Gemeinderat, 18. Sitzung vom 13.01.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 28
Und der dritte Teil, da geht es um die Verbindung zur Seestadt, was hier auch vom Vorredner gesagt wurde. Wir erinnern uns alle: Die Stadtstraße, als Projekt der Stadt Wien, endet einige Hundert Meter vor der Seestadt. Was Leonore Gewessler und auch Vizekanzler Kogler, wie heute zitiert, immer wieder gesagt haben, ist, dass die Entscheidung, wie und in welcher Form und mit welcher Route und mit welcher Dimension die Stadtstraße realisiert wird, bei der Stadt Wien liegt. Das muss die Stadt Wien entschieden. In welcher Abhängigkeit dann danach die paar Hundert Meter weiter fertiggestellt werden - da wird sich der Bund und die Asfinag natürlich nicht sträuben (Zwischenruf.), da es absurd wäre, irgendetwas 200 m vor der Anschlussstelle enden zu lassen -, aber die Entscheidung, wie die Stadtstraße aussieht, ob sie gebaut wird und wo sie gebaut wird, liegt bei der Stadt Wien.
Sehr geehrte Damen und Herren! Insgesamt, da hier so viel auf die GRÜNEN projiziert wird, möchte ich nur sagen: Wir haben zehn Jahre in dieser Stadt regiert, wir haben hunderttausende Wohnungen mit Infrastruktur, mit Straßen, mit Kindergärten, mit Schulen durch Widmungen auf den Weg gebracht. Was dafür nie entstehen musste, ist eine Autobahn.
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (unterbrechend): Ist das noch berichtigend oder ist das eine ... (Zwischenruf.) - Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Sequenz. Sie sind am Wort.
GRin Mag. Heidemarie Sequenz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen via Livestream!
Das Thema dieses Sondergemeinderates ist: Was kann die Stadtregierung von der Klimabewegung lernen? - Ich sage: Respekt vor der Wissenschaft, ein Mindestmaß an Empathie und eine gehörige Portion Mut, das kann diese Stadtregierung von der Klimabewegung lernen. Warum ich diese Attribute wählte, werde ich hier in einer sehr persönlich angelegten Rede erklären. Alles, was ich hier erzähle, habe ich selbst erlebt. Es braucht mir also niemand mit Fake News kommen.
Am 31. Dezember um 8 Uhr läutet mein Telefon, eine vollkommen aufgelöste Lena Schilling ist dran: „Man hat versucht, uns anzuzünden.“ Ich kann mich an das Gespräch nicht mehr erinnern, weil es mir dabei nicht gut gegangen ist. Minuten später ruft mich Nationalrat Lukas Hammer an, er war bereits am Weg ins Camp und erklärt mir kurz, es gab einen Brandanschlag, es ist Gott sei Dank nichts passiert. Kurz nach 9 Uhr stehe ich vor einem Haufen verkohltem Holz, Matratzen und was halt so von den persönlichen Gegenständen der KlimaaktivistInnen übrig geblieben ist, die diese Nacht in dem Holzturm übernachteten.
Daneben sind zwei junge Menschen gestanden, zwei von den acht, die sehr bleich im Gesicht waren, die mir dann geschildert haben, was sich zugetragen hat. Es war kurz nach 2 Uhr. Sie hören einen Knall, einen wirklich lauten Fluscher, sehen eine grelle Flamme und stürzen aus dem Gebäude, einer springt sogar noch durch die geschlossene Fensterscheibe. Sie versuchen, den Brand zu löschen. Der Schlamm hat gebrannt, wenn man Wasser hineingeschüttet hat, hat es weitergebrannt. Ich glaube, es ist allen klar, was das bedeutet. Ein Mädchen ist ausgerutscht, sie hat sofort gerochen, was Sache ist. Hätten sie zu diesem Zeitpunkt schon geschlafen, wären diese zwei Personen nicht mehr neben mir gestanden.
Und jetzt frage ich Sie: Sie haben ein Kind, ein Enkerl, eine Nichte, die sich bei „Fridays for Future“ engagiert. Sie sind nicht damit einverstanden, dass sie dort übernachtet, Sie haben eine andere Meinung zu diesem Straßenprojekt. Wenn Sie aber in der Früh eine SMS am Handy haben, in der eine Freundin sagt: „Du, übernachtet nicht dein Kind da manchmal? Es hat gebrannt.“ Was fällt Ihnen dann ein, was ist Ihre erste Reaktion? Hoffentlich ist nichts passiert, oder: Sich im rechtsfreien Raum aufzuhalten, ist kein Vorteil? Das war die erste Reaktion des Bürgermeisters dieser Stadt auf diesen Brandanschlag, acht Stunden danach, ich wiederhole: acht Stunden danach, da hat der grüne Klub schon etliche Stunden darüber Bescheid gewusst. Nichts anderes kam dem Wiener Bürgermeister über die Lippen. Und es brauchte einige Tage und einen gewaltigen, veritablen medialen Shitstorm, bis wir erfuhren, wie es zu dieser unfassbaren Reaktion kam: Der Herr Bürgermeister hätte erst um 9.30 Uhr von dem Brand erfahren und wurde dann im Zuge eines Betriebsbesuchs dazu interviewt.
Seitdem stelle ich mir den Morgen des Wiener Bürgermeisters so vor: Er steht auf, frühstückt, wird vom Chauffeur abgeholt, fährt ins Rathaus, macht seine Termine, seine Betriebsbesuche. In all dieser Zeit versucht das Kommunikationsteam des Bürgermeisters jede schlechte Nachricht von ihm fernzuhalten, wie zum Beispiel einen Brandanschlag auf ein Protestcamp, das seit Monaten jeden Tag in den Medien ist. - War das so?
Eigentlich habe ich mir nach den Klagsdrohungen gedacht, viel ärger geht es nicht mehr, aber die Geschehnisse vom 31.12. haben das natürlich getoppt. Aber das war noch nicht alles: Einige Tage nach dem Brandanschlag, es war schon im neuen Jahr, kontaktiert mich eine Person und sagt, du, es gibt da eine Facebook-Gruppe, da wird offen zu Gewalt gegen die KlimaaktivistInnen aufgerufen, und sie überreicht mir auch gleich ein Paket an Screenshots: „Hingehen und abfackeln! Mit dem Bagger drüber! G’sindel! Ungeziefer!“ - Ehrlich gesagt hielt ich das anfangs für einen Fake, weil es mir einfach denkunmöglich schien, dass mitten in Wien Menschen wegen einer Straße so etwas posten, ja, wegen einer Straße.
Weil ich eben Zweifel an der Echtheit dieser Screenshots hatte, habe ich mich dann auf diese Facebook-Seite begeben. Ich war in Sekunden aufgenommen, ja, das dürfte automatisch passieren, das ist dann so quasi eh eine öffentliche Gruppe. Da sind schon ungefähr 1.000 Mitglieder, die meisten mit Klarnamen, die unter einem Pseudonym posten, braucht man nur klicken, wer sie sind - voller Name, Telefonnummer, sogar die vom Ehepartner und der Beruf sind angegeben. Ich war nicht wenig überrascht, wer aller in dieser Gruppe ist. Ich fand dort natürlich alle Screenshots, so wie das angekündigt war, und ich erkannte auch sofort, dass das
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular