Landtag,
14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 83
Wienerinnen und Wienern macht, wenn sie einmal da sind, wenn
sie ihren Lebensmittelpunkt in dieser Stadt haben. Auch aus diesem Grund war es
gut und sinnvoll und längst fällig, dass wir dieses kommunale Wahlrecht
beschließen.
Was passiert von diesen zwei Parteien hier im Haus
und natürlich auch auf Bundesebene? Gerade von diesen zwei Parteien, die
übrigens eine erbärmliche gesellschaftspolitische und integrationspolitische
Bilanz vorzuweisen haben, denn was haben sie geleistet in den letzten Jahren?
Na, Hervorragendes: Flüchtlinge auf die Straße zu setzen, Zwangsdeutschkurse
einzuführen, ein Antidiskriminierungsgesetz, das auch längst fällig ist,
übrigens Mitte Juli spätestens müssen wir es haben, es ist ja von der EU her
vorgeschrieben, also dieses Antidiskriminierungsgesetz bis jetzt zu
verschleppen, ja sogar die Notwendigkeit bis vor kurzem zu leugnen mit einer
Reihe von haarsträubenden und peinlichen Argumenten. Und jetzt als Gipfel der
Peinlichkeit und auch der Erbärmlichkeit – es tut mir Leid, weil andere Worte
finde ich nicht mehr – die Bekämpfung des Bezirkswahlrechts, das wir hier in
Wien beschlossen haben, vor dem Verfassungsgerichtshof. Ja, was kann man sonst
wirklich dazu sagen? Zu versuchen, eine der wenigen Möglichkeiten, die die
Stadt Wien hatte, tatsächlich integrationspolitisch zu agieren in dieser Zeit,
zu kippen! Also ich denke, das kann man geradezu fast als Gipfel betrachten.
Und das Beste sind ja noch die Argumente, die dann
kommen. Ich möchte vielleicht mit dem Argument beginnen, dem wesentlichen
Argument der Wiener ÖVP, die ja Krokodilstränen vergießt, schon seit Monaten,
weil es ist ja so traurig, nicht wahr. Also dieses schreckliche
Bezirkswahlrecht, das brauchen wir nicht, weil das ist diskriminierend, weil es
ermöglicht ja Zuwanderern nicht, Bezirksvorsteher zu werden, und sie können
auch nicht Mitglieder werden in den Baukommissionen in den Bezirken. Deswegen
ist es schlecht und deswegen brauchen wir das gar nicht.
Also das ist eine Logik, die kann ich wirklich beim
besten Willen nicht nachvollziehen. Denn wenn, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der ÖVP, es für Sie ein Problem ist, dass das kommunale Wahlrecht, so wie
wir es hier beschließen konnten, diskriminierend ist oder viel zu wenig ist, na
nichts wie hin zu Ihren Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene und nichts wie
dafür plädieren, dass die Bundesverfassung dahin gehend geändert werden kann,
dass es möglich wird, das volle kommunale Wahlrecht zu genießen, ohne
Einschränkungen, ohne jene Einschränkungen, die sogar Sie selbst als
diskriminierend empfinden. Ich glaube, dass die anderen Kräfte im Parlament mit
Begeisterung diesen Antrag von Ihnen unterstützen würden und dass wir hier also
sehr bald die Möglichkeit hätten, ein kommunales Wahlrecht zu beschließen, dass
sogar Ihren Ansprüchen genügt.
Aber ich bitte Sie, selbst wenn es nicht gut genug
ist und selbst wenn es nicht Ihren Ansprüchen genügt, doch diesen
Beharrungsbeschluss des Wiener Landtags zu unterstützen. Ich glaube, dass
Zuwanderer und Zuwanderinnen es Ihnen sehr wohl zu danken wissen werden. Für
diejenigen, die jetzt nicht wählen können, für die zählt das schon, wenn sie zumindest
die Möglichkeit haben, auf Bezirksebene mitzubestimmen. Für sie zählt das
nicht, dass sie die eine oder andere Einschränkung in Kauf nehmen müssen.
Was tut die FPÖ? Die FPÖ startet heute eine große
Kampagne – ich gehe einmal davon aus, dass sie groß ist; wie groß sie wird,
werden wir hier noch sehen –, mit der sie die Wiener Bevölkerung aufklären
möchte über das kommunale Wahlrecht für Zuwanderer. Man wird sehen, wie viel
Unmut da vorhanden ist. Ich behaupte, dass sie mit dieser Kampagne an der Wiener
Bevölkerung aber sehr stark vorbeiarbeitet, denn die Leute haben momentan ganz,
ganz andere Sorgen, die von der Bundesebene kommen, und werden sich sehr wenig
darum kümmern, dass das kommunale Wahlrecht heute erneut sozusagen beschlossen
wird. Aber ich möchte auch behaupten, dass die Wienerinnen und Wiener an sich
überhaupt kein Problem haben mit dem kommunalen Wahlrecht für Zuwanderer, denn
jeder und jede, mit denen man spricht, finden es selbstverständlich, dass
jemand auf Bezirksebene, da, wo man lebt, die Möglichkeit haben soll,
mitzubestimmen, ungeachtet der Staatsbürgerschaft.
Aber Sie haben sich die Mühe gemacht und haben wohl
viel Geld ausgegeben, um diese wunderschöne Broschüre zu produzieren. Ich
bekomme sie heute und schaue drauf und staune nicht schlecht, denn darauf
erkenne ich jemand, den ich seit vielen Jahren kenne, den ich sehr gut kenne
und von dem ich mir kaum vorstellen kann, dass er auf einer FPÖ-Broschüre gegen
das kommunale Wahlrecht wirbt, noch dazu mit einem Zitat: "Kenan, 32: Seit
vielen Jahren bin ich österreichischer Staatsbürger. Wien ist mein Zuhause
geworden. Wieso sollen andere Zuwanderer das Wahlrecht geschenkt erhalten?“
Ich denke mir: Komisch. Also ich kenne den Kenan, der
hat viele Jahre lang, unter anderem gemeinsam mit mir, aber auch mit vielen
anderen in dieser Stadt für das kommunale Wahlrecht gekämpft, was soll er
plötzlich dagegen haben? Ich rufe ihn an und sage: Wie kommt es dazu, dass du
auf dieser Broschüre drauf bist? Und es stellt sich heraus, dass er keine
Ahnung hatte, dass er fotografiert wurde für eine FPÖ-Broschüre, es stellt sich
heraus, dass er hinters Licht geführt wurde offenbar, denn man hat ihm gesagt,
er wird fotografiert für eine Kampagne der Stadt Wien. (Bewegung bei den GRÜNEN und der SPÖ.) Ich möchte diese
wunderschöne Broschüre zum Beispiel unserer Frau Stadträtin geben. Es kann
schon sein, dass das kein Zufall ist, weil das Layout dieser Broschüre ist
äußerst auffällig ähnlich dem Layout der Kampagne der Stadt Wien für das
kommunale Wahlrecht. Und obendrein sagt der junge Mann, er kann sich nicht
vorstellen, jemals dieses Zitat selbst produziert zu haben, weswegen der
Verdacht nahe liegt, dass dieses Zitat von jemand anderem produziert wurde.
Und so stellt sich mir hier die Frage, ob denn auch die drei
weiteren Personen, die auf dieser Broschüre
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