Landtag,
18. Sitzung vom 18.12.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 42
Sie haben
es also geschafft - und hören nicht zu -, die Trägerorganisationen so weit zu
bringen, dass in dieser Woche behinderte Menschen und ihre BetreuerInnen,
Kinder, Mütter, Eltern vor dem Rathaus in der Kälte und unter Schneegestöber
demonstriert haben. Sie haben gerufen, sie haben geschrien, sie haben
Transparente gehalten, sie haben gepfiffen - und wissen Sie was? Nicht einmal
einer oder eine von Ihnen ist erschienen, um mit ihnen zu sprechen! Denn ich
war dort. Ich war über eine Stunde lang dort, und es könnte ja sein, dass nach
mir jemand erschienen ist, aber solange ich dort war, war niemand von Ihnen
dort, und niemand hat ... (Zwischenruf des Abg Godwin Schuster.) Selbst
wenn nach mir jemand dort war, ist es die Frage: Was haben Sie denn gemacht aus
dem, was Sie dort gehört und erfahren haben?
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wie kann es
sein, dass in diesem EU-Jahr der Menschen mit Behinderungen acht Monate lang
niemand mit den Vereinen spricht, niemand ihnen erklärt, wer ihr
Ansprechpartner in Sachen Fonds Soziales Wien ist, wie es weitergeht, wie ihre
Finanzierung geklärt wird? Wie kann es sein, dass Briefe unbeantwortet bleiben?
Aber nicht ein Brief, sondern gleich zwei Briefe, drei Briefe! An die Frau
Vizebürgermeisterin gibt es Briefe, und es gibt keine Antwort. An den Herrn
Bürgermeister gibt es Briefe, und es hat bis zur letzten Woche keine Antwort
gegeben.
Wie kann es sein, was Sie da tun - wissend, dass all diese
Vereine äußerst knapp kalkulieren, äußerst knapp und sparsam kalkulieren? Denn
auf diesem Gebiet wird ja niemand reich, das ist nicht unbedingt ein Bereich,
in dem man sich bereichert. Also wissend, dass man hier knapp kalkuliert und
dass das Geld erforderlich ist - Inflationsanpassung ist absolut erforderlich
in einem Mindestausmaß von 2 Prozent pro Jahr, damit man die Betreuerinnen
und Betreuer weiterhin beschäftigen kann, gerade bei den kleinen TrägerInnen!
-, wie kann es sein, dass Sie, wissend, dass einige von ihnen jetzt
Änderungskündigungen vornehmen mussten, nichtsdestoweniger nichts unternehmen
und nicht mit ihnen sprechen?
Irgendwann einmal im November ist die Frau Stadträtin so
weit, dass sie mit den Vereinen sprechen möchte, und dann sagt sie: Wer mich
kennt, weiß, dass mit mir nicht zu verhandeln ist. (Abg Heinz Christian
Strache - in Richtung SPÖ -: Da hat sie Recht!) Ja, da haben Sie auch
Recht. Das stimmt, das ist eine Wahrheit, denn es war mit ihr nicht zu
verhandeln.
Jetzt beschließen wir morgen eine Inflationsabgeltung, die
absolut nicht ausreichend ist. Sie haben sämtliche Alternativvorschläge der
Vereine genau in diesem Jahr, dem EU-Jahr der Menschen mit Behinderungen,
abgeschmettert! Jetzt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Vereine nicht
wissen, wie sie das Auslangen finden können.
Aber das ist ja noch nicht alles - wenn das nur alles wäre!
Wie kann es sein, dass seit Mai 2002 fünf Briefe der ARGE Wohnplätze
unbeantwortet geblieben sind, obwohl Sie gewusst haben, dass das Programm heuer
mit Ende des Jahres ausläuft? Es kommt nun eine Antwort des Herrn
Bürgermeisters, worin er sagt: Man ist bereit, sich nächstes Jahr
zusammenzusetzen, um zu diskutieren, wie und in welchem Rahmen, mit welchen
Detailplanungen es weitergeführt werden kann. Aber Sie haben gewusst, dass das
heuer ausläuft, und es hätte dieses Jahr stattfinden sollen, dass man sich
zusammensetzt und mit ihnen redet, bevor es zum Stillstand kommt!
Wie kann das sein? Was ist das für eine
Behindertenpolitik, in der die Fahrtendienste schon seit einem Jahr ohne
Verträge fahren und in der das Budget für den Freizeit-Fahrtendienst für
nächstes Jahr um mehr als die Hälfte gekürzt wird?
Präsident Johann Hatzl
(unterbrechend): Sie haben noch eine halbe Minute.
StRin Mag Maria Vassilakou
(fortsetzend): Ich habe noch eine halbe Minute - das ist sehr schade,
weil ich hier noch einiges anzuführen hätte. Vielleicht das eine noch: Wie kann
es sein, dass in diesem EU-Jahr der Menschen mit Behinderungen mehrere Anträge
zur Schaffung einer persönlichen Assistenz für behinderte Menschen abgewiesen
werden? Zum Schluss wird einer angenommen, und in Wahrheit wird auch dieser so
behandelt, dass niemand erkennen kann, ob etwas weitergeht und ob überhaupt die
Absicht besteht, tatsächlich konkret die Weichen zu stellen.
Meine Damen und Herren! Ich
möchte meinen Beitrag mit folgenden Worten von Herrn Oechsner beenden; das ist
der Behindertenvertreter in der Behindertenkommission, und das sind die Worte,
mit denen er gestern seinen eigenen Bericht an die Behindertenkommission
abgeschlossen hat. Er hat gesagt: "Wir behinderte Menschen brauchen ein
klares Behindertenkonzept: Wohin wollen wir in den nächsten Jahren in dieser
Stadt gehen? Und wir brauchen politische AnsprechpartnerInnen."
Meine Damen und Herren! Jawohl, dem kann ich mich
anschließen: Diese Stadt braucht eine Behindertenstadträtin. Denn jetzt,
aktuell, gibt es niemand in dieser Stadt, der für Behindertenpolitik zuständig
ist. (Präsident Hatzl gibt das Glockenzeichen.) Dies ist ein vollkommen
untragbarer Zustand im EU-Jahr der Menschen mit Behinderungen! (Beifall bei
den GRÜNEN und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsident Johann Hatzl:
Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Strache.
Abg Heinz Christian Strache: Sehr geehrter Landtagspräsident! Meine sehr
geehrten Abgeordneten!
Um ganz kurz wieder auf den Titel zu sprechen zu
kommen und darauf zurückzukommen: Ich möchte festhalten, ich spreche niemandem
in diesem Haus ein Herz für Behinderte in dieser Stadt ab. Ich denke, dass wir
alle ein Herz haben, auch für Behinderte. Aber ich stelle fest, dass zumindest
die letzte Politik in diesem Land den Eindruck vermittelt, dass dieses Herz in
den letzten Jahren ein bisschen erkaltet ist und in diesem Bereich etwas
abgekühlt ist.
Denn die Stadt war ja, gerade was die Behindertenpolitik
betrifft, sehr gut unterwegs. Aber in den letzten
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular