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Landtag, 20. Sitzung vom 04.03.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 26 von 56

 

Spange zur Kinderarmut gibt: Arme Kinder, Kinder aus einem sozial schwachen Elternhaus, haben weniger Möglichkeit, kompensatorische Maßnahmen wahrzunehmen, und zwar aus zwei Gründen: Einmal, weil es im Hinblick auf private Nachhilfe finanziell nicht zu leisten ist, und andererseits, weil die Eltern oft selbst, je nach Familiensituation, das Thema gar nicht für wichtig empfinden. Daher kommt man aber, wenn man nicht im Sinne von Schelsky eine Herrschaft der Betreuer aufbauen möchte, in diese Dimension, dass man sagt: Freunde, wir sollten zumindest vom Angebot her sicherstellen, dass Schüler, die in einer ganztätigen Form aufgenommen sind, dann auch die für die kompensatorisch notwendigen Bereiche entsprechende Betreuung enthalten.

 

Das sind also zwei Bereiche, von denen ich meine, dass Sie gut beraten sind, sich mit diesem Thema genauer auseinander zu setzen.

 

Ich möchte mich aber - es kann gar nicht anders sein - auch mit einer politisch-ideologisch kritischen Fragestellung auseinander setzen. Wir haben derzeit in Österreich die Diskussion um die Senkung des Wahlalters, eine Diskussion, zu der man einerseits sehr emotional, andererseits auch ganz nüchtern viele Fragen und Abwägungen in den Raum stellen kann. Ich darf Ihnen zusichern, es gibt da auch innerhalb der ÖVP unterschiedliche Standpunkte, wie Sie wissen, quer durch Österreich. Es gibt Argumente dafür und dagegen, es gibt die Argumente in der Fragestellung: Wo sind die Grenzen anzusetzen?

 

Was aber spannend ist, ist die Frage: Wie komme ich an jene 20 Prozent der Kinder heran, die dieses Wahlrecht aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und Begrenzungen derzeit nicht ausüben können, aber vom Staatsbürgerlichen her gesehen ein Anrecht auf diese Wahrnehmung auch beim Wahlakt selbst haben? Daher die Frage: Stimmrecht für Kinder, ja oder nein?

 

Sie lehnen das ab, und da komme ich jetzt zu einem für mich doch sehr eigenartigen Satz oder zu eigenartigen Überlegungen aus einer Aussendung vom 12. Februar. Sie schreiben hier: Leider ist es in unserem System noch viel zu utopisch, darüber nachzudenken, dass Kinder die gleichen Rechte wie andere Menschen auch besitzen sollten, unabhängig ihres Alters. Und weiter unten: Es geht nicht darum, bereits Babys in die Wahlurne zu bringen. Aber ein Stellvertreterwahlrecht würde in keinem Fall etwas daran ändern, Kinder, Jugendliche auch weiterhin von der tatsächlichen Mitbestimmung auszuschließen.

 

Ich habe versucht, diesen Satz oder diese beiden Überlegungen in die verschiedensten Richtungen zu interpretieren, was Sie denn da überhaupt gemeint haben könnten, und komme faktisch zuerst einmal zu der Überlegung, dass Sie Grundvoraussetzungen für das Ausüben des Wahlrechtes, nämlich eine gewisse Beurteilungs- und Verstandesreife als Voraussetzung dafür, diesen Akt selbst ausüben zu können, zuerst einmal sehr schwammig ins Nirwana verschieben. Da wird eigentlich einmal gesagt: Wir wollen zwar keine Babys in der Wahlurne (Abg Claudia Sommer-Smolik: Babys in der Wahlurne?), aber die Ausübung des Wahlrechtes durch die Kinder müsste anders möglich sein.

 

Meine Damen und Herren! Wir haben aber die Begriffe der Volljährigkeit im Gesetz, wir haben die Begriffe der Voll- und Teilrechtsfähigkeit im Jugendschutzgesetz, und dort sind sie mit bestimmtem Alter genau definiert, aus genau diesem Grund, weil man nämlich Beurteilungs- und Verstandesreife einfach festgesetzt auch aus pädagogischen und entwicklungspsychologischen Überlegungen einem Menschen erst ab einem gewissen Alter zumuten kann. Da habe ich mir gedacht, das kann es nicht sein, denn auf die Frage, warum Sie das Kinderstimmrecht ablehnen, geben Sie ja nicht wirklich Antwort.

 

Das Wahrnehmen treuhänderischer Verpflichtungen oder Rechte durch Eltern oder Erziehungsberechtigte ist übrigens zum Beispiel beim Aktiengesetz gesetzlich voll geregelt. Würde also ein minderjähriges Kind Aktien erben, so würde ein Treuhänder dieses Recht für diese Kinder vollrechtsfähig, genau im Aktienrecht beschrieben, wahrnehmen können. Daher stellt sich für uns - ich bekenne mich zu diesem Stimmrecht - die Frage: Woher nehmen Sie dann Überlegungen, dass das sozusagen nicht zusammenpasst oder nicht den Rechtsnormen oder einem Rechtsverständnis entspricht?

 

Da komme ich - und das ist jetzt ein kleiner Vorwurf, mit dem Sie sich zumindest auseinander setzen müssen - zu dieser dumpfen Andeutung, die da mit "utopischen Überlegungen" definiert ist: zu einer bizarren Welt der Antipädagogik. Das ist eine anarchistische Pädagogik, sie wird auch schwarze Pädagogik genannt. Nur dort, meine Damen und Herren, finden sich solche Überlegungen! Da finden sich die Überlegungen, dass die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen in Frage gestellt wird und dass es eben darum geht, dass Kinder und Jugendliche, aber vor allem Kinder bereits in ihrer sozialen Natur, quasi aus einer grundsozialen Natur des Menschen heraus, diese Entwicklung autonom machen können und daher Erziehung abgelehnt wird. Das ist etwa der Sukkus dieser ganzen Überlegungen, in der wissenschaftlichen Welt seit 1975 schwer umstritten. Die deutschen Vertreter wie Braunmühl und Schoenebeck sind ja in dieser Frage wirklich bizarre Anarchisten. Es gibt auch kein einziges Praxisfeld, das nachweisen würde, dass auch nur ein Ansatz, der hier überlegt wird, Geltung haben kann oder irgendwo funktioniert.

 

Wie stark das ist, darf ich Ihnen an einem Beispiel kurz darstellen. Das Ziel der Antipädagogen wurde immer als Utopie vorgestellt, die die Befreiung von vermeintlicher Unterdrückung durch Abschaffung der Erziehung leisten soll: Die Behauptung, dass Erziehung schädlich ist, weil sie die natürliche Entwicklung des Kindes, die alles, was zu einem glücklichen und selbstbestimmten Leben erforderlich ist, aus sich selbst hervorbringt, beeinträchtigt, behindert, unterdrückt und daher nichts anderes als Fremdbestimmung, Unterdrückung, Gewalt, Gehirnwäsche, ja Mord ist. - Das ist ein wörtlichen Zitat aus dem Buch von Braunmühl.

 

Das heißt, wir haben es mit der Überlegung zu tun, dass ein Kind von selbst alles lernt, was es zum Leben

 

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