Gemeinderat, 51. Sitzung vom 20.03.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 102
Ich möchte Ihnen jetzt einige Antworten auf einige Fragen von uns vorlesen. Ich mache das jetzt bewusst so, dass ich die Fragen und die Antworten vorlese, damit Sie sich ein Bild machen können und damit Sie sehen, warum wir der Meinung sind, dass im System in der Organisation wirklich etwas ganz falsch läuft oder dass man nicht zusammenarbeiten will. Beides ist tragisch, denn es geht dabei um die Kinder.
Wir haben zum Beispiel die Frage gestellt: Bei wie vielen der Kindesabnahmen wurden im Vorfeld Frühe Hilfen von den Eltern in Anspruch genommen? Bitte um Angabe der Zahlen der einzelnen Jahre 2012 bis 2022. Die Antwort: Die Daten werden von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe statistisch nicht erfasst.
Wir haben gefragt: Wie vielen der Anträge auf Betrauung mit der Obsorge durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe wurde vom Gericht stattgegeben und wie viele wurden abgelehnt? Bitte um Angabe der Zahlen für die einzelnen Jahre 2012 bis 2022. Antwort: Diese Daten werden von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe statistisch nicht erfasst. Das bedeutet, die MA 11 sagt, sie wissen nicht, wie viele Anträge auf Abnahme der Kinder auf die Obsorge der Kinder sie gestellt haben. Das wissen sie nicht? Das kann ich jetzt glauben oder auch nicht.
Die nächste Frage: Wie lange ist die durchschnittliche Dauer zwischen Antrag der Wiener Kinder- und Jugendhilfe und Entscheidung des Gerichts? Antwort: Im aktuellen Dokumentationssystem sind diese Daten nicht auswertbar. Das heißt, die MA 11 kann nicht sagen, wie lange die Dauer von der Einreichung bis zum Urteil ist. Das können sie uns nicht sagen? Jetzt muss ich einmal fragen: Kennen Sie das Wort „Entfremdung“? Wissen Sie, wie oft Eltern das von der MA 11 und von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe hören? Ganz oft. Und zwar heißt es: Ja, solange da kein Urteil gefällt wurde, können wir nichts machen, die Kinder kommen nicht zurück.
Dann gibt es Besuchszeiten. Diese Besuchszeitdebatte haben wir ganz oft geführt, nämlich dass nicht mit den Eltern gemeinsam geschaut wird, welche Besuchszeiten machbar sind. Ich habe einen Job. Ich kann nicht wo hinfahren, ich möchte meinen Job nicht verlieren. ich mache es aber. Mache ich die Besuchstermine, die man mir vorgibt, kann es auch sein - weil das meistens unter der Woche ist, weil es während der Arbeitszeit ist -, dass ich meinen Job verliere. Dann heißt es: Der hat keinen Job, die haben keinen Job, die können die Kinder nicht nehmen. Wenn sie aber einen Besuchstermin versäumen, heißt es, die haben kein Interesse. Das sind Dinge, wo es dann heißt: Ui, das Kind kriegt eine Entfremdung. Dann haben die Eltern in Wirklichkeit keine Chance mehr, selbst wenn sie wollen würden, dass sie das Kind zurückkriegen, und das ist mehr als unfair.
Nächste Frage - denn das geht ja weiter -: Wie viele Eltern haben eine Rückführung der abgenommenen Kinder beantragt? Bitte um Angaben der Zahlen für die Jahre 2012 bis 2022. Antwort: Im aktuellen Dokumentationssystem sind diese Daten nicht auswertbar. Ach, gut! Da habe ich schon einmal schwer durchgeatmet, weil ich mir gedacht habe, das kann ja nicht sein. Jetzt sagt uns die MA 11, wir wissen gar nicht, wie viele Eltern die Kinder gerne zurück hätten. Wir wissen gar nicht, wie viele Eltern sagen, wir möchten es als Familie schaffen. Das sagt uns die MA 11 als Antwort, denn sie haben ein Dokumentationssystem, das im Jahr 2024 diese Daten nicht auswerten kann.
Nächste Frage, Frage Nummer 12 war das: Wie viele Rückführungen zur Herkunftsfamilie hat es in den letzten zehn Jahren in Wien gegeben? Antwort: Bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe gibt es keine statistischen Daten.
Dann haben wir die Frage gestellt: Wo wurden die abgenommenen Kinder in den letzten zehn Jahre nach Abnahme untergebracht? Bei den Verwandten, bei den Krisenpflegeeltern, bei Pflegeeltern, bei Krisenzentren, bei der Wohngemeinschaft? Frage 14: Wie viele der abgenommenen Kinder, die zu Krisenpflegeeltern oder in Krisenzentren gekommen sind, wurden anschließend wieder in die Herkunftsfamilie zurückgebracht? Frage 15: Wie viele der abgenommenen Kinder, die nach den Krisenpflegeeltern oder den Krisenzentren dann zu Pflegeeltern kamen oder in Wohngemeinschaften gekommen sind, wurden anschließend wieder an die Herkunftsfamilie zurückgeführt? Antwort: Betreffend Fragen 12 bis 15 sind seitens der Wiener Kinder- und Jugendhilfe keine detaillierten statistischen Daten vorhanden. Es kann nur eine Gesamtzahl der beendeten vollen Erziehungen übermittelt werden. Wohin die Kinder und Jugendlichen entlassen wurden, ist im aktuellen Dokumentationssystem nicht auswertbar. Echt? Ehrlich? Wissen Sie, wie viele Kinder das seit Christoph Wiederkehr sind? 1.803 Kinder sind entlassen worden, und die MA 11 sagt, sie wissen nicht, wo diese Kinder sind? Das ist doch ein Wahnsinn, das kann doch nicht euer Ernst sein! Bitte! (Beifall bei ÖVP und GRÜNEN.)
Es ist ganz viel Budget für die Frühe Hilfen für die MA 11 freigegeben worden. Bitte, kauft der MA 11 ein Dokumentationssystem, damit man arbeiten kann, damit man das aufschlüsseln kann, damit wir wissen, wo die Kinder sind, damit wir wissen, ob sie eine Chance haben, damit wir wissen, wie es ihnen geht, was sie brauchen. Das kann doch nicht sein, dass ihr der Meinung seid, wenn die Kinder weg sind, ist es uns wurscht, was mit ihnen ist. Das müsst ihr doch verfolgen! Ihr müsst doch wissen: Haben die eine Chance, kriegen die eine Ausbildung? Haben sie ein weiteres Problem, brauchen sie noch eine soziale Hilfe? Bitte, das kann nicht sein! Schenkt ihnen ein Dokumentationssystem, damit wir einmal wissen, was mit den Kindern und Jugendlichen passiert, denn das sind verlorene Seelen. (Beifall bei der ÖVP.)
Was braucht es noch? Eine Neupositionierung der MA 11 ist unserer Meinung nach extrem wichtig, und zwar hin auf die ganzheitliche Einbeziehung der Familie. Zur Zeit ist es wirklich so, dass viele Eltern sagen, wir fühlen uns hier nicht aufgehoben, wir werden dafür verurteilt, dass wir Hilfe brauchen. Ich sage das ganz klar: Ich rede hier von Eltern, die es gerne möchten, die gerne lernen, die sagen, wir können es nicht, aber wir brauchen Hilfe, denn wir wollen gute Eltern sein. Ich rede nicht von Eltern, die ihre Kinder schlagen, sexuell missbrauchen oder Sonstiges. Ich rede von Kindern, die vernachlässigt werden.
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