Gemeinderat, 53. Sitzung vom 22.04.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 67 von 76
GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE): Schönen emotionalen Nachmittag zu dieser Kulturdebatte zu den Philharmonikern!
Das Problem der Philharmoniker sind nicht die GRÜNEN, sondern das Problem der Philharmoniker ist die Gleichstellung. Das haben wir schon öfter gesagt. Wir werden es auch heute wieder sagen.
Wir stimmen heute gegen diesen Akt zum Sommernachtskonzert. Warum? Weil wir überzeugt sind, dass solche Förderungen das politische Ziel einer demokratischen Kulturpolitik verfehlen. Was heißt das konkret? Demokratische Kulturpolitik bedeutet, dass mittels öffentlicher Fördergelder auch konkrete Förderziele verfolgt werden.
Ein konkretes Förderziel kann zum Beispiel die Tourismuswerbung für Wien sein. Das ist zwar nicht demokratisch, aber es ist okay. Es ist halt wirtschaftlich motiviert. Ein konkretes demokratisches Ziel der Förderpolitik muss sein, dass die vorhandenen Gelder - hören Sie gut zu, Herr Kollege! (in Richtung GR Stefan Berger) - möglichst gerecht verteilt werden. Da ist leider noch deutlich Luft nach oben. Was heißt, gerecht? Na, zumindest sollten alle Bevölkerungsgruppen gemäß ihrem Anteil in der Gesellschaft irgendwie auch davon profitieren können. Weniger geschwollen ausgedrückt: Wenn 50 Prozent der Wiener Bevölkerung Frauen sind, sollten auch 50 Prozent der Förderungen an Frauen gehen. Warum? Weil an den Unis mindestens 50 Prozent Künstlerinnen ausgebildet werden, die weiblichen Exzellenzen also da sind, auch als Künstlerinnen. Die werden im Moment nicht gesehen oder profitieren einfach nicht genug.
Was spricht dagegen? Eigentlich nichts, außer vielleicht die Bequemlichkeit. Denn es ist einfacher und bequemer, das Bekannte zu wiederholen. Es ist einfacher, zum 105. Mal Strauß, Mozart, Haydn, Beethoven oder Mahler aufzuführen, statt im bestehenden Archiv der MDW eine von den 500 dort dokumentierten Komponistinnen auszugraben. 500 Komponistinnen aus allen Jahrhunderten stehen dort zur Verfügung, in einem Archiv hier in Wien. Man muss nicht weit gehen. In Deutschland gibt es noch weit mehr Archive. Im Archiv Frau und Musik in Frankfurt am Main werden sogar 2.000 Komponistinnen - vom 9. Jahrhundert bis zum 21. Jahrhundert - und 30.000 Medieneinheiten dokumentiert. Es gibt ausreichend weibliche Exzellenzen, die es wert sind, aufgeführt zu werden.
Trotzdem schaffen es die Wiener Philharmoniker, in 20 Jahren bei 20 Sommernachtskonzerten nur ein einziges Stück einer Komponistin aufzuführen. Das stimmt nicht ganz. Eines wurde bis jetzt aufgeführt. Heuer, 2024, gibt es - hey ho - noch ein zweites einer Komponistin. Heuer wird erstmals Augusta Holmès aufgeführt. Das heißt, ich nehme diese Babyschritte wahr. Ich finde es auch positiv, dass sich die Philharmoniker langsam entwickeln, aber wenn das so weitergeht, dann brauchen wir noch 20 oder vielleicht noch 50 Jahre, bis irgend so etwas Ähnliches wie Gleichstellung gesetzt wird.
Ich muss Sie (in Richtung GR Stefan Berger) leider korrigieren, Herr Kollege. Es gibt eindeutig auch in historischen Zeiten weibliche Komponistinnen. Es gibt auch qualitativ hochwertige weibliche Komponistinnen, die die Philharmoniker aufführen könnten. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Mehr als 2 Komponistinnen gab es also in den letzten 20 Jahren beim öffentlich finanzierten Sommernachtskonzert, das gratis ist und neben der schönen Zeit für die Zuhörenden meiner Meinung nach doch auch einen gewissen Bildungsauftrag erfüllen sollte, nicht zu hören. Bei 250.000 EUR für einen Abend muss aus Sicht einer demokratischen Kulturpolitik mehr drinnen sein. Mit 250.000 EUR muss die öffentliche Hand auch einem gestaltenden Auftrag nachkommen. Warum ich glaube, dass Wien das machen muss? Weil die öffentliche Hand wenig andere Steuerungsmöglichkeiten hat, als über Fördersummen zu fördern oder eben nicht zu fördern. Wer steuern will, muss seine Förderungen an Regeln und Kriterien binden.
Das eine sind Transparenzkriterien - da werden wir immer dafür sein -, das andere sind Regeln, die die FördernehmerInnen motivieren sollen, Entscheidungen im Sinne einer solidarischen Gesellschaft zu treffen. Was heißt das konkret? Wenn wir wollen, dass mehr Frauen als ausführende Künstlerinnen und mehr Werke von Frauen öffentlich präsentiert werden, wenn wir wollen, dass weibliche Exzellenzen sichtbar werden, dann müssen wir die Förderkriterien dementsprechend anpassen.
Deshalb bringen wir heute einen Antrag zur Verankerung von Frauenquoten in den Förderkriterien ein. Bevor Sie jetzt nervös werden: Man kann solche Quoten auch intelligent setzen. Man kann zum Beispiel - wie es die Filmwirtschaft auf Bundesebene großartig vorgezeigt hat - Quoten als Incentive einführen. Was heißt Incentive? Incentive heißt positive Verstärkung: Wer die Quote erfüllt, bekommt mehr Fördergelder. Ganz einfach. Wer das Richtige tut, wird belohnt - ein simples Instrument aus der Pädagogik, das funktioniert. Das hat schon immer funktioniert und funktioniert auch bei Förderquoten.
Es ist nicht einzusehen, warum das in der Wiener Kulturförderung nicht funktionieren soll und warum es nicht möglich sein soll, in Wien ein ähnliches Instrument zu entwickeln, um mehr Frauen, mehr weibliche Exzellenzen öffentlich sichtbar zu machen und auch zu finanzieren. Bis jetzt spielen viele von ihnen umsonst. Das kann nicht im Sinne unserer Stadt sein. Ich bin überzeugt, dass das möglich ist. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich habe noch ein kleines Postskriptum: Der Frauenanteil - zumindest der letzte statistische - bei den Wiener Philharmonikern beträgt 15,6 Prozent. Vielleicht hat sich das inzwischen ein bisschen verbessert. Das deutsche Musikinformationszentrum hat den Frauenanteil für alle großen deutschen Orchester ermittelt. Dort ist er durchgängig bei 40 Prozent.
Was heißt das? Das heißt, wir haben noch viel zu arbeiten. Förderquoten wären eine Chance, dort hin zu arbeiten. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die Stadt in diese Richtung weiterentwickeln könnten. - Herzlichen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Eppinger. Ich erteile es ihm.
GR Peter L. Eppinger (ÖVP): Durchatmen! Es ist 16.30 Uhr, und ich möchte wiederholt feststellen, dass es leiwand ist, dass wir einmal so früh über die Kultur reden.
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