Gemeinderat, 56. Sitzung vom 26.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 104
Jahrzehnte. Er hat gesagt: Wenn Sie schnell eine lebenswerte Stadt werden wollen, in der sich alle trauen, mit dem Fahrrad zu fahren, dann mache ich Ihnen hier ein Angebot. Die haben das gemacht. Tatsächlich haben die an einem Wochenende, von Freitagabend bis Montag in der Früh, in der ganzen Stadt die Verkehrsorganisation so umorganisiert, dass man nicht mehr durchfahren, sondern nur mehr zufahren kann. 80 Einbahnen wurden umgedreht und 2.500 Schilder getauscht. Der Effekt: Der Autoverkehr hat um 17 Prozent abgenommen. Mittlerweile fahren dort gleich viele Leute mit dem Rad wie mit dem Auto. Das wurde innerhalb von 2 Tagen erreicht, und es hat unter 5 Millionen EUR gekostet.
Das ist etwas, was man - vielleicht nicht von heute auf morgen, wenn man aber heute zu planen beginnt - nächstes Jahr in Wien umsetzen kann. Wenn Sie dort, in der Innenstadt von Gent, auf einer belebten Kreuzung stehen, dann hören Sie die Kinder aus dem nächsten Schulhof spielen. Wenn Sie in Wien in der Innenstadt sind, hören Sie keine Kinder spielen, weil da nämlich überall Autos herumfahren. (GR Erich Valentin: Das hätten wir schon, wenn Gewessler zugestimmt hätte! Das ist eine Chuzpe!) Das wollen wir für Wien: Eine Stadt, die kindgerecht, lebenswert und verkehrsberuhigt ist, eine Stadt für alle Kinder, damit diese auch mit dem Fahrrad in die Schule fahren können - nicht nur in die HTL, wie die Vorrednerin von den NEOS gemeint hat, sondern auch in die Volksschule.
In diesem Sinne wünsche ich mir von der Stadt tatsächlich mehr Mut für die Zukunft, mehr Mut für das Wien von morgen statt das Wien der Vergangenheit, für ein Wien, das umweltfreundlicher, grüner, sozial gerecht und vor allem lebenswert ist. Ich hoffe, dass Sie die eine oder andere Idee von uns nicht nur anhören, sondern auch umsetzen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die tatsächliche Redezeit waren 16 Minuten, die Restredezeit für die GRÜNEN beträgt daher 3 Minuten. Als Nächster ist GR Mag. Juraczka zu Wort gemeldet. Die selbstgewählte Redezeit beträgt 13 Minuten. Bitte.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Nachdem unsere Erstrednerin, Fraktionsführerin Dipl.-Ing. Olischar, wirklich sehr wichtige Ausführungen zur Stadtplanung hatte - ich hoffe, Frau Stadträtin, Sie gehen dann vielleicht auch darauf ein - werde ich mich beim Verkehr heute durchaus kürzer fassen. Es ist eh schon sehr viel gesagt worden, nur noch nicht von allen, könnte ich meinen. Mir hat aber diese Diskussion, der ich sehr gespannt und auch mit Interesse gelauscht habe, schon gezeigt, wie ideologisiert der Verkehrsbereich mittlerweile aufgeladen ist. Denn jeder meiner Vorredner wollte sein Modell durchsetzen, wie er sich diese Stadt vorstellt und wie er glaubt, dass die Menschen hier zusammenleben müssen. Da gab es Kollegen Stark, der uns jetzt erklärt hat, dass eigentlich nur die fahrradgerechte Stadt das einzig Wahre sei, assistiert von Kollegin Pipal-Leixner. Sie ist jetzt nicht da. Auf der anderen Seite war da Kollege Kieslich, der uns gesagt hat, er muss eigentlich nur für die Autofahrer in dieser Stadt da sein.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mein Credo - ich glaube, Sie wissen es mittlerweile - war immer die individuelle Freiheit, ganz eng in Verbindung - „by the way“ - mit der Eigenverantwortung. Ich bin überzeugt, dass die zwei Millionen Menschen in dieser Stadt weder mich noch Kollegen Stark noch Kollegin Pipal-Leixner und auch nicht Kollegen Kieslich brauchen, um zu wissen, wie sie ihre Mobilitätsbedürfnisse befriedigen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)
Worum es uns als Politik gehen sollte, ist, Angebote zu geben. Darum geht es. Ja, ich bin froh, dass wir den öffentlichen Verkehr ausbauen. Das ist ja auch so ein Thema, das die Frau Stadträtin und ich immer wieder haben. Ich glaube, dass vor allem die U-Bahn etwas ist, was ja angenommen wird. Sobald wir eine neue U-Bahn-Linie erweitern oder eröffnen, zeigt sich das sofort in einer Verschiebung des Modal-Split. Das ist gut so. Das heißt, Angebote zu schaffen, aber niemanden auszuschließen oder absichtlich zu behindern: Darum geht es mir. Das habe ich nicht erst ein Mal gesagt. Das habe ich sicher schon, ich weiß nicht, wie oft gesagt. Ich glaube aber, man darf einfach nicht aufhören, das als politisches Konzept nicht nur zu verkaufen, sondern wirklich dafür zu kämpfen. Denn es ist - das haben die vorherigen Wortmeldungen gezeigt - absolut nicht State of the Art. Ganz viele glauben, sie müssen den Menschen ihre Meinung überstülpen. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn ich von den Radwegen rede, die zuerst schon mehrfach angesprochen waren, dann darf ich - Kollegin Olischar hat schon angekündigt, dass ich kurz darauf eingehen werde - einen Radweg herausnehmen, der uns schon sehr sauer aufstößt, weil es so nicht hätte sein müssen, nämlich den Radweg im 19. Bezirk in der Krottenbachstraße. Frau Stadträtin, Sie wissen ganz genau, dass meine Fraktion, Kollegin Olischar und ich, im Ausschuss durchaus verschiedenste Radwege mittragen, wenn wir glauben, das ist ein vernünftiges Miteinander aller Verkehrsteilnehmer. Beim Radweg Krottenbachstraße ist die Situation eine andere. Da gab es in der Bezirksvertretung eine parlamentarische Mehrheit für einen Radweg auf dieser Krottenbachstraße. Es gab dann Planungen, und es gab eine Befragung - und zwar nicht nur bei einzelnen Häuserblocks oder Sprengeln, sondern bei mehreren Tausend Haushalten - und einen guten Rückfluss. 72 Prozent der Anrainer haben sich gegen die damals geplante Variante ausgesprochen. Warum? Unter anderem auch deshalb, weil es dort natürlich auch Parkraumknappheit gibt und 200 Stellplätze wegfallen. Da sind wir wieder beim Miteinander des einen mit dem anderen Verkehrsteilnehmer. Immerhin sind ja 8 Millionen EUR in Zeiten von klammen Kassen auch nicht nichts.
Dann ist etwas passiert, was ich besonders traurig finde, Frau Stadträtin. Erlauben Sie, dass ich auch das in diesem Auditorium anspreche. Dann hat der Herr Bezirksvorsteher mit Ihnen gemeinsam eigentlich eine gangbare Lösung gefunden - das, was ich immer propagiere: ein Miteinander -, dass man nämlich den Fahrradfahrern in Döbling eine Möglichkeit bietet, wirklich auch mit sehr viel Lebensqualität zu radeln, nämlich nicht in der - wenn ich das so sagen darf - Verkehrshölle der dichtbefahrenen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular