Gemeinderat, 40. Sitzung vom 28.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 102
GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin zwar erst die vierte Rednerin, aber mit Blick auf die Liste der Redner, die zu dieser Geschäftsgruppe noch zu Wort gemeldet sind, habe ich ein bisschen den Verdacht, dass wir mittlerweile in dieser Geschäftsgruppe einen sehr starken Verkehrs- und Mobilitätsfokus haben. Daher möchte ich jetzt betreffend die Themenbereiche gewissermaßen die Waage halten und mich um das Thema Stadtplanung kümmern. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass das das Stiefkind in dieser Regierungskoalition ist.
Daher möchte ich jetzt ein paar Gedanken mit Ihnen teilen, warum das für mich ein so wesentlicher Baustein ist. Ich habe das schon einmal an dieser Stelle gesagt: Für mich ist die Stadtplanung in gewisser Weise das Mutterressort, denn in die Stadtplanung mündet eigentlich jedes einzelne Thema. Hier kommt alles zusammen, auch wenn das ein bisschen technisch klingt, aber das bietet tatsächlich die Basis für die gesamte weitere Gestaltung unserer Stadt.
Wir haben in den letzten beiden Tagen im Zusammenhang mit dem Rechnungsabschluss sehr viel über die verschiedenen Krisen, über das Budget und über die Vergangenheit gehört. Aus meiner Sicht ist es vor allem wichtig, daraus zu lernen, darüber zu reflektieren und das Gelernte auch für die Zukunft zu nutzen. Das gilt natürlich und vor allem auch für die Stadtplanung und Stadtentwicklung.
Eine Frage stelle ich mir seit Beginn meiner Tätigkeit hier im Rathaus, und diese hat keineswegs an Aktualität verloren: Wohin will die Stadt? Was ist die Vision unserer Stadt? Wie soll unsere Stadt, vor allem auch physisch und baukulturell, in 10, 20, 30 Jahren aussehen? Das sind Fragen, die zwar in der Stadtplanung aufschlagen, die aber alle Ressorts gleichermaßen betreffen: Wie wollen wir leben? Welche Baukultur wollen wir etablieren? Wie wollen wir bauen? Was bedeutet das für das Leben der Menschen? Wie können wir Bedürfnisse für heute und für morgen in der Stadt auch abbilden? Wie können wir den Herausforderungen des Klimawandels begegnen?
Dabei geht es nicht nur um Nutzungsfragen, sondern da geht es um Zukunftsfragen. Darüber sollten wir uns jetzt schon Gedanken machen, und das bedeutet auch, dass man heute Entscheidungen für morgen trifft. Das klingt jetzt natürlich ein bisschen nach einer Überschrift, man muss sich aber bewusst machen: Jede Entscheidung für etwas ist natürlich auch eine Entscheidung gegen etwas. Dennoch bietet aus meiner Sicht eine Entscheidung, wenn sie getroffen ist, Orientierungssicherheit und Klarheit. Jeder weiß, woran er ist, und kann damit rechnen. Das wäre Fairness. Leider verabsäumt es die Stadtregierung aber, gerade in Fragen der Stadtentwicklung tatsächlich bindende Entscheidungen zu treffen. Warum? - Weil man sich alles offen lassen möchte. Und diese Praxis, sehr geehrte Damen und Herren, ist fatal für die Weiterentwicklung unserer Stadt. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Auswirkungen dieser Politik sehen wir beispielsweise am Projekt „Heumarkt“. Das ist gerade sehr aktuell, und ich will das jetzt kurz durchdeklinieren, auch wenn manche die Augen rollen, weil uns das Projekt schon sehr, sehr lange begleitet. Das Thema ist wirklich lästig. Seit 2016 wurschtelt die Stadt herum, und mittlerweile erinnert der gesamte Prozess schon eher - verzeihen Sie den Ausdruck - an ein Kasperltheater. Warum? - Man kann dieses Projekt auf zwei verschiedene Arten betrachten. Dabei geht es zunächst um die Frage der Gestaltung. Ist es schön, ist es schiach, passt es dort hin? - Geschmäcker sind verschieden. Ferner geht es um die Fragen: Ist das dort ein geeigneter Standort für ein Hochhaus? Ist die Höhenentwicklung entsprechend? Was macht das mit dem Stadtbild? Was bedeutet das Projekt städtebaulich?
Ich sage Ihnen, warum dieses Projekt, abseits der gestalterischen Debatte, für mich so wichtig ist und eine große Verfehlung der Stadtplanungspolitik bedeutet. Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein einzelnes Projekt, das zeigt, dass es keine klaren Spielregeln in dieser Stadt gibt. Das Weltkulturerbe wurde durch dieses Projekt ausgehebelt, und ebenso das Hochhauskonzept: Plötzlich war dort ein Hochhausstandort möglich! Und das erweckt tatsächlich den Eindruck, dass sich die Stadt, was ihre Spielregeln betrifft, selbst nicht ernst nimmt.
Alles ist möglich, und das, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet Willkür. Und resultierend daraus drängt sich die Frage auf: Worum geht es denn eigentlich grundsätzlich bei der Planung und bei der Umsetzung eines solchen Projekts? Wer trifft die politischen Entscheidungen, ob etwas gebaut wird oder nicht? Wer entscheidet, dass das dort plötzlich ein Hochhausstandort ist und nicht das Grundstück daneben? Wer entscheidet darüber, dass das Weltkulturerbe ausgerechnet dort jetzt keine Rolle mehr spielt? Wer sagt, dass dieses Projekt doch keine UVP braucht? Ist das ein Zufall? Und was macht das mit der Branche? Welche Signale senden die Stadt und die Stadtplanungspolitik damit aus? - Alles ist möglich. Die Spielregeln sind egal. Und das möchte ich nicht für die Entwicklung dieser Stadt, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Für mich ist klar: Das Stadtplanungsressort braucht ein Update, und zwar ein Update, wenn es um Ziele und Visionen geht, wenn es um Prozesse in der Stadtentwicklung geht und wenn es um Instrumente der Stadtplanung geht.
Zu erstens: Zunächst geht es um die Fragen: Wohin wollen wir? Was ist die Vision? - Wir wollen klare Aussagen und klare Spielregeln. Sagen Sie, wie Sie sich Wien vorstellen! Das Problem ist aber, wie schon erwähnt: Man will sich nicht festlegen. Sie begründen das immer mit dem Argument der Flexibilität und sagen: Man weiß ja nicht. Die Stadt entwickelt sich ja ständig. Die Stadt ist nie fertig. - Ich aber interpretiere das eher in die Richtung, dass gemeint ist: Wenn etwas kommt, das passt und klasse ist, dann machen wir es, und wenn nicht, dann können wir es abdrehen. Und so wird die Stadtplanung zur Willkür und geschieht nach Beliebigkeit.
Aber stellen wir uns doch gewisse Fragen und legen wir uns dann fest: Wie gehen wir mit dem Ortsbild um? Wo sind unsere Schwerpunkte? Welche Charakteristiken finden wir in den Bezirken? Wo sind die Stärken? Wo sind
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