Gemeinderat, 21. Sitzung vom 30.03.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 36 von 94
unterlegen. Es war ein Haus ohne Fundament - ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“, die wirklich nicht in der Gefahr steht, rechtsradikale Positionen zu vertreten, vom 23. September 2021, dort steht: „Seit über zwei Jahrzehnten fördert die EU ihren ‚strategischen Partner‘ Ukraine. Jetzt attestiert der Europäische Rechnungshof dem Land fehlende Fortschritte im Kampf gegen die Korruption. Also 15 Milliarden EUR wurden in den letzten Jahren bereitgestellt, mit Zuschüssen, Krediten und immer neuen Berater- und Förderprogrammen. Doch noch immer teilen Oligarchen, hohe Staatsdiener und korrupte Staatsanwälte und Richter den Staat unter sich auf, verschwinden Milliarden ins Ausland, ist die Ukraine mit wenigen Ausnahmen beim Aufbau eines Rechtsstaates ebenso wenig vorangekommen wie beim Kampf gegen die Korruption.“ - Also, ich lasse das einmal so stehen. Dass die Ukraine jetzt mit Hurra in die EU kommt, das ist wohl keine Option, auch das gehört einmal ausgesprochen.
Zum allerletzten Punkt, meine Damen und Herren: Flüchtlinge. Ja, ich glaube, bin recht fest davon überzeugt, dass wir eine Verantwortung gegenüber den Menschen haben, die jetzt zu uns kommen, die flüchten. Das sind wirklich Flüchtlinge, meine Damen und Herren - wir haben das auch schon anders erlebt -, denen müssen wir helfen, in der Hoffnung, dass sie die Möglichkeit haben, möglichst bald wieder nach Hause zu kommen. Wir müssen so vielen wie möglich helfen. Meine Damen und Herren, es sei aber auch der linken Reichshälfte noch einmal ins Stammbuch geschrieben, wir könnten auch mehr helfen, wenn wir bis jetzt unsere Flüchtlingspolitik ernsthafter genommen und nicht Einwanderungspolitik gemacht hätten.
Ja, ich differenziere zwischen Flüchtlingen und sogenannten Flüchtlingen, ja, ich differenziere zwischen Frauen und Kindern, die zu uns kommen, und Frauen und Kindern, die wirklichen Schutz und Hilfe brauchen, weil zu Hause Bomben einschlagen, ich differenziere zwischen Flüchtlingen, die aus einem Staat von uns weg jetzt flüchten - es liegt nur die Slowakei oder Ungarn dazwischen, dann ist schon die Ukraine -, und zwischen Flüchtlingen, die aus tausenden Kilometern Entfernung zu uns kommen.
Meine Damen und Herren, da müssen wir jetzt tatsächlich Schwerpunkte setzen. Es ist jetzt einmal auch Aufgabe von anderen Staaten dieser Welt, ihre Verantwortung wahrzunehmen, zum Beispiel würde ich appellieren, dass dies auch die USA, die bei sehr vielen Konflikten ihre Finger im Spiel haben, machen. Ich weiß nicht, ob die so viele Flüchtlinge wie Österreich aus Afghanistan aufgenommen haben - also ich weiß es schon: natürlich nicht! Und auch die arabischen Staaten werden jetzt aufgerufen, ihrer Verantwortung nachzukommen.
Das heißt, wir in Österreich können nicht und wollen auch nicht die ganze Welt bei uns aufnehmen. Wir können und wollen nicht: Ich bin der festen Überzeugung, dass das die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung so sieht. Wir können und wollen nicht! Wo wir schon sagen, ja, natürlich, das ist bei den Flüchtlingen aus der Ukraine. Ich darf Ihnen aus meinem Heimatort Tamsweg erzählen: Der entsprechende freiheitliche Gemeindevorstand hat den Antrag gestellt, dass das dortige Asylheim, das leergestanden ist, sofort für ukrainische Flüchtlinge geöffnet wird - also das nur nebenbei.
Also, meine Damen und Herren! Wie so oft in diesen Diskussionen tut Ehrlichkeit Not. Es ist leichter, sich als Moralapostel herauszustellen und zu glauben, man hat die Welt neu erfunden. Meine Damen und Herren, seien Sie ehrlich zu sich selber und zur Bevölkerung. - Danke schön.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Weber. Bitte.
GR Thomas Weber (NEOS): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste zu Hause via Livestream!
Seit 24. Februar herrscht Krieg. Ich möchte zum Beginn den Klubobmann der FPÖ korrigieren, der gesagt hat, es herrscht Krieg vor Europa. Richtig ist, es herrscht Krieg in Europa. Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wischt die gesamte politische Ordnung, die wir in Österreich oder in Europa seit Fall des Eisernen Vorhangs kennen, vom Tisch. Millionen Menschen sind in Not, Millionen Menschen sind auf der Flucht, europäische Städte werden auf Befehl des russischen Diktators mit Bomben und Raketen von Landkarten ausradiert, europäische Städte. Mir persönlich fehlen die Worte, das Leid und die Zerstörung eines Krieges in Worte auszudrücken, denn ich hatte Glück, ich hatte das Glück, an einem Ort und zu einer Zeit geboren zu sein, die zu meiner Lebenszeit vor einem Krieg verschont blieben, nämlich Österreich.
Andere, auch heute hier im Saal, hatten dieses Glück nicht, sie mussten vor einem Krieg aus ihrer Heimat fliehen und eine neue Heimat finden. Was uns alle, Sie und mich, von jenen Menschen unterscheidet, die heute in der Ukraine ihre Heimat verteidigen, auf der Flucht sind oder im Krieg gestorben sind, ist Glück.
Am dritten Sonntag nach dem Überfall auf die Ukraine hat sich der Patriarch von Moskau, Kyrill I., in einer Sonntagspredigt zum Krieg wie folgt geäußert: Er legitimierte den russischen Angriffskrieg zum Schutz der Gläubigen vor - ich zitiere - den „Gay-Pride-Paraden des Westens, denn diese sind eine schwere Sünde und ein Verstoß der Kräfte des Bösen gegen die Gesetze Gottes.“ So der Patriarch von Moskau.
Beim Versuch, diese Worte zu verstehen, wird mir sehr schnell eines klar: Putin‘s Krieg gegen die Ukraine ist sehr wohl ein Krieg gegen unsere europäischen Freiheiten, es ist ein Krieg gegen unsere europäischen Werte, und es ist ein Krieg gegen unsere europäische Demokratie. Putin‘s Krieg ist auch ein Krieg gegen das Recht, das eigene Leben frei und selbstbestimmt zu leben, und gegen das Recht, zu lieben, wen man möchte, und gegen das Recht, das zu denken, was man für sich selber als richtig empfindet. Um es nochmals klar und unmissverständlich zu sagen: Der Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine ist ein Krieg gegen die gesamte westliche Welt und gegen unsere europäische Wertordnung.
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