Landtag,
8. Sitzung vom 25.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 48
(Beginn um 9.02 Uhr.)
Präsident Johann Hatzl:
Die 8. Sitzung des Wiener Landtags ist eröffnet. Ich darf Sie herzlich
begrüßen.
Entschuldigt sind die Abgen Sonja Kato, Josef
Rauchenberger, Heike Trammer und Herr LhptmSt Dr Sepp Rieder.
Meine Damen und Herren!
Ich darf Sie informieren, Herr Landtagsabgeordneter
Michael Kreißl hat mit Wirkung vom 24. April dieses Jahres sein Mandat
zurückgelegt. (Beifall bei den GRÜNEN.) Herr
Günther Barnet wurde mit heutigem Tag vom Bürgermeister an seine Stelle in den
Gemeinderat und Landtag berufen.
Wie Sie
sicherlich aus der Stadtverfassung wissen - aber ich wiederhole es sehr gerne
-, erlangen Nachberufene das Recht auf Ausübung des Amtes bereits mit Antritt,
also mit Annahme der Berufung durch den Bürgermeister. Dies ist in diesem Fall
so geschehen. Diese Nachberufenen haben gemäß § 16 Abs. 2 der Wiener
Stadtverfassung bei ihrem Eintritt in den Gemeinderat die Angelobung zu
leisten, daher wird in der morgen stattfindenden Gemeinderatssitzung von Herrn
Günther Barnet das Gelöbnis geleistet werden, aber er ist ab heute Abgeordneter
und anwesend.
Ich darf Sie als neues Mitglied des hohen Hauses
herzlich willkommen heißen und Ihnen für Ihre Tätigkeit alles Gute wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine
Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, vor Beginn der Fragestunde,
noch einige persönliche Bemerkungen aus der Funktion des Ersten
Landtagspräsidenten:
Heute ist der 25. April. Wie Sie wissen, und aus
gegebenem Anlass, habe ich versucht, ein bisschen in einem Buch zu blättern,
das "Österreich II - Die Wiedergeburt unseres Staates" heißt und
hier beschreibt Hugo Portisch den Beginn der Zweiten Republik wie folgt:
"Wann beginnt die Geschichte der Zweiten
Republik? Mit der Befreiung und Besetzung Österreichs durch die alliierten
Truppen, mit der Betrauung Karl Renners mit dem Amt des Staatskanzlers durch
die Sowjets, mit der Unabhängigkeitserklärung durch die provisorische
Staatsregierung am 27. April 1945 oder am 29. April, als Renner im
ehemaligen Reichsratssaal des Parlaments das neue Österreich, die Zweite
Republik proklamierte. Das jedenfalls sind die handfesten Daten." - Soweit
die Zitierung von Hugo Portisch.
Tatsache
ist, am 29. März 1945 überschritten die sowjetischen Truppen die
österreichische Grenze bei Klostermarienberg, am 28. April überschritten
die amerikanischen Truppen die österreichische Grenze in Tirol, am
29. April überschritten die französischen Truppen die österreichische
Grenze im Bereich Vorarlberg und am 7. Mai die britischen Truppen die
österreichische Grenze in Kärnten und leiteten damit die Befreiung Österreichs
ein.
Ausgehend
von der Tatsache, dass bereits am 13. April 1945 unsere Heimatstadt Wien
durch die sowjetische Armee befreit wurde, gab es nach der Einsetzung von Dr
Theodor Körner als provisorischen Bürgermeister am 17. April und der Einigung
der Parteien über eine neue österreichische Regierung am 23. April, mit
dem 27. April 1945 die provisorische Staatsregierung unter Dr Karl Renner.
Damit hat am 27. April 1945 meiner Auffassung
nach, also 14 Tage nach der Befreiung Wiens, die Zweite Republik ihre
Geburtsstunde gehabt. Hugo Portisch - und hier komme ich wieder zu seinem Buch
- beschreibt das Glück und die Freude der überwiegenden Mehrzahl der
Österreicherinnen und Österreicher über dieses Ereignis und meint: "Jedoch
zu sagen, dass im April und Mai 1945 alle Österreicher die Wiedergeburt
Österreichs mit großer Freude begrüßt hätten, würde auch nicht stimmen. Da
klang bei vielen der Schmerz mit, etwas verloren zu haben und vernichtet zu sehen,
woran sie freudig geglaubt haben, wofür sie selbst oder ihre Angehörigen Opfer
gebracht hatten. Über 1,2 Millionen Österreicher hatten in den deutschen
Streitkräften gedient, fast 250 000 von ihnen waren gefallen oder kehrten
aus den Gefangenenlagern nicht mehr zurück."
"Andere" - und das beschreibt er auch sehr
genau - "hatten Angehörige oder Freunde in den Vernichtungslagern des
NS-Regimes verloren oder waren selbst ins Gefängnis oder ins
Konzentrationslager gekommen, nicht selten unter Mitwirkung österreichischer
Landsleute." - Soweit wieder Portisch.
Und ich schließe an, heute wissen wir noch mehr und
umfassender, aber auch schon 1945 und auch vorher wusste man um das Leid, die
Verbrechen, das Morden, die Tragik, die Not, die Zerstörung, die der Faschismus
unserer Heimat und auch unserer Stadt brachte.
Wir kennen aber auch den Wiederaufbau und die
tatsächliche Freiheit ab 1955 und deshalb ist es so wichtig - meiner Auffassung
nach -, wenn man sich zu Österreich bekennt, und das tun wir, dass man dann
sehr sensibel ist, wenn man merkt, dass es leider dennoch Einzelne, auch in
unserer Republik und in unserer Stadt, gibt, die da offensichtlich der
faschistischen Epoche nachtrauern oder das Wiedererstehen Österreichs sogar als
Grund für einen Trauerakt mit Trauerreden verstehen.
Und so möchte ich daher aus gutem Anlass als Erster
Präsident des Wiener Landtags die Organe der Wiener Sicherheitsbehörden, aber
auch den Herrn Innenminister auffordern, nicht zuzulassen, dass Kundgebungen
oder Demonstrationen, die im völligen Gegensatz zur Wiedererstehung unserer
Republik und zu unserer Verfassung stehen, zugelassen werden, ganz besonders
nicht in wenigen Tagen, wie es beabsichtigt ist.
Ich meine, unsere Wienerinnen und Wiener haben ein
Recht darauf, sicher zu sein, dass es für die Wenigen, die noch immer, leider,
der NS-Zeit oder Großdeutschland nachtrauern, keinen Platz oder
Veranstaltungsort für ihre, ich sage es jetzt so, Verrücktheiten in unserer
Stadt geben kann.
Ich wollte Ihnen das gerne mitteilen und sagen, weil
ich auch den Herrn Innenminister bitte, in dieser Richtung tätig zu sein. (Beifall bei der SPÖ und bei den GRÜNEN.)
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur
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