Landtag,
7. Sitzung vom 28.02.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 53
Amtsf StRin Mag Renate Brauner:
Die Frage befasst sich mit der Senkung des Wahlalters und es wird danach
gefragt, ob ich weiterhin die Absicht hege, das Wahlalter hier in Wien zu
senken.
Das kann ich sehr eindeutig beantworten: Ja, ich hege
weiter diese Absicht - und nicht nur ich, sondern viele andere auch -, denn ich
glaube, dass Politik mehr ist, als Umfragen zu machen und das dann umzusetzen,
sondern ich glaube, dass Politik dazu da ist zu gestalten.
Das heißt, die Frage, die sich stellt, ist: Hat man
den politischen Willen, jungen Menschen mehr Gestaltungsmöglichkeiten und mehr
Mitbestimmungsmöglichkeiten in dieser Stadt zu geben? - Ich kann für mich
persönlich und für meine Fraktion sagen: Ja, wir haben diesen Willen und wir
halten das für richtig. Ich glaube, dass Jugendliche, um deren Zukunft es ja
geht, bei vielen Fragen, die wir hier entscheiden, auch die Möglichkeit haben
sollen, mitzureden.
Umfragen,
wonach viele Jugendliche jetzt noch skeptisch sind, bestätigen mich darin, dass
man viel tun muss, um diese Skepsis zu beseitigen, denn es ist logisch, wenn
sich eine Gruppe nicht ernst genommen fühlt, wird sie sich auch selber nicht
ernsthaft einbringen. Ich glaube, es ist unser aller demokratische Aufgabe, den
jungen Menschen klar zu machen, dass wir sie sehr ernst nehmen, und sie damit
auch in ihrem politischen Reifungsprozess zu unterstützen. Ich bin überzeugt
davon, dass junge Menschen sich dann auch an unserem bestehenden politischen
System sehr aktiv beteiligen werden; an nichttraditionellen Formen wie Bürgerinitiativen
oder Umweltinitiativen tun sie es ja jetzt schon.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke schön. - Die erste Zusatzfrage: Herr Abg
Dr Ulm, bitte.
Abg Dr Wolfgang Ulm
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Eine
der Gefahren der Wahlaltersenkung liegt sicher darin, dass der Wahlkampf
leichter als bisher in die Klassenzimmer getragen werden kann. Es war schon
bisher so, dass Vertreter der SPÖ, beispielsweise die SPÖ-Lehrervereinigung,
Wahlpropaganda in die Klassenzimmer getragen haben. So war es beispielsweise
erst bei den letzten Gemeinderatswahlen am 25. März des Vorjahres, als
sich die SPÖ-Lehrervereinigung mit einem Wahlaufruf an so selbst bezeichnete
rote Schulleiter gewandt hat, damit Kopien von diesem Wahlaufruf hergestellt
werden und den Kindern - ich zitiere -"bis spätestens Freitag vor dem
Wahltag" mitgegeben werden können.
Zu einem
ähnlichen Fall der parteipolitischen Einflussnahme ist es im Zuge des
Bildungsvolksbegehrens gekommen, wo eine parteipolitische Propaganda in das
Mitteilungsheft hätte eingeklebt werden sollen.
Ich
frage Sie daher: Wie wollen Sie, nachdem es solche Versuche der politischen
Einflussnahme bereits - insbesondere in Ihrer Fraktion - gegeben hat, ohne dass
das Wahlalter gesenkt gewesen wäre, dafür sorgen, dass in Hinkunft bei einer
Absenkung des Wahlalters der Wahlkampf nicht in die Klassenzimmer getragen
wird?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Frau Stadträtin, bitte.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Wie Ihnen sicher bekannt ist und wie wir Ihnen auch
schon im Rahmen unseres Unterausschusses sehr deutlich mitgeteilt haben - falls
es Ihnen vorher nicht bekannt gewesen sein sollte -, ist parteipolitische
Aktivität in Schulen verboten, und das wird auch entsprechend eingehalten.
Ich weiß nicht, welche Zitate und welche Dinge Sie
hier wieder als Parteipolitik auslegen. Wenn Ihre Zitate und Belege von
ähnlichem Niveau sind, wie Sie sie uns gestern im Kuratorium des Wiener
Integrationsfonds vorgelegt haben, dann kann ich nur sagen, Sie verwechseln
Kritik mit Parteipolitik, und ich habe ein bisschen den Verdacht, dass Sie
Kritik dadurch mundtot machen wollen, dass Sie sie als Parteipolitik abtun. Das
ist falsch. Und Kritik werden Sie und Ihre Partei aushalten müssen, Herr Dr
Ulm.
Ich persönlich bedaure es, dass wir - wie in vielen
anderen Fragen auch - uns hier nicht inhaltlich auseinander setzen. Ich bin
sehr gerne bereit, über das Thema zu reden, wie wir damit umgehen, dass
Jugendliche offensichtlich eine Skepsis zu unserem traditionellen
demokratischen System haben und sich das in Umfragen niederschlägt. Wie gehen
wir damit um? Wie können wir gemeinsam diese Skepsis überwinden? Was tun wir
denn, um junge Leute wirklich zu aktivieren? - Zu so einer Diskussion wäre ich
sehr gerne bereit, ja, ich fordere sie eigentlich sogar ein für alle, die da
herinnen sitzen. Diese Diskussion würde ich sehr gerne führen und es tut mir
Leid, dass Sie dieser Diskussion immer mit formalen Argumenten ausweichen. Ich
halte dieses "Wahlkampf in die Schulen tragen" für ein Ausweichen,
das die inhaltliche Diskussion verhindert.
Um
es in einem Satz noch einmal zusammenzufassen: Parteipolitik hat in Schulen
nichts verloren und sie passiert dort auch nicht. Kritische Diskussionen von
Lehrern und von Schülern werden wir alle miteinander aushalten müssen. Glücklicherweise
leben wir in einer Demokratie und das soll auch so bleiben! Inhaltlich würde
ich gerne über die Frage "Wahlrecht für Jugendliche" diskutieren und
darüber, was wir tun können, um die Skepsis der Jugendlichen zu überwinden. Und
zu dieser Diskussion möchte ich auch alle einladen.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Abg
Dr GÜNTHER. - Bitte schön.
Abg Dr Helmut GÜNTHER
(Klub der Wiener Freiheitlichen): Frau Stadträtin!
Einer der
Hauptpunkte der Diskussion im Unterausschuss "Wahlrecht" war die
schwache Wahlbeteiligung, die mittlerweile nicht einmal mehr zwei Drittel der
Wahlberechtigten in Wien umfasst.
Hier
stellt sich die Frage: Ist der Weg der Grünen
und der Sozialdemokraten, das Wahlrecht auf mehr Leute auszudehnen - einerseits
auf die Jugendlichen, indem man das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre senkt,
andererseits auf Nicht-EU-Bürger, die Ausländer sind und in Wien wohnen -, der
richtige, oder wird das dazu führen, dass wir dann zwar mehr Wahlberechtigte
haben, aber sie nicht zur Wahl gehen? - Wenn die Umfragen
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