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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 91 von 109

 

und zuschaut -, sondern da muss man aktiv etwas tun. Während hunderte Millionen in neue Straßen und Autobahnen fließen, werden Projekte für den Rad- und Fußverkehr und für den öffentlichen Verkehr nur halbherzig umgesetzt. Sie haben es vorhin gehört: Im Radverkehr wurde bis jetzt ein Sechstel dessen, was Sie versprochen haben, umgesetzt. Umgelegt auf ihre heißgeliebte Stadtautobahn, die Stadtstraße, wäre das, als würden Sie in der ganzen Legislaturperiode nicht die 3,5 km, sondern gerade einmal 600 m bauen. Bei der Autobahn aber greifen Sie in die Vollen, beim Radverkehr sind Sie nur halbherzig unterwegs.

 

Die Investitionen in den Radverkehr sind im Vergleich zu den Ausgaben für den Autoverkehr geradezu lächerlich. Sie preisen sich, dass Sie 20 Millionen EUR für den Radverkehr aufbringen, von denen noch dazu die Hälfte vom Bund kommt. Diese stehen den Milliarden gegenüber, die Sie für Autobahnprojekte in und um Wien realisieren möchten. Das ist einfach, wie wenn man mit einer Wasserpistole ein Lagerfeuer oder einen Hausbrand löschen will. Das wird sich nicht ausgehen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ein weiteres Beispiel ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Dabei fehlt es ebenfalls an Tempo und Konsequenz. Ich sage nicht, dass gar nichts passiert, es ist aber viel zu wenig angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wichtige Straßenausbauten werden immer wieder verschoben oder zurückgestellt oder werden von etwas abhängig gemacht: Ja, das machen wir, wenn die Autobahn fertig ist.

 

Besonders tragisch ist das in den Außenbezirken wie zum Beispiel in Liesing, der der autoabhängigste Bezirk von allen ist. Da gibt es überhaupt kein einziges Straßenbahnausbauprojekt, das auch nur bekannt ist. Da wird nicht einmal irgendeines diskutiert. Stattdessen gibt es viel PR für den Radverkehr, aber leider wenig konkrete Fortschritte. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was wir wollen und fordern, ist, dass wir auch über den Tellerrand hinausschauen und nicht immer nur auf den Bauchnabel. Orientieren wir uns an den besten Umsetzungen, die es international gibt! Ich habe es schon oft strapaziert, aber es ist nun einmal wirklich beeindruckend, was dort passiert: Paris hat es in einem Jahr geschafft, den Radverkehr zu verdoppeln. (GR Petr Baxant, BA: Waren Sie schon einmal … Sie vergleichen Wien und Paris? Das ist eine Frechheit!) Wissen Sie, wie lang Wien dafür gebraucht hat? Über zehn Jahre. Paris hat auch die erste Etappe bei der Reduktion des Autoverkehrs geschafft: minus 45 Prozent beim Autoverkehr - Ihre Parteikollegin übrigens, eine Sozialdemokratin, beziehungsweise ihre Vorgängerinnen. Mittlerweile pendeln mehr Menschen aus dem Umland mit dem Rad als mit dem Auto in die Stadt. Ich glaube, das ist etwas, was sich die SPÖ-Fraktion ganz schwer vorstellen kann. In Paris ist es Realität. Wien kann das auch schaffen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Damit ich das gleich vorwegnehme: Das heißt nicht, dass wir sagen, Wien muss Paris werden. Das heißt nicht, dass wir uns abschauen wollen, dass die Mieten durch die Decke gehen. Das heißt, dass wir uns abschauen, was gut funktioniert, dass wir uns abschauen, wie dort in wenigen Jahren ganze Hauptstraßen zu Begegnungszonen oder zu Radstraßen umgewandelt wurden, dass wir uns abschauen, dass Paris bis zum Ende der aktuellen Periode jede Straße vor einer Schule so weit wie möglich autofrei und begrünt gestalten will. Die haben schon über 130 Schulstraßen realisiert. In Wien sind wir bei 11. Es bedeutet, dass wir uns abschauen, wie die Parkraumbewirtschaftung reformiert wird, wie sie klimafreundlicher wird, wie sie wirksamer wird, wie dort jetzt Riesenautos einen fairen Beitrag zahlen und dadurch in Paris auch die Autos effizienter werden. Das wollen wir auch für Wien.

 

Ein anderes Beispiel ist natürlich Tempo 30. Dank der Bundesregierung und der Klimaministerin ist das jetzt auch in Wien viel einfacher. Wer hat das schon umgesetzt? Viele Städte, zum Beispiel Brüssel oder Helsinki. Wozu hat das geführt? Dass dort jetzt einfach viel mehr Leute Rad fahren oder zu Fuß gehen, weil es sicherer und attraktiver ist. Helsinki hat es erstmals geschafft, in einem Jahr keine getöteten FußgängerInnen und RadfahrerInnen mehr beklagen zu müssen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Die Folge: Dort trauen sich die Eltern jetzt, ihre Kinder selbstständig zur Schule kommen zu lassen. Dort fahren jetzt auch mehr Kinder mit dem Rad. Das ist, was wir auch für Wien wollen: „Safety first“, dann steigen die Leute auch um.

 

Es gibt noch viele andere Beispiele: Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona, London, Zürich. Sie fahren ja immer wieder auf Dienstreisen, wie wir wissen. Nehmen Sie die Ideen mit! Bringen Sie die besten Lösungen, die es international gibt, nach Wien! Ich liebe Wien und wir lieben Wien. Wer Wien liebt, der muss es unserer Meinung nach besser machen und darf nicht sagen: Wir sind eh schon so super. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Leider scheint Wien viele dieser Vorbilder zu ignorieren. Stattdessen werden für über eine halbe Milliarde Euro Stadtautobahnen gebaut, die wirklich einfach nur mehr Öl ins Feuer gießen, uns wie eine Schlagader mehr Verkehr in die Stadt pumpen und dann auch noch als klimafreundlich verkauft werden. Liebe Genossinnen und Genossen von der SPÖ, man kann sich den Klimaschutz aber nicht mit Autobahnen herbeibetonieren.

 

Ein Weiter-wie-bisher reicht nicht aus. Das zeigen die Zahlen klar. Wir haben in den letzten drei Jahren keine Fortschritte. Das heißt, wir müssen endlich an den großen Schrauben drehen und die Mobilitätswende in Wien konsequent vorantreiben. Dazu gehören ein ambitionierter Ausbau des Radwegenetzes, eine konsequente Förderung des Fußverkehrs und eine deutliche Verbesserung im öffentlichen Verkehr - vor allem dort, wo es Unterversorgungen gibt, Stichwort: Außenbezirke. Dort muss Wien endlich das Tempo machen, das es sich selber vorgenommen hat, und die versprochenen Maßnahmen umsetzen.

 

Stellen Sie sich vor, wir hätten genauso viel Energie in den Ausbau des Radwegenetzes gesteckt wie in die Planung des Lobau-Tunnels! Ich glaube, dann könnten wir alle hier herinnen wahrscheinlich schon längst sicher und gemütlich mit dem Rad in die Arbeit fahren und das Ganze bei frischer Luft auch noch genießen. Wir wünschen uns

 

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