Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 103
neuen Schulden neigt sich, davon bin ich zutiefst überzeugt, zwangsläufig dem unvermeidlichen Ende zu. So kann es auf Dauer einfach nicht weitergehen, es ist eben nicht egal, welche Wirtschaftspolitik gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist nicht zum Wohle Wiens, der Wiener Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen und der Wiener Unternehmen, es ist nicht zum Wohle der Stadt, der wir nach besten Wissen und Gewissen zu dienen hier angelobt sind, wenn die Gesamtverschuldung innerhalb von wenigen Jahren um mehr als 400 Prozent steigt, die Einnahmen sprudeln, und wir ein massives Ausgabenproblem haben. Es ist nicht zum Wohle Wiens und der Steuerzahler, wenn unterdurchschnittliche Wachstumszahlen durch eine wirtschaftsfeindliche Politik produziert werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass hier sehr viele - jetzt weniger, aber normalerweise sitzen hier sehr viele - Menschen und sehr viele Mandatare, die das politische Heil im starken, für sie alles regelnden Staat beziehungsweise in der starken, für sie alles regelnden Stadt sehen. Die Stadt Wien wird es schon richten, so ist der Tenor, die Gemeindewohnung, die Kinderkrippe, den Arbeitsplatz, das Gewerkschaftsheim für den Urlaub, und irgendwo ganz hinten im Hof des Gemeindebaus gibt es einen kleinen eingezäunten Bereich, ein Spielplatz, wo die NEOS liberale Wirtschaftspolitik spielen können.
Ich hingegen, meine Damen und Herren, bin zutiefst davon überzeugt, dass die Wirtschaft nur durch Stoppen des wachsenden Staates, nur durch Stoppen der wachsenden Stadt wieder wachsen kann, daher bitte keine weiteren Regulierungen, keine weiteren Belastungen und keine weiteren Schulden.
Meine Damen und Herren, ich sage es Jahr für Jahr, so lange, bis es vielleicht irgendwann doch Wirkung zeigt: Nicht die Wienerinnen und Wiener haben über ihre Verhältnisse gelebt, die Wiener SPÖ hat über ihre Verhältnisse gelebt. Wir kämpfen dafür, dass die öffentliche Hand spart und dass nicht der Bürger zur Kasse gebeten wird, so wie es sich derzeit leider anlässt.
Die Wiener ÖVP kämpft für ein Klima in dieser Stadt, in dem Erfolg Nachahmer und keine Neider findet. Das ist die Wirtschaftspolitik, wie wir sie für die nächsten Monate und Jahre benötigen. - Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Das waren 8 Minuten. Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Prof. Kaske. Gewählte Redezeit 14 Minuten. Sie sind am Wort.
GR Prof. Rudolf Kaske (SPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzter Vorsitzender des Finanzausschusses! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Gemeinderates und wo auch immer Sie uns sonst zuschauen!
Lassen Sie mich am Beginn meiner Ausführungen Folgendes feststellen: Wien, und vor allem die Wiener Stadtregierung, hat sich 2021 als Krisenmanager bewährt. Es wurde, wie es sich gehört und es notwendig ist, antizyklisch investiert. Ja, man kann sagen, außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Priorität hatten 2021 die Bereiche - das wurde heute schon des Öfteren erwähnt - Gesundheit, Soziales, Bildung sowie Kinderbetreuung. Auch wenn die vereinte Opposition von einem Ausgabenproblem, Geldverschwendung oder Stabilitätsproblemen spricht, halte ich dem entgegen und möchte Ihnen gerne eine Frage stellen: Wann soll man denn investieren, in Normalzeiten oder in Zeiten der Krise? Die Antwort liegt aus meiner Sicht wohl klar auf der Hand.
2021 war ein Jahr, in dem es darum ging, die Krise abzufedern beziehungsweise aus der Krise herauszuinvestieren. Daher wurden unter anderem, und das wurde heute auch schon erwähnt, 810 Millionen EUR für mehr als 60 Corona-Maßnahmen ausgegeben. Mit dem dramatischen Anstieg von Corona-Infektionen im Herbst war auch das Jahr 2021 geprägt vom Kampf gegen die Auswirkung der Pandemie, insgesamt wurden 810 Millionen EUR von der Stadt für mehr als 60 Einzelmaßnahmen für Wirtschaft, Arbeit, Infrastruktur und Gesundheit bereitgestellt. Gezielte Unterstützung an rund 800 Unternehmen hat die Wirtschaftsagentur Wien geleistet. 46 Millionen Fördereuros gingen an Wiener Unternehmen, mehr als 5.000 Arbeitsplätze wurden damit generiert.
Trotz Corona konnten wir das zweitbeste Ergebnis bei der Ansiedlung internationaler Unternehmen erzielen, insgesamt haben 225 Unternehmen Wien als besten Platz zum Wirtschaften und für das Leben ihrer MitarbeiterInnen auserkoren. Es ist daher klar, meine Damen und Herren, auch wenn es einigen nicht ins politische Konzept passt, dass Geld in die Hand genommen worden ist, um auch während der Gesundheits- und Wirtschaftskrise die Lage stabil zu halten.
Auch wenn der Schuldenstand von 9 Milliarden EUR immer wieder kritisiert wird, sei angemerkt, dass die Pläne ohne Pandemie ganz anders ausgesehen hätten. Es wurde ja heute schon ganz kurz vom Herrn Stadtrat erwähnt, so darf ich auch nochmals anmerken, dass im Jahr 2019 erstmals wieder ein Nulldefizit geschafft wurde. Dies wurde aber mit der Corona-Pandemie quasi über den Haufen geworfen. Umso bemerkenswerter ist es, dass wir im Vergleich mit anderen Bundesländern trotzdem durchaus respektabel dastehen. So liegen wir beim Schuldenstand, auch das wurde schon mehrmals erwähnt, mit 5.095 EUR pro Kopf nämlich genau im Mittelfeld.
Meine Damen und Herren, ich komme nochmals auf die Gesamtschulden zurück. Der Schuldenstand der Stadt Wien beträgt rund 9 Milliarden EUR, was einer Schuldenquote von 10 Prozent entspricht. Im Vergleich dazu betragen die gesamtösterreichischen Schulden derzeit etwa 334 Milliarden EUR, davon entfallen 86,5 Prozent der Staatsverschuldung auf den Bund, 7,1 Prozent auf die Länder, 5,8 Prozent auf die Gemeinden und 0,6 Prozent auf die Sozialversicherung. Insgesamt ist die Bundesschuldenquote bei rund 71,6 Prozent, Wien liegt mit rund 5.000 EUR Schulden pro Kopf im Mittelfeld.
Den eigenen Finanzpolster, auch das wurde heute schon angesprochen, nämlich die Rücklagen, konnte Wien im vergangenen Jahr um weitere 200 Millionen EUR auf insgesamt 2,1 Milliarden EUR erhöhen. Durch verstärkte Investitionsanstrengungen hat Wien zudem
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