Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 114
und dass ihre Schilderung der Zukunft wenig mit der Realität zu tun haben wird. Das war der Vorwurf.
Nach Herrn Valentin gibt es immer mehrere tatsächliche Berichtigungen, die notwendig sind, denn, wie gesagt, das sind leider viele nicht so faktentreue Aussagen gewesen. Eines möchte ich nämlich sagen: Sie haben behauptet, dass Ihre Prioritäten beim öffentlichen Verkehr liegen, bei den Zufußgehenden, als Drittes beim Radfahren und dann beim Auto. Das kann einfach mit der Realität nichts zu tun haben, wenn Sie hier heute 460 Millionen für ein Straßenbauprojekt beschließen, während das gesamte Radwegebauprogramm nicht einmal 10 Millionen EUR ausmacht. Wenn die Prioritäten in einem derartigen Missverhältnis sind, kann niemand behaupten, dass in Wien der Radverkehr tatsächlich vor dem Autoverkehr priorisiert wird. Das stimmt einfach mit den Tatsachen nicht überein. Danke.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR Valentin zu Wort gemeldet.
GR Erich Valentin (SPÖ): Es ist schlimm, wenn man auch nicht rechnen kann, aber ich helfe gerne.
Ich berichtige tatsächlich: Wir haben heute 460 Millionen EUR, die wir beschließen. 50 Prozent davon schreiben Sie bei der Frau Gewessler an. Jetzt haben wir nur mehr die Hälfte. Okay, das heißt, 50 Prozent sind Bundesgelder, die wir zurückbekommen. Das müssen Sie mit Frau Gewessler ausmachen. Welche Prioritätenliste Frau Gewessler hat, ist nicht mein Problem, das ist ihres.
Drittens: Auch das wäre eine einfache Rechnung gewesen, wenn Sie den Rechnungsabschluss lesen würden: Wir geben im Jahr weit über 400 Millionen EUR allein für die Öffis aus, einfach zum Deficit Spending vom 350-EUR-Ticket und für Neuinvestitionen. Das ist die untere Latte, die wir jedes Jahr erreichen. Das heißt, selbst wenn Sie uns mit den 460 Millionen zur Gänze anschreiben würden, was nicht der Fall ist - Gott sei Dank, weil Frau Gewessler, herzlichen Dank an die Bundesregierung, mitzahlt -, müssen Sie trotzdem anmerken, dass wir selbst bei der Summe weit über 50 Prozent mehr für die Öffis im Jahr als Deficit Spending allein vom 365er-Ticket als auch für die Neuinvestition bezahlen. Ich bitte, diese Berichtigung zu Kenntnis zu nehmen.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR Stark zu Wort gemeldet.
GR Kilian Stark (GRÜNE): Das trifft sich jetzt direkt gut, das gibt mir nämlich Gelegenheit, auf diese Unwahrheit auch noch einzugehen.
Herr GR Valentin kennt sich wohl mit der bundesgesetzlichen Materie nicht so gut aus. Es war Ihre Fraktion, die in einer rot-schwarzen Regierung - roter Bundeskanzler - dafür gesorgt hat, dass diese Straße jetzt nicht von der Asfinag finanziert wird. Nein, Sie, Ihre Fraktion und die ÖVP haben das mit einer Änderung des Bundesstraßengesetzes dem Steuerzahler umgehängt, und dort ist festgehalten, dass der Bund der Stadt Wien 230 Millionen dafür zahlt, dass das aus dem Bundesstraßengesetz rauskommt.
Erstens einmal würde ich sehr begrüßen, wenn das Bundesstraßengesetz geändert wird. Ich sehe da leider Gottes eine breite Mehrheit dagegen. Das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt: Es wäre ja die Idee gewesen, dass nicht die Stadt Wien das noch einmal verdoppelt, sondern einfach mit dem Geld, das wir vom Bund kriegen, eine redimensionierte Straße baut, die stadtverträglich und keine Autobahn ist. Das wäre die Idee gewesen.
Wozu Sie hier die Klimaschutzministerin auffordern, wäre Amtsmissbrauch, es ist nämlich gesetzlich geregelt, dass dieser Betrag vom Bund an die Stadt Wien gehen muss, dank Ihrer Fraktion, die dadurch noch mehr Geld für den Autobahnbau übrig gelassen hat. Na, danke schön.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Ich erteile es ihm.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!
Ein Anruf von der Wiener SPÖ oder ein Anruf vom Bürgermeister bei Frau Bundesministerin Gewessler genügt, und das Projekt ist gestorben. Wenn die SPÖ das nicht will, ist es also ganz einfach: Einmal anrufen, fertig ist es. Die Waldviertel-Autobahn gibt es auch nicht. Ich befürchte nur, die SPÖ will nicht. Herr Valentin hat ja so getan, irgendwelche GRÜNEN sind dafür. Die SPÖ-Wien will das leider. Es wäre ein Leichtes, das aus dem Weg zu räumen.
Eigentlich sollten wir heute über die Zukunft reden, aber es geht nicht ganz ohne Vergangenheit. Eigentlich geht es darum, was wir morgen machen, heute machen, wie wir heute abstimmen. Es gibt ein paar Tage, an denen wir nichts erledigen können. Einer davon war gestern, aber es ist notwendig, ein klein wenig Geschichtsbewältigung zu machen, weil der Vorvorredner, Herr Valentin, darauf hingewiesen hat, wie das in letzter Zeit gerannt ist, welche Vereinbarungen es gegeben hat.
Nur um es einmal ganz klar auszusprechen: Die Koalition zwischen SPÖ und GRÜNEN ist nicht gescheitert, weil man sich bei Kulturpolitik nicht finden konnte oder bei Frauenpolitik nicht finden konnte oder bei Sozialpolitik nicht finden konnte oder bei Gesundheitspolitik nicht finden konnte oder bei Bildungspolitik nicht finden konnte, sondern weil man sich in der Klimapolitik nicht gemeinsam auf etwas einigen kann.
Das ist ganz einfach die zentrale Frage dieses Jahrhunderts, und SPÖ und GRÜNE liegen einfach meilenweit auseinander in der Einschätzung, was man tun soll. Nicht, was man reden soll: Sonntagsreden gibt es jede Menge von allen möglichen Personen quer über das Bundesgebiet, aber in der Ernsthaftigkeit fehlt in dieser Frage der SPÖ einfach alles. (Zwischenruf.) Einfach alles!
Wir haben heute gehört, die 460 Millionen EUR Donaustadt-Autobahn, die CO2-neutral ist, wahrscheinlich mit wohlriechenden Abgasen von irgendwelchen Diesel-SUVs und vermutlich so fröhlichen Geräuschen, die irgendwelche Autos rauskrachen. Das ist das Bild, das hier verkauft wird. Es macht Lärm, es stinkt, es kostet einen Haufen Geld, es ist klimaschädlich, es ist das
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