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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.05.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 60 von 97

 

können Sie doch nicht sagen, dass dieser Expertenkreis fair besetzt ist! Es ist kein einziger Experte darunter, der sich in der Vergangenheit kritisch über die Integrationspolitik in Wien geäußert hat. Was haben Sie also da geschaffen? - Sie haben das Orwell‘sche Wahrheitsministerium geschaffen! Sie haben eine Propagandamaschine geschaffen, die mit den Themen aufwarten wird, die Sie politisch spielen möchten, nämlich zum Beispiel betreffend liberalen Zugang zur Staatsbürgerschaft. Glauben Sie, dass das nicht absehbar ist? Manchmal bin ich mir nicht sicher, was Sie da vielleicht selber glauben. Es ist jedoch völlig logisch, zu welchen Themen dieser Expertenrat sich wie äußern wird. Bei der SPÖ hätte ich ja nichts gesagt, es aber sehr schade, dass gerade Sie von den NEOS diese wichtige Chance vergeben, einen wirklich objektiven Expertenrat ins Leben zu rufen.

 

Hinsichtlich ÖIF möchte ich sagen: Selbstverständlich sind wir der Meinung, dass der ÖIF mit eingebunden gehört, denn der ÖIF arbeitet ja auf wissenschaftlicher Basis, er hat eine Grundlagenabteilung, und es wäre absolut notwendig, die Synergien mit dem Bund und die Zusammenarbeit mit dem Bund zu suchen. Diese Parallelstrukturen, dass der Bund etwas macht und Sie aus politischen Gründen nicht mitmachen, sondern ein eigenes G’schichterl machen, kosten nämlich Steuergeld.

 

Warum tun Sie denn das? Warum bauen Sie nicht einfach die Experten des ÖIF auf Bundesebene in Ihren Integrationsrat ein? Warum versuchen Sie nicht, wirklich eine objektive Basis für Ihre Integrationspolitik zu schaffen? Das ist es, was ich eigentlich von Ihnen erwarten würde. - Danke.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Zierfuß. Ich erteile es ihm.

 

15.30.13

GR Harald Zierfuß (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Die Integrationsthematik hängt natürlich eng zusammen mit den Herausforderungen und Problemen, die wir an den Wiener Schulen haben. Ich hatte erst diese Woche wieder einen Zoom-Call mit mehr als 80 Direktorinnen und Direktoren aus Wien, und ich habe mir aus diesem Zoom-Call zwei Dinge mitgenommen. Erstens: Aus Wien wandern einerseits stetig Lehrer ab und andererseits hören viele auf. Zweitens: Mittlerweile stehen schon Zweitsemestrige per Sondervertrag in den Klassen, um den Mangel irgendwie auszugleichen. Der Lehrermangel in Wien wird dennoch immer größer, und das ist wirklich ein riesiges Problem.

 

Das ist aber kein Wunder, denn die Herausforderungen in Wien sind natürlich viel größer. Kollege Kunrath hat es vorhin erwähnt. Bei über einem Drittel der 15-jährigen Kinder und darunter hat kein Elternteil eigene Erfahrungen mit dem österreichischen Schulsystem gemacht, und das macht natürlich die Arbeit für die Lehrerinnen und Lehrer in Wien viel schwieriger. Und als Dank dafür bekommt man dann von der Stadtregierung mit fast vier Kindern mehr pro Volksschulklasse die Klasse so richtig schön vollgestopft. Das macht es natürlich nicht leichter.

 

Ich habe zu dieser Thematik eine Anfrage gestellt, und auf zwei Highlight-Punkte aus den Antworten möchte ich heute ein bisschen eingehen. - Zunächst zur Abwanderung von Lehrern: Ich habe festgestellt, dass mehr als 20 Prozent der Pflichtschullehrer in Wien ihren Wohnsitz außerhalb haben. Das heißt, sie pendeln ein. Und es ist ja nichts Neues, wenn die Lehrergewerkschaft und auch die Direktoren aus dem Zoom-Call sagen, dass es natürlich ein Thema ist, dass jemand, dem dann einen Arbeitsplatz in einer kleineren Klasse, in einem leichteren Umfeld, angeboten wird, diesen gerne annimmt, dass also Lehrer abwandern. Ich wollte jetzt von der Stadtregierung wissen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer denn abwandern. - Die Antwort darauf war: Die Motive werden nicht erhoben.

 

Mittlerweile ist der Mangel so groß, dass wir allein in den Pflichtschulen in Wien schon über 1.000 Sondervertragslehrer in den Klassen haben. Ich komme darauf zurück: Es stehen mittlerweile schon Zweitsemestrige in den Klassen, um den Mangel auszugleichen. In diesem Zusammenhang wollte ich wissen, wie denn der Ausbildungsstand von diesen über 1.000 Personen in Wien aussieht. - Antwort: Das erhebt die Stadt nicht.

 

Nur weil man die Augen vor den Problemen zumacht, sind diese aber trotzdem nicht weg! Ganz im Gegenteil: Die Probleme werden noch viel schlimmer, und ich erwarte mir von der Stadtregierung, dass sie endlich diesen Blindflug beendet und Maßnahmen setzt.

 

Ein weiterer Aspekt ist auch ganz spannend: Wir wissen ja, dass viele Pensionierungen der nächsten Jahre anstehen. Viele Lehrer sind jetzt schon über 50 beziehungsweise 60 Jahre alt. Das heißt, die Lehrerzahlen werden in den nächsten Jahren sinken. Dazu kommen noch die Abwanderungen. Außerdem hören manche Lehrer teilweise auch ganz einfach auf. Auf der anderen Seite haben wir aber steigende Schülerzahlen. Im Hinblick darauf frage ich mich schon: Wie soll das in 10 bis 20 Jahren in den Wiener Schulen ausschauen? Stopfen wir die Klassen noch mehr voll? Sind es dann nicht mehr um 4 Kinder mehr pro Klasse, sondern im Bundesschnitt vielleicht um 8 mehr? Soll man dann vor 30 Kindern in der Volksschulklasse unterrichten, und das bei den Herausforderungen, die wir in Wien haben?

 

Anreize, um der Entwicklung entgegenzuwirken, plant man natürlich keine, wie ich aus der Anfragebeantwortung jetzt wieder weiß. Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass wir von der Stadtregierung massiv enttäuscht werden. Ich erinnere an die Deutschförderung in den Klassen oder daran, dass die Wahlfreiheit für Eltern und Schüler immer weiter eingeschränkt wird. Von Schulautonomie höre ich seitens der NEOS auch nichts mehr.

 

In Anbetracht dessen muss ich schon sagen: Liebe Stadtregierung! Es reicht halt nicht aus, wenn man auf die Wahlplakate ganz groß draufschreibt: Bildung! Vielmehr muss man dann halt wirklich etwas tun. Gestern Abend habe ich ein lustiges MIME zugeschickt bekommen, beziehungsweise ist das leider gar nicht so lustig, wie ich zugeben muss. Da hieß es: Was bekomme ich, wenn ich bessere Schulen auf „Wish“ bestelle? - Eine

 

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