Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 103
GR Dr. Peter Sittler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream!
Der Gemeinderatsvorsitzende Mag. Reindl hat gestern gesagt, das BIP ist nicht alles, wenn die Menschen keine Wohnung haben. Ja, und wir sind uns einig, dass das leistbare Wohnen Aufgabe der Stadt Wien ist. Es muss Aufgabe der Kommune sein, für leistbares Wohnen zu sorgen. Wir haben in dem Bereich schon gehört, die Stadt Wien schickt sich an, neue Gemeindewohnungen auf den Weg zu bringen. Bis 2020 wollte die Stadt Wien 4.000 neue Gemeindewohnungen eben auf den Weg bringen. Jetzt ist aber ein bisschen ein Unterschied zwischen auf den Weg bringen und tatsächlich auf die Straße, auf die Fläche zu bringen und tatsächlich etwas zu bauen. Bis letztes Jahr waren es 120 Wohnungen in der Fontanastraße im Barbara-Prammer-Hof in Favoriten, danach ist der Wildgarten in Meidling mit 123 Einheiten fertig geworden, und dann wird es schon ein bisschen enger. Nächstes Jahr wird das Gaswerk Leopoldau mit sage und schreibe 46 Einheiten fertig. Der Eisring Süd, eine „never ending story“ in Favoriten, 124 Einheiten Gemeindebauwohnungen, ist auch in Bau. Dann sollen noch der Handelskai mit 132 Wohnungen und die Wolfganggasse im 12. Bezirk mit 105 Wohnungen dazukommen. Fakt ist, dass 243 Wohnungen von diesen 4.000 Wohnungen tatsächlich fertig sind. Das ist nicht besonders viel. Wenn ich die 437 Wohnungen noch dazuzähle, komme ich für nächstes Jahr oder noch darauf auf 680 Wohnungen. Das heißt, es sind 17 Prozent von diesen 4.000 angekündigten Wohnungen fertig, und der Rest ist irgendwann oder kommt oder ist in Planung oder wird irgendwann.
Wenn ich mir da anschaue, dass zum Beispiel der Nordwestbahnhof mit 1.300 Wohnungen - also 4.000 - 1.300, sieht man schon, das ist ein großer Anteil davon - erst 2033 fertig sein wird, dann ist das irgendwann in 12 Jahren. Auf den Weg bringen oder planen oder wie auch immer, ist das eine, tatsächlich bauen das andere.
Daher stellt sich schon die Frage: Wann werden diese angekündigten 4.000 Wohnungen endlich fertig sein? Die Aufgabe der Stadtregierung ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen im Gemeindebau auch leistbares Wohnen haben.
Reden wir über den Rechnungsabschluss 2020, das ist das Thema der Gemeinderatssitzung von gestern und heute, und über die Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen. Hier sind im Ansatz „Wohnbauförderung und Neubau“ im Voranschlag 313 Millionen EUR vorgesehen gewesen. Tatsächlich waren es 405 Millionen EUR, also um 92 Millionen EUR mehr, um 30 Prozent mehr im Neubau. Die Wohnhaussanierung im Voranschlag: 238 Millionen EUR und 216 Millionen EUR, tatsächlich im Rechnungsabschluss um 22 Millionen oder 10 Prozent weniger. Das heißt, im Neubau wurde massiv hineininvestiert, weniger als bevoranschlagt in die Sanierung. Das ist prinzipiell gut für die Anzahl der Wohnungen - nicht im Gemeindebau, weil da haben wir schon gehört, dass da weniger passiert -, aber weniger gut natürlich für die Nachhaltigkeit und die Gesamtbetrachtung, wenn man die Infrastruktur hernimmt, weil dann keine Nachverdichtung stattfindet.
Ich habe in meiner Erstlingsrede hier im Gemeinderat schon das Thema Nachverdichtung erörtert. Da geht es darum, mit einer sanften Nachverdichtung des Bestandes Wohnraum zu schaffen. Das kann sein, indem man Häuser aufstockt, indem man Dachgeschoße baut, Aufbauten auf bestehende Gebäude macht, indem man entweder Umnutzungen vornimmt, wo Gebäude nicht für den Wohnraum gewidmet sind, die dann dem Wohnen zugeführt werden. Es kann aber auch eine Erweiterung der bestehenden Substanz sein.
Und ich werde nicht müde, immer wieder diese Studie der Arbeiterkammer Wien zu betonen, wonach so viel Wohnraum wie in der ganzen Stadt Graz ohne Verbauung von Grünflächen, am Wiener Stadtrand zu kaufen oder zu verbauen möglich wäre, nämlich 130.000 zusätzliche Wohnungen, die Wiener Wohnen durch Ausbau, Aufstockung und Nachverdichtung von bereits bestehenden Gebäuden schaffen könnte. Und weil dadurch auch keine Grundkosten entstehen - das ist der größte Kostentreiber im Normalfall, der ja auch mit den Grundkosten vorhanden ist -, werden die Mieten auch niedriger und leistbares Wohnen ist gegeben. Deswegen die Aufforderung an die Stadt, dafür zu sorgen, dass die Nachverdichtung wirklich stattfindet, dass man da ein nachhaltiges Konzept hat - 130.000 Wohnungen sind nicht so wenig!
Ich bin mit meiner Rede ein bisschen beim Gemeinderatsvorsitzenden Reindl, der gestern gesagt hat, wer schnell hilft, hilft doppelt. Das gilt natürlich auch für die Sanierungen im Gemeindebau, nur kann man dort nicht von schnell reden, weil das sogar der Rechnungshof kritisiert. Die Anzahl der leerstehenden Wohnungen ist von 2013 bis 2017 um 82 Prozent gestiegen, von knapp 5.000 auf knapp 9.000 Wohnungen, sank 2018 auf ein bisschen weniger, wieder auf zirka 7.700 Wohnungen. Ich zitiere diesen Rechnungshofbericht: „Wiener Wohnen sollte den Leerstand weiter verstärkt abbauen und an den strukturellen Leerstand von 4.000 leerstehenden Mietobjekten heranführen.“ - Also 4.000 ist die Zielzahl, wir haben um die 8.000. Und was war die Erklärung, die wir immer gehört haben? - Na ja, es gibt Umstrukturierungen im Projektmanagement, die sich dann über drei Jahre gezogen haben. Da zu sagen, hier in Wien ist schnell zu helfen, dass auch Wohnungen saniert werden und wiederhergestellt werden und vermietbar sind, ist auch wirklich … wie haben Sie gestern gesagt, Herr Vorsitzender? -: Genieren Sie sich für diese Aussage!
Kommen wir aber zu einem Thema, das im Zuge der Diskussion über den Gemeindebau auch ganz wesentlich ist: Fakt ist, der Gemeindebau steht für leistbares Wohnen in dieser Stadt. Ich habe mir angeschaut, wie hoch denn tatsächlich die Einkommensgrenzen sind, damit man so eine geförderte Wohnung im Gemeindebau bekommen kann. Ich habe recherchiert, dass eine Person, die im Gemeindebau, in einer Gemeindebauwohnung wohnt, das maximale Nettomonatseinkommen von wie viel haben darf? - Sie wissen es wahrscheinlich,
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