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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.02.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 64

 

vor weiteren Nachbeben haben, und das macht wirklich zutiefst betroffen.

 

Die WHO geht davon aus, dass 26 Millionen Menschen von dieser Katastrophe betroffen sind, davon 5 Millionen Menschen, die auch schon zuvor als besonders schutzbedürftig gegolten haben. Und zu all diesem Leid kommt noch hinzu, wie auch Experten sagen, dass die Gefahr wächst, dass jetzt Krankheiten, vor allem Infektionskrankheiten wie etwa Cholera, ausbrechen könnten.

 

Wien leistet mit dem heutigen Beschluss gemeinsam mit den anderen Bundesländern einen sehr wichtigen Beitrag, um diesen betroffenen Menschen zu helfen, die jetzt ums nackte Überleben kämpfen, obwohl sie zu den Glücklichen gehören, die überlebt haben. Es geht darum, die Betroffenen zu unterstützen, sei es in Form von Nahrung, sei es in Form von Containern, sei in Form von Sonstigem, etwa mit Hygieneprodukten und medizinischen Produkten in Anbetracht der Infektionskrankheiten, die derzeit ausbrechen können. Dabei ist es, glaube ich, ganz wichtig, stets ganz flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen vor Ort einzugehen. - Wir tun das, weil es unsere große Verantwortung ist, diesen Menschen dort zu helfen, und deshalb freut es mich ganz besonders, dass wir heute dieses Poststück betreffend humanitäre Hilfe über 400.000 EUR als Beteiligung Wiens mit breiter Zustimmung in diesem Haus beschließen werden. (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und GRÜNEN.)

 

Ein letzter Satz noch, weil es einen Antrag hinsichtlich der Bemühung um Aufnahme von 100 Kindern aus diesen betroffenen Gebieten geben wird. Dazu möchte ich sagen: Ich freue mich sehr über diesen Antrag. Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil es, wie gesagt, unsere Verantwortung ist, dass wir den Schutzbedürftigsten - und das sind in solchen Fällen Kinder - helfen und für diese da sind. Vielen Dank dafür. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Aslan. Ich erteile es hier.

 

12.32.20

GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

 

Ich möchte vorerst allen Betroffenen mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Es gibt auch Tausende von Menschen in Europa, deren Familien von diesen verheerenden Erdbeben und von dieser humanitären Katastrophe massiv betroffen sind. Und dazu gehört auch meine Familie. Ich kann natürlich nicht das Gleiche fühlen wie meine Eltern, denn das ist ihr Heimatort, wo sie ihre Freunde und Verwandten haben und ihre Kindheit verbracht haben. Ich glaube, mir würde es nicht anders gehen, wenn mein Kindheitsort Tirol heute unter massiven Erdbeben leiden würde und ich all meine Kindheitserinnerungen sozusagen mit einem Wisch verlieren würde.

 

Gleichzeitig treffen uns - wie meine Kollegin Bakos schon gesagt hat - auch massive, dramatische Szenen aus der Ferne, die über die Medien vermittelt werden. Ich kann mich an das kleine Mädchen erinnern, das stundenlang versucht hat, ihre Hand über ihren Bruder zu halten, ohne zu wissen, dass ihre Eltern bereits gestorben sind, und das es trotzdem geschafft hat, nach vielen Stunden aus den Trümmern gerettet werden zu können. Und ich kann mich auch an den Vater erinnern, der die Hand seiner toten Tochter nicht mehr loslassen wollte und stundenlang in den Trümmern unter Schock stand.

 

Entschuldigung! Jetzt kommen mir die Tränen und ich werde emotional. Ich muss mich ein bisschen zusammenreißen. - Ich kann mich auch erinnern an das kleine Mädchen, welches unter den Trümmern geboren wurde und bei dem die Nabelschnur von den Einsatzkräften durchtrennt wurde. Das Kind hatte nicht einmal die Chance, ein einziges Mal von seiner Mutter umarmt zu werden beziehungsweise seine Eltern und Geschwister kennen zu lernen. Ja, das war der Start seines Lebens. Ich bin mir sicher, dass viele von uns diese dramatischen Szenen ein ganzes Leben nicht mehr vergessen werden, weil so etwas uns alle betreffen kann, denn der Verlust von Familienangehörigen betrifft uns alle auf menschlicher Ebene. (Allgemeiner Beifall.)

 

Gleichzeitig sind die Menschen auch deswegen wütend, weil sie sich nicht vorstellen können, wie es sein kann, dass neu erbaute Gebäude nach drei Jahren in Schutt und Asche fallen. Daran sehen wir, dass Korruption im Bausektor auch Menschenleben kosten kann.

 

Auch haben wir immer wieder Berichte gelesen, die teilweise von Menschenrechtsorganisationen protokolliert wurden, gemäß welchen Einsatzkräfte berichtet haben, dass sie Menschen gerade in den alevitisch-kurdisch besiedelten Städten unter den Trümmern lebend gefunden haben und diese gefragt haben, warum sie nicht um Hilfe gerufen haben. - Manche von ihnen sollen berichtet haben, dass sie sich nicht getraut haben, um Hilfe zu rufen, weil sie nicht Türkisch können und Angst hatten, dass sie, wenn sie in einer anderen Sprache um Hilfe rufen, erst recht nicht gerettet werden. Und in diesen Regionen gibt es sehr viele Geflüchtete, die nicht Türkisch können, und auch viele andere ethnische Gruppen, die ebenfalls nicht Türkisch können. Daran sehen wir wieder einmal, dass Rassismus auch massiv Menschenleben kostet.

 

Ich meine, man muss als Politikerin und Politiker, egal, wo man ist, offen über diese strukturellen Probleme reden können. Ich weiß, dass ich mich immer wieder zur Zielscheibe mache, wenn ich genau über die strukturellen Probleme in der türkischen Politik und auch in der syrischen Politik debattiere. Es liegt aber nun einmal in unserer politischen Verantwortung, dass wir diese Probleme offen angehen. Ich will meine Rede jetzt nicht nur halten, um politische Botschaften auszusenden, sondern ich will auch ein bisschen informieren, um euch dieses Thema näherzubringen.

 

1999 gab es in der Türkei ein Erdbeben. Die Türkei ist weltweit gesehen ein erdbebengefährdetes Land. Nach diesem Erdbeben hat man gesagt, dass man jetzt gerade im Bausektor Präventivmaßnahmen setzen will und dass alles geprüft werden muss. Damals hat man auch die Erdbebensteuer eingeführt, und es war Erdogan, der mit dieser Idee der Erdbebensteuer massiv an Popularität gewonnen hat. Man hat der damaligen türkischen Regierung politisches Versagen vorgeworfen und hat gesagt: Ihr wart daran schuld, weil ihr keine Präventivmaßnahmen getroffen habt. Naturkatastrophen kann man nicht verhindern,

 

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