Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.11.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 109
Die österreichische Journalistin Yvonne Widler, vielleicht kennen sie manche, hat vor wenigen Wochen erst ein sehr aktuelles Buch publiziert, ein Buch mit dem Titel „Heimat bist du toter Töchter“, in dem sie die Männergewalt in Österreich detailliert beschreibt und Lösungsvorschläge macht. Und sie stellt die sehr wichtige Frage: Was kann in einem Land mehr Priorität haben als 20, 30, 40, wie viel auch immer ermordete Frauen?
Diese Frage stelle ich mir auch. Was kann in einer Gesellschaft mehr Priorität haben als dieser mordgewordene strukturelle Sexismus und Frauenhass? Ich möchte diese Frage gerne mitgeben und kann mich dieser Frage tatsächlich auch nur anschließen. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Spielmann. Sie sind am Wort.
GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Vorsitzende! Liebe Frau Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin!
Eigentlich habe ich gedacht, wir können diesen Tagesordnungspunkt mit einer gewissen, wie soll ich sagen, Geschlossenheit besprechen. Ich nehme aber leider wieder einmal zur Kenntnis, dass die FPÖ nur daran interessiert ist, hier schon wieder ihre rassistische Hetze zu verbreiten, anstatt über das wirkliche Problem bei Gewalt gegen Frauen zu reden, nämlich das universelle Patriarchat, und das betrifft auch leider sehr, sehr viele österreichische Männer. Vielleicht schauen Sie auch einmal in Ihre eigene Partei, wo die Männer in den deutschnationalen Burschenschaften sich bei den Mensuren gerne gegenseitig die Schädel einschlagen. Das wäre vielleicht einmal ein Tipp. (Beifall bei den GRÜNEN.) Der einzige Grund für Femizide und Gewalt gegen Frauen ist das Patriarchat, das habe ich gerade erwähnt.
Morgen ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, und er ist auch der Startpunkt der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, um eben auf dieses enorme Ausmaß der Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen. Wir kennen die Zahlen. Sie verändern sich eigentlich kaum von Jahr zu Jahr. Jede 5. Frau erfährt ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche, sexualisierte oder psychische Gewalt. Und auch heuer haben bereits - ich möchte das wirklich auch einmal umdrehen, wie wir darüber sprechen - 28 Männer 28 Frauen aus ihrem sozialen Nahbereich umgebracht. Da reden wir von ehemaligen Partnern, Ex-Männern, männliche Verwandte, und 10 davon in Wien. Das geht nämlich auch immer unter bei der Statistik, dass leider auch relativ viele Frauenmorde in Wien passieren.
Diese Form der Gewalt ist eben nur die Spitze der patriarchalen Gewaltspirale. Wie gesagt, jedes Jahr hören wir diese Zahlen, die sich kaum verändern. Es ist 2022 und noch immer haben wir es mit einer Täter-Opfer-Umkehr zu tun. Noch immer wird gesagt, dass vielleicht der Rock zu kurz war, dass der Ausschnitt zu tief war. Noch immer wird Frauen gesagt, sie sollen doch aufpassen und dieses und jenes nicht machen.
Da repliziere ich auch wahnsinnig gerne auf die heute bekannt gewordene Kampagne der ÖVP-Frauen. Ja, es ist natürlich wichtig, zu sagen, wie sich Frauen gut wehren können, aber ich würde mir wünschen, dass wir diese Debatte einmal umdrehen und sagen, was eigentlich Männer machen können, damit diese Gewalt nicht mehr stattfindet. Das wäre wichtig. (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Mag. (FH) Jörg Konrad.)
Ja, noch immer wird „Victim blaming“ betrieben, das heißt, dass die Schuld für die erlebte Gewalt auf die Opfer übertragen wird. Das finde ich extrem perfide, weil eben die Gewalt von den Tätern ausgeht, und die einzige Person, die schuld ist an dieser Gewalt, ist der Täter. Noch immer fühlen sich die Täter sicher und oftmals gedeckt und noch immer werden die meisten Anklagen wegen sexualisierter Gewalt fallen gelassen. Noch immer wird den Opfern meist nicht geglaubt. (GRin Veronika Matiasek: Sie haben die Justizministerin!) Noch immer schämen sich die Frauen, vor allen Dingen auch gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, obwohl sie nicht schuld waren, dass ihnen das passiert ist. (GRin Veronika Matiasek: Sie haben die Justizministerin, was tut sie?)
Noch immer müssen wir Angst haben, wenn wir uns gegen diese Ungerechtigkeiten rechtlich wehren wollen, weil dann meistens ein Backlash kommt, der sich gewaschen hat, dass nämlich dann die Täter zum Beispiel Verleumdungsklagen gegen Opfer anstoßen. Das ist bekanntlich ja leider auch ein Problem.
Noch immer werden Frauen von ihren Partnern kontrolliert, bedroht, geschlagen, misshandelt, weil sie Frauen sind und weil diese Männer glauben, dass sie sich eben alles leisten können. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe das so was von satt. Diese Gewalt muss endlich aufhören, und wir müssen sie auf allen Ebenen bekämpfen, sowohl in der Stadt Wien, als auch auf der Bezirksebene, als auch im Bund.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die allerhöchste und dringlichste Notwendigkeit gerade. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Wir müssen in dieser politischen Debatte, finde ich, das Problem echt einmal an der Wurzel packen und vor allem die Männlichkeit als das Problem benennen, denn Gewalt gegen Frauen ist eben ein Männlichkeitsproblem. Das Problem ist eine falsche Vorstellung von Männlichkeit, die eben sehr eng mit Gewalt verbunden ist, weil Männern bereits von klein auf eingetrichtert wird, dass sie zum Beispiel nicht weinen dürfen, dass sie keine Schwäche zeigen dürfen, dass Frauen eher Besitz sind als ein handelndes, politisches Subjekt und eben nicht als Menschen gesehen werden. Viele Männer sind daher nicht in der Lage, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Stattdessen werden Macht, Kontrolle und Gewalt in Beziehungen ausgeübt, um sich als Mann eben über die Abwertung von Frauen selbst aufzuwerten. Wir sagen, diese Form der toxischen Männlichkeit muss endlich aufhören, denn sie verletzt und sie führt in letzter Konsequenz zu Gewalt an Frauen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Noch wichtiger ist eigentlich: Mann - also man, in Klammer n - kann sich aktiv gegen diese Art der Männlichkeit und gegen Gewalt entscheiden. Es gibt hier auch Hilfeleistungen. In Wien gibt es zum Beispiel die Männerberatung Wien, wo man sich hinwenden kann und vor allen Dingen auch den Männernotruf, den es Österreich-
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