Landtag,
9. Sitzung vom 27.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 49
dass das etwas ist, was wir hier - paternalistisch
herablassend - für Ausländer tun, sondern es ist in unser aller Interesse, wenn
unsere Demokratie gut funktioniert und wenn die Möglichkeit besteht, dass
möglichst viele Menschen in dieser Stadt die gewählten Organe tragen,
respektieren und mitwählen können.
Präsident Johann Hatzl: Dritte
Zusatzfrage: Herr Abg GÜNTHER. (Abg Gerhard Pfeiffer: Das war nicht so gut
...!)
Abg Dr Helmut GÜNTHER (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Frau Stadträtin!
Sie haben in Ihrer
Begründung der vier Eckpunkte des Demokratiepakets darauf hingewiesen, dass die
Nationalratswahlordnung vorsieht, dass Österreicher, die sich am Wahltag nicht
in Österreich befinden, im Ausland die Möglichkeit haben, zu wählen, und dass
Sie jetzt versuchen, auch auf Wiener Ebene diese Möglichkeit zu geben.
Nicht auf die
Nationalratswahlordnung weisen Sie aber hin, wenn es darum geht, das stark
mehrheitsfördernde Wahlrecht in Wien und die Auszählmöglichkeiten nach
Hagenbach-Bischoff zu verändern und in Wien ein dem Bundeswahlrecht
nachgebildetes Wahlrecht, das eine gerechte Aufteilung der Mandate ermöglicht
und nicht stark mehrheitsfördernd ist, einzuführen.
Was hält Sie davon ab, auch
hier auf die Nationalratswahlordnung zurückzugreifen?
Präsident Johann Hatzl: Frau
Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Sehr
geehrte Damen und Herren!
Das alles sind Themen, die wir schon entsprechend ausführlich
diskutiert haben. Ich glaube, wir haben in Wien ein sehr wohl ausgewogenes
Wahlrecht. (Buh-Rufe bei der ÖVP. - Abg Dr Matthias Tschirf: Also wirklich
nicht!) Wir haben ein Wahlrecht, das absolut internationalen und auch in
anderen österreichischen Bundesländern üblichen Standards entspricht. Es ist
leicht mehrheitsfördernd - ja, das ist richtig -, aber auch das ist absolut
keine Ausnahme. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Wenn Sie behaupten, dass Mehrheitswahlrechte
grundsätzlich nicht demokratisch sind, stellen Sie parlamentarische Demokratien
wie jene in Großbritannien, in Frankreich oder auch in Griechenland in Frage.
Präsident Johann Hatzl
(unterbrechend): Deutschland.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner (fortsetzend):
Oder wollen Sie in Abrede stellen, dass es dort Mehrheitswahlrechte gibt? - Sie
stellen aber auch Wahlergebnisse ... (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP und
bei den GRÜNEN.) Es ist schön, wenn Sie sich so echauffieren. Ich bin
wirklich erfreut, dass Fragen der Demokratie die Herzen der Herden so erwärmen!
Das ist ein gutes Zeichen für dieses Land. (Beifall bei der SPÖ. -
Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den GRÜNEN.)
Ich darf Ihnen ergänzend mitteilen, dass auch
innerhalb Österreichs die Wahlrechte nicht anders ausschauen. Ich darf Ihnen
zum Beispiel mitteilen, dass das Wahlergebnis der ÖVP im Jahr 1988 bei den
Wahlen für den Niederösterreichischen Landtag mit 47,6 Prozent der Stimmen
29 von 56 Mandaten gebracht hat. Dies, meine Herren, ist die absolute
Mehrheit in Niederösterreich! Nur dass wir es im Protokoll nicht vergessen,
bitte: Ich sprach von Niederösterreich und von der ÖVP! (Abg Dr Matthias
Tschirf: Dann sagen Sie dazu ...!)
Es ist genauso bei den Kärntner Landtagswahlen. Es
ist genauso bei den Tiroler Landtagswahlen. (Abg Mag Christoph Chorherr:
Alles schlecht!) Dort hat die ÖVP - schon wieder die ÖVP! - zum Beispiel im
Jahr 1989 mit 48,7 Prozent 52,7 Prozent der Mandate. Ich sage gern
noch die Zahl dazu: 19 von 36! (Abg Dr Matthias Tschirf: Aber mit
47 Prozent ...! - Weitere heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Meine Herren! Wenn Sie also der Meinung sind, dass
das alles undemokratisch ist, dann würde ich vorschlagen, dass Sie es dort
einmal ändern, wo Sie das tun können, nämlich in Niederösterreich, in Tirol und
in Kärnten. (Beifall bei der SPÖ. - Abg Gerhard Pfeiffer: Aber noch
"besser" ist es in Nordkorea!)
Präsident Johann Hatzl: Vierte
Zusatzfrage: Herr Abg Wutzlhofer.
Abg Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau
Stadträtin!
Wie Sie sich sicherlich
vorstellen können, befürworte ich die von Ihnen ausgeführten vier Eckpunkte,
stellen sie doch ein Mehr der Demokratie dar. (Abg Mag Christoph Chorherr:
Überraschend! - Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den GRÜNEN.) Das ist
eine der wesentlichen Zielsetzungen der Sozialdemokratie.
Darüber hinaus möchte ich Sie aber fragen, ob Sie
sich vorstellen können, dass diese Wahlrechtsreform, dieses Mehr an Demokratie,
auch ein Beitrag zum solidarischen und friedlichen Zusammenleben in dieser
Stadt ist. Können Sie sich so etwas vorstellen? (Ruf bei der ÖVP: Bravo,
Wutzi!)
Präsident Johann Hatzl: Frau
Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Ja, das
glaube ich. Das ist einer der Hauptgründe. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei
den GRÜNEN.) Offensichtlich interessiert das friedliche Zusammenleben schon
nicht mehr so stark. Mich interessiert es schon, deswegen würde ich gerne die
Frage beantworten.
Ich glaube sehr wohl, dass das eine Auswirkung hat,
weil ich glaube, dass Integration immer eine zweiseitige Sache ist, weil ich
glaube, dass man Menschen auch die Chance geben muss, sich zu integrieren, weil
ich glaube, dass Rechte und Pflichten untrennbar miteinander verbunden sind,
und weil ich glaube, dass man den Menschen auch die Möglichkeit geben muss, in
einem Mindestmaß die Regeln, von denen wir zu Recht erwarten, dass sie sich
daran halten, auch mitzubestimmen.
Deswegen glaube ich, dass dieser Vorschlag, den wir
ausgearbeitet haben, der in Begutachtung geschickt ist und den wir jetzt über
den Sommer in Begutachtung haben werden - ich bin schon gespannt auf die
einzelnen Stellungnahmen -, einerseits ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung
der Demokratie insgesamt und damit in unser aller Interesse ist, aber auch
einen wichtigen Bei-
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular