Gemeinderat, 44. Sitzung vom 22.11.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 91
gangenheit hart dafür gekämpft, dass wir zu einer Annäherung kommen von Mann und Frau auf beruflicher und persönlicher Ebene und wir sind noch weit davon entfernt, da bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Wir haben auch eine Lohnschere, noch immer ist die Beziehung zwischen Mann und Frau nicht auf Augenhöhe, und ich bin bei Ihnen, das ist unser gemeinsames Ziel. Nur, das wenige oder viele, wie immer man das sieht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, was wir erreicht haben, ist in Gefahr! Das ist in Gefahr, und das Ziel der Gleichberechtigung, das wir beide gemeinsam haben, wird wohl so nicht erreichbar sein, wenn Ihre Politik weitergeführt wird. Ihre einzige Maßnahme, die Sie genannt haben oder ich sage, eine wesentliche - und das weiß ich, liegt Ihnen am Herzen -, das sind die Frauenhäuser, die sind unabdingbar, und ich bin auch der Meinung, dass es zu wenige gibt. Aber würden wir so viele brauchen, wenn Ihre Politik eine andere wäre? Ich glaube nicht, weil es einfach nicht so viel importierte Gewalt in dieser Stadt geben würde, würden Sie eine andere Politik fahren.
Und das Fördern von Frauenvereinen und Organisationen, die das Ziel haben, Frauen zu stärken, ist ein guter Ansatz, aber ein defensiver Ansatz. Das Problem sind nicht die Unterdrückten, sondern die Unterdrücker, und die müssen wir ins Visier nehmen und das ist das, was Sie systematisch ausblenden, das blenden Sie systematisch (GRin Martina Ludwig-Faymann: Die Täter haben sich verdreifacht in Wien!) aus. Wir importieren junge Männer, die eine Kultur in sich tragen, die ein archaisches Frauenbild hat, das sind Männer, die glauben, Frauen sind Menschen zweiter Klasse, das sind Männer, die glauben, sie können mit Gewalt (GRin Martina Ludwig-Faymann: Glauben Sie wirklich, dass es das nur dort gibt?) - Sie (in Richtung GRin Martina Ludwig-Faymann) sehen die Korrelation nicht zwischen Gewalt an Frauen und der importierten Gewalt durch diese jungen Männer, die von Kriegserfahrungen getrieben sind, die Kriegserfahrungen leben, deren Gewalt die einzige Sprache der Kommunikation ist. (Zwischenruf von GRin Dr. Mireille Ngosso.) Das ist das Problem, ja, die gibt’s natürlich auch, klar gibt’s die, an denen muss man ja arbeiten, das sage ich ja nicht, dass es nicht der Fall ist, aber der große Teil, der große Teil ist die importierte Gewalt und für die sind Sie zuständig. Männer, die Frauen noch unter das Kopftuch zwingen, Männer, die Frauen in die Zwangsehe führen (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das stimmt.), das ist das ...
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk (unterbrechend): Frau Gemeinderätin, bitte den Schlusssatz formulieren.
GRin Mag. Ulrike Nittmann (fortsetzend): Und diesen jungen Männern müssen wir eine ganz, ganz klare Botschaft senden und die heißt: Null Toleranz für Frauenverachtung! (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das war vor 20 Jahren schon so und vor 30! - Beifall bei der FPÖ.) Aber die Gewalt steigt explizit nach oben.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Bakos, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und werte Zuseherinnen und Zuseher!
Ich möchte diese Aktuelle Stunde nutzen oder vielmehr meine Redezeit, um über Nadine W. zu sprechen. Jene Nadine W., die eine Trafik im 9. Bezirk auf der Nußdorfer Straße betrieben hat - vielleicht kennen manche von Ihnen diese Trafik, von der ich spreche. Jene Nadine W., die im März 2021 kurz vor dem Weltfrauentag vor zweieinhalb Jahren in eben dieser Trafik bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, mit Benzin übergossen und angezündet wurde. Jene Nadine W., die in dieser Trafik daraufhin eingesperrt und vom Täter zurück gelassen wurde. Als sie von Passantinnen und Passanten aus dieser Trafik befreit werden konnte - nämlich von außen mit einem Einkaufswagen, indem man versucht hat, die Tür von außen aufzubrechen-, war sie kaum mehr erkenntlich und hatte lediglich eine fünfprozentige Überlebenschance. Der Täter: ihr Ex-Partner. Ihr „Vergehen“: Sie wollte sich von ihrem Partner trennen. Sie hat leider nicht überlebt. Diese Trafik - so geht es mir und ich glaube, es geht sehr vielen von Ihnen genauso, wenn man diese Trafik heute sieht - ist ein furchtbares Mahnmal dafür, dass Frauen in unserer Gesellschaft noch immer weniger wert zu sein scheinen, dass es noch immer festgefahrene Geschlechterrollen gibt, die es aufzubrechen gilt, und dass wir genau solche Morde, die aber nur die Spitze des Eisbergs an Gewalt gegen Frauen sind, eines Eisberges, den wir, glaube ich, kaum fassen können, dass es nur mittels eines dichten Gewaltschutznetzes und vor allen Dingen durch viel, viel Präventivarbeit, angefangen bei den Kleinsten, möglich ist, diese Femizide, diese Gewalt gegen Frauen zu verhindern, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Es ist leider nur einer von vielen Femiziden, von vielen, vielen, unzähligen Mordversuchen, die in diesem Land stattfinden, weil sich ein Mann in seiner „Ehre“ gekränkt fühlt, weil er seine Partnerin, seine Frau, seine Freundin nicht als Partnerin auf Augenhöhe wahrnimmt, sondern als seinen Besitz, und weil das ein Besitz ist, den man halt so hat, darf dieser Besitz natürlich auch keinen eigenen Willen bilden, weil es eben nicht die Partnerin ist, die man sieht, sondern eben seinen Besitz und weil es schlicht noch immer keine umfassende Geschlechtergerechtigkeit gibt und noch immer keine vollumfassende Gleichstellung von Frauen und Männern. Ich höre ganz oft in diesem Zusammenhang: Na ja, aber was können wir da schon groß tun? Das gab es immer schon, das gab es ja immer schon, wird es halt auch immer geben, ist halt ein Problem, das man nicht wirklich lösen kann. Was sollen wir machen, ist die Frage. Diese Frage ist aber in Wahrheit sehr leicht beantwortet, nämlich, indem wir ganz gleich unseres Geschlechtes, ganz gleich, ob beruflich, ob privat, ganz gleich, auf welcher politischen Ebene wir uns befinden, uns für diese Gleichstellung stark machen, dass wir keine Show-Politik betreiben, egal, aus welcher Ecke sie auch kommen mag, sondern dass wir uns wirklich redlich darum bemühen, dort, wo wir unsere Kompetenz haben, diese Gleichstellung voranzutreiben, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
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