitätspakts,
sondern auch des innerösterreichischen Stabilitätspakts - gerade der Wirtschaft
und der Wirtschaftsförderung die Hände bindet und sie knebelt und dass von
einem Stabilitätspakt keinesfalls wirtschaftspolitisch sinnvolle Impulse
ausgehen.
Noch etwas wurde mit Unterstützung der Wiener SPÖ in
den vergangenen vier Jahren erreicht. Durch die Bindung an den Stabilitätspakt
- und das ist ja das Perfide an solchen Modellen - wird zunächst einmal einer
Körperschaft wie dem Land Wien, wie der Stadt Wien mitgeteilt: Sie bekommt gar
nicht weniger Geld, vielmehr besteht das einzige Interesse daran, einen
Überschuss zu erzielen. Dieser Überschuss wurde von Wien auch immer gemacht. Es
gab in den vergangenen vier Jahren, während auf Bundesebene das Nulldefizit
auch von der Sozialdemokratie kritisiert wurde, in Wien immer einen
Maastricht-relevanten Überschuss.
Was hat Finanzminister Grasser - und diese
Bundesregierung - mit dem Überschuss der Länder gemacht? Er hat eine
Steuerreform für die Wohlhabenden, für Unternehmen und für die Reichen in
diesem Lande finanziert und hat somit die Finanzmittel verknappt, sodass in
Wirklichkeit für den jetzt kommenden Finanzausgleich weniger finanzielle Mittel
zur Verfügung stehen.
Was macht die Wiener SPÖ, von der
man sich wünscht, sie hätte aus den vergangenen vier Jahren gelernt? - Sie
stimmt erneut einem Stabilitätspakt zu, der 0,6 Prozent
Maastricht-Überschuss ausweisen soll! Die
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