Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 103
Ansicht kontextualisiert, aber eben nicht als große Vorbilder, als große Ahnen präsentiert. Aus der ganzen Welt pilgern Historiker und Historikerinnen, KulturvermittlerInnen in die Zitadelle, um sich das anzusehen. Das ist ein Beispiel, mitten in Europa, wie man mit toxischen Figuren umgehen kann. (GR Mag. Manfred Juraczka: Das heißt, wer Vorbild sein darf, entscheiden Sie?)
Aber ich schweife ab. Es geht uns in dem Antrag, den ich in dieser Rede vorstelle oder zu dem ich um Zustimmung bitte, um einen gemeinsamen Diskussionsprozess. Bevor wir 500.000 EUR in eine permanente Veränderung am Lueger-Platz investieren, soll eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame Einschätzung der Figur Karl Lueger gefunden werden. Ziel eines solchen Prozesses ist es, demokratisch eine gemeinsame Lösung zu finden und Argumente auszutauschen, statt, wie es sich jetzt schon wieder abzeichnet, irgendwo im stillen Kämmerlein eine Jury zu beauftragen, deren Mitglieder geheim bleiben, die dann darüber entscheiden soll, zu einem Zeitpunkt, an dem die Fronten in der Bevölkerung hart und scharf verlaufen. Es könnte ein demokratisches Vorzeigeprojekt werden. Es könnte ein Beispiel dafür werden, wie wir die aggressive Entfremdungskultur durchbrechen: Wenn du nicht sagst, was ich will, dann entfremde ich dich. Wir müssen wieder lernen, Argumente auszutauschen und auch zu hören, auch die von anderen.
Wir haben in der Stadt riesige Herausforderungen zu meistern. Die kommenden Jahre werden kein Honiglecken, für niemanden von uns. Wir müssen uns und die Bevölkerung darauf vorbereiten, wie wir gemeinsam Konflikte lösen können und wollen, wie wir gemeinsam Kompromisse finden wollen, wenn es immer schwieriger wird und immer herausfordernder, solche herauszuarbeiten, statt nun paternalistische Lösungen hinzuknallen, die wir zu erwarten haben, und uns bis aufs Blut zu bekämpfen, wenn nicht das dasteht, was wir wollen.
Deshalb stellen wir den Antrag, einen solchen ergebnisoffenen Diskussions- und Kulturvermittlungsprozess aufzusetzen. Er soll unter größtmöglicher Einbindung der Bevölkerung und aller StakeholderInnen stattfinden. Für alle, die noch unsicher sind: So etwas geht, so etwas ist möglich, in Bristol ist es gelungen. 14.000 Menschen haben sich an einem gemeinsamen Prozess um den Umgang mit der Colston-Statue beteiligt. Sie haben sich erstens damit beschäftigt, wer das überhaupt war, und zweitens, was das für die Stadt bedeutet, und haben dann gemeinsam entschieden, dass er besser im Museum untergebracht wird als im öffentlichen Raum. Das könnten wir doch in Wien auch schaffen! - Danke für Ihre Unterstützung des Antrages.
Und noch ein kleines P.S.: Ich weiß, es gab eine Diskussion um eine Zuweisung des Antrages. Unsere Entscheidung ist gegen eine Zuweisung, weil die Jury schon jetzt zusammengesetzt wird, und bis dieser Antrag in den Ausschuss kommen würde, wäre der Prozess schon so weit fortgeschritten, dass kein demokratischer Diskurs mehr möglich wäre. Ich fände es wichtig, einen wirklich, wirklich öffentlichen demokratischen Diskurs dazu zu haben. - Herzlichen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Hungerländer. Ich erteile es ihr.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Danke schön. Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Lassen Sie mich zu Beginn zwei Gedanken zum vorliegenden Poststück formulieren! Wir sind jetzt bei diesem Poststück, durch das Förderungen von bis zu 50.000 EUR möglich sind. Das hat mich als mehr oder weniger Außenstehende ein bisschen irritiert. Ich bin es gewohnt, dass wir als Opposition bei Förderungen in dieser Höhe Akten vorgelegt bekommen. Das scheint bei dieser Art der Fördervergabe nicht üblich zu sein. Bei einem Betrag von 50.000 EUR finde ich das einigermaßen eigenartig. Kollegin Berner hat ein Beispiel genannt, ich habe ein zweites Beispiel mitgebracht. Es wäre doch wichtig, dass man als Opposition auch die Kontrolle ausüben kann, wenn es um so hohe Beträge geht, sich den Akt anschauen kann, sich die Vereine anschauen und verstehen kann, was da eigentlich gefördert wird.
Mir ist ein anderer Verein ins Auge gesprungen, nämlich die Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, die die Palästinensische Filmwoche organisiert. Es ist natürlich nichts dagegen zu sagen, dass es eine Palästinensische Filmwoche gibt, aber sehr wohl gegen diese Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen. Diese bewegt sich in einem, ich nenne es so, Konglomerat von sehr, sehr Israel-kritischen Vereinen - unter anderem wurde eine dieser Demonstrationen, die sie organisiert hat, vom Landes-Verfassungsschutz auch verboten - und ist insgesamt in einem Fahrwasser, das wir, glaube ich, mit dem Kampf gegen Antisemitismus nicht unbedingt vereinbaren können. Was ich also gerne mitgeben möchte, ist, gerade wenn es um Interkulturalität geht, wenn es um Vereine geht, wäre es sehr, sehr wichtig, genau zu recherchieren, welche Personen das sind, was die Vereine machen, welche Geisteshaltungen tatsächlich hinter diesen Vereinen stehen. - Ich sehe Herrn Kollegen Al-Rawi den Kopf schütteln. Also die Gespräche, die ich auch mit Leuten aus Ihrer eigenen Fraktion geführt habe, deuten darauf hin, dass bekannt ist, wofür die Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen steht. (Zwischenruf von GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi.) Aber ich denke, das klären Sie dann am besten innerfraktionell.
Ich schließe jetzt an die Rede von Kollegin Berner an: Da war durchaus einiges dabei, das auch wir unterschreiben können. Sie hat gesagt: Wir möchten einen demokratischen, partizipativen Prozess im Umgang mit Lueger, einen strukturierten Diskussionsprozess! Wir wollen, dass die Argumente gegenseitig angehört werden! - Ja, das wollen auch wir. Und wir haben drei Punkte mitgebracht, warum uns eine gute, eine reflektierte Gedenkkultur so derart wichtig ist und warum wir so massiv gegen die Strömung der Cancel Culture auftreten.
Das Ganze begann mit der Aufarbeitung der Historikerkommission. Ich betone dies deswegen, weil die Historikerkommission eben aus Wissenschaftern, aus
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