Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 98
gen, im Kulturbereich wird das gerne übersehen. Es steigt die Miete, es steigen die Kosten für Gas und Strom, es steigen Preise für Wasser und Nahrungsmittel, für Gewand und Gebrauchsgüter, aber die Honorare in der Kultur bleiben gleich. De facto bedeutet das, dass die Honorare sinken. Mit dem gleichen Einkommen kann weniger gekauft werden. Das heißt konkret, wir sollen morgen ein Budget mitbeschließen, das die Armut unter den Kulturarbeitenden weiter fördert. Wir GRÜNE werden da nicht mitgehen!
Es ist unmoralisch, gerade in dem Bereich zu sparen, in dem laut Studie der sozialen Lage der Kulturschaffenden und KunstvermittlerInnen schon jetzt die Einkommensverhältnisse sehr mager sind, zwischen 5.000 EUR im Jahr oder 10.000 EUR bei Filmschaffenden verdienen Kulturarbeitende im Jahr. Es ist klar, eine Stadt kann nicht die gesamte soziale Absicherung für Kulturarbeitende übernehmen, aber für eine Kulturhauptstadt Europas sollte zumindest in schwierigen Zeiten nicht noch mehr an der Stellschraube für Freie und Selbstständige gedreht werden. Es sind rund 50 Prozent der Kulturarbeitenden im darstellenden Bereich selbstständig und in der bildenden Kunst, in der Literatur sogar 94 Prozent. Wir beschließen mit dem neuen Budget also de facto eine Reduktion vor allem für Freie.
Wir wissen - auch wenn das die ÖVP vor Kurzem behandelt hat -, mit Eintrittsgeldern wird man das nicht abdecken können. Wir alle haben gesehen, dass mit Corona das Publikum auch vorsichtiger geworden ist, und das heißt, es wurden auch weniger Eintrittsgelder eingenommen. Das heißt, wir müssen andere Alternativen schaffen. Deshalb plädieren wir dafür, wieder Arbeitsstipendien einzurichten, zumindest für die kommenden Monate, solange Corona noch jede Planbarkeit verhindert. Wir wissen, dass damit zumindest ein regelmäßiges Einkommen möglich ist, dass Projekte weiterbetrieben werden können und dass letztlich das Ganze eine Win-win-Situation für die Stadt bringt. Wir werden einen Antrag auf Einrichtung von 3.000 Arbeitsstipendien einbringen.
Ich komme zu meinem zweiten Stichwort, Fair Pay: Fair Pay wird schon seit Jahren und über die letzten Monate verstärkt diskutiert. Nicht nur StahlarbeiterInnen wollen ihre Arbeitskraft entsprechend entlohnt haben, auch Kulturarbeitende haben lange Arbeits- und Ausbildungswege hinter sich, bevor sie in der Lage sind, öffentlich aufzutreten. Wer leidenschaftlich Computer repariert, ist Experte, wer leidenschaftlich Geige spielt, macht das nicht nur für die Freude. Mit einer Erhöhung von 4 Millionen EUR im Kulturbudget wird es Wien leider nicht schaffen, die Kriterien von Fair Pay, sprich, faire Honorarhöhen, zu erfüllen. Ein echtes Fair Pay für Wien, sprich, eine Förderung entlang der Honorarkataloge der IGs in den Institutionen und im freien Bereich, würde zirka 30 Millionen EUR mehr im Budget brauchen - 30 Millionen EUR mehr, das haben wir grob überschlagen. 4 Millionen EUR mehr sind dagegen im Budget veranschlagt. Es ist ein zu kleiner Kuchen, um faire Bedingungen in Wien zu schaffen. Solange vor allem Neuproduktionen und Innovatives gefördert werden, solange die Förderlogik vor allem Events unterstützt und solange die Fördersummen nicht an Realkosten angepasst werden, sparen die freischaffenden Kulturarbeitenden in erster Linie an sich selbst.
Es ist ein Teufelskreis. Unser Ziel als PolitikerInnen muss es sein, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Wir wissen, dass so keine nachhaltige Kulturpolitik möglich ist. Wenn Wien weiter Kulturhauptstadt in Europa bleiben will, müssen wir die Förderungen, die Rahmenbedingungen der Produktionen und somit die ganze Kulturlandschaft der Stadt neu bewerten und vermutlich an einigen Stellen neu ausrichten. Wie kann das gelingen? Als Grundlage dafür braucht man valide Zahlen: Wer bekommt wie viel? Wie viele Männer und wie viele Frauen können von den Förderungen profitieren? Wer nutzt die Angebote? - Wir haben leider nur ein sehr oberflächiges Bild davon, wer aller von der Kulturförderung profitiert. Wir wissen wenig über die KünstlerInnen, ihre Ausbildung und Lebenswege, wir können kaum mit Sicherheit sagen, ob die Wiener Kulturförderung tatsächlich allen, die hier leben, zugänglich ist, welche implizierten Ausschlüsse es gibt. Was wir aber sehen, ist, dass sich die Zusammensetzung der Gesellschaft ändert und dass das aktuelle Angebot sich deutlich weniger ändert. Wie kann man dem begegnen? - Man muss es analysieren und neue Strategien entwickeln, wenn man auch noch zukünftiges Publikum erreichen will. Was braucht man dazu? - Wien braucht ein langfristiges Gender- und Diversitätsmonitoring für den Kulturbereich.
Dazu bringen wir einen Antrag ein. Die dort ausgemachten Zahlen und Analysen schaffen eine Basis für einen Kulturentwicklungsplan für Wien. Wir reden schon lange davon, aber ich sehe im aktuellen Budget leider noch keine Finanzierung für so einen Strategieprozess. Deshalb stellen wir hiermit auch den Antrag, zeitnahe die nächsten Schritte für so einen Kulturentwicklungsplan für Wien zu setzen.
Eigentlich wollte ich noch etwas über die Kennzahlen in der Kulturbewertung sagen, aber das geht sich jetzt leider nicht mehr aus. Das hebe ich mir für das nächste Mal auf, nur so viel: Allein von BesucherInnenzahlen darf man die Förderhöhe nicht abhängig machen. Kulturangebote machen einen wesentlichen Teil der Lebensqualität in Wien aus. Mit einer gut austarierten Kulturförderung können wir für Publikum wie für Kulturarbeitende eine gute Basis schaffen und die Stadt Wien noch cooler und attraktiver machen. Danke und Danke allen Kulturarbeitenden, dass sie den Kopf hochbehalten, dass sie positiv bleiben und weiterarbeiten und die Hoffnung nicht verlieren. Sie geben auch uns Hoffnung, in dieser Stadt gut weiterzuleben.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Danke für die Anträge. Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Eppinger. Die selbstgewählte Redezeit ist zehn Minuten. Frau Mag. Berner hat neun Minuten verbraucht.
GR Peter L. Eppinger (ÖVP): Liebe Bürgerinnen und Bürger! Geschätzte Steuerzahler und -innen! Werter Gemeinderat!
Ich möchte mich gleich zuallererst bei jenen Menschen hier im Rathaus bedanken, die sich ehrlich um
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