«  1  »

 

Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 114

 

tet wird, ist wirklich sagenhaft. Ich weiß nicht, wer Ihnen diese Rede geschrieben hat, sie hat mit der Realität leider sehr wenig zu tun.

 

Ich sage es noch deutlicher: Die Stadt der kurzen Wege und dieser Autobahnbau haben ungefähr so viel miteinander zu tun wie Pazifismus und Waffenhandel. Es ist Gift, und man muss leider feststellen: Jedes Mal oder meistens, wenn die SPÖ von diesem Pult aus über Verkehr redet, kommen Fake News, alternative Zahlen und Fakten und gezielte Desinformation. Das macht mich fassungslos.

 

So - ich kann gar nicht auf alles eingehen -, jetzt zum geplanten Teil meiner Rede. Wir diskutieren heute über das klimaschädlichste Projekt dieser rot-pinken Stadtregierung, und es ist offensichtlich: Die SPÖ will hier Fakten für den Lobau-Tunnel - der noch nicht durch ist - schaffen, und die NEOS spielen hier ohne Not mit. Maggie Thatcher's TINA - „There is no alternative.“ - höre ich im Hintergrund, und Sie machen sich hier eindeutig zum Komplizen.

 

Wir beschließen oder vielmehr Sie beschließen heute eine knappe halbe Milliarde für eine Autobahn, ein 30 m breites Betonband, das täglich 60.000 Autos vom Stadtrand ins Zentrum der Donaustadt lotsen wird - ein klimapolitisches Desaster. Niemand, der irgendeine Ahnung von Klimaschutz hat, kann hier von der Klimaneutralität zweier Autobahnprojekte sprechen. Das ist grotesk!

 

Ich habe in der Vorbereitung dieser Rede viel darüber nachgedacht, was heute zu sagen ist, was eigentlich der Kern des Problems in Klimaschutz und Verkehr ist und was wir brauchen. Einerseits ist es natürlich das, worüber alle gerne reden: Innovation - neu, besser, schneller, aber vor allem auch mehr, mehr, mehr. Doch was wir häufig vergessen, ist die zweite Seite dieser Medaille, und da kommen wir genau zu den Punkten, die meine Vorrednerin von der SPÖ genannt hat: Es ist ein Uraltprojekt, nämlich der Exnovation. Was bedeutet das? - Dabei geht es darum, dass man etwas, das in der Vergangenheit funktioniert hat, aber nicht mehr zu den aktuellen Strategien und Zielen passt, abschafft, dass man damit aufhört.

 

Wir müssen aufhören, denn darum geht es im Klimaschutz. Was ist denn letztlich der Treiber des Klimawandels? - Das ist ganz einfach die Verbrennung von fossilen Energieträgern zum Bauen, zum Produzieren, zum Heizen, zur Stromgewinnung und - in Wien 42 Prozent - für Mobilität. Und damit müssen wir aufhören. Wir müssen aufhören, Öl zu verbrennen, und daher müssen wir auch damit aufhören, die Infrastruktur dafür immer weiter und weiter auszubauen.

 

Zu Ihren Konzepten: Was hat man im 20. Jahrhundert zur Arbeitsplatzbeschaffung gemacht? - Autobahnen bauen. Was hat man im 20. Jahrhundert zur Wirtschaftsbelebung gemacht? - Autobahnen bauen. Was hat man im 20. Jahrhundert zur Regional- und Stadtentwicklung gemacht? - Autobahnen bauen. Und was hat man zur vermeintlichen Verkehrsentlastung gemacht? - Autobahnen bauen.

 

Doch was hat es uns gebracht? - Arbeitsplätze in Branchen und Standorten, die nicht fit für das 21. Jahrhundert sind und definitiv nicht für ein klimaneutrales Zeitalter, das Abfließen von Kaufkraft aus den Städten und Gemeinden in immer größere Gewerbezentren, in diese Schuhschachteln, eine Zersiedelung, einen irren Bodenverbrauch, Artensterben, Lärm, Luftverschmutzung, Gesundheitsschäden, Transit und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Umland. Und was es uns vor allem gebracht hat, ist eine Verkehrslawine, eine unglaubliche Verkehrslawine und damit immer noch steigende CO2-Emissionen. Wir sind im Verkehr noch nicht an der Spitze angekommen. Sie befördern das, es geht immer weiter und weiter nach oben, und das mitten in der größten Krise und der größten Bedrohung für unsere Zivilisation, der Klimakrise.

 

In den letzten 30 Jahren hat sich der Verkehr mehr als verdoppelt, seit 1970 verfünffacht. Es ist vollkommen klar: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Dafür brauche ich keine Studien, das steht in jedem Lehrbuch der Verkehrsplanung.

 

Die Sozialdemokratie mag einige Antworten auf die Herausforderungen des 20. Jahrhunderts gehabt haben - für das 21. Jahrhundert, zur Bewältigung der Klimakrise, sind diese jedenfalls ungeeignet und falsch. Wir müssen aufhören, mit dem Schädlichen aufhören und das Hilfreiche forcieren - und auf die Wissenschaft hören. Die sagt es uns, die sagt es auch Ihnen. Ihr eigener Klimarat, die Vorsitzende Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb: Die übergeordnete Verkehrsplanung in Wien wurde vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele gemacht. - Meine Vorrednerin hat es gesagt, seit 20 Jahren kämpft sie für diese Autobahn. Da haben Sie noch nicht das Ziel gehabt und haben wir leider noch nicht das Ziel gehabt, bis 2030 das CO2 zu halbieren. Es passt einfach nicht zusammen!

 

Wir stehen jetzt an einer Wegkreuzung: Entweder Verkehrspolitik zurück in die 1960er Jahre, oder - und das wäre die reale Alternative - wir könnten die Bezirke Donaustadt und Floridsdorf auch zu einem internationalen Beispiel machen, wie man klimagerecht und zukunftsfähig Stadtentwicklung macht.

 

Wie könnte man Verkehr nachhaltig organisieren? - Das ist eigentlich relativ einfach: Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Für diese Summe könnte man 20 km neue Straßenbahnen eröffnen. Das ist die Alternative. Wir könnten mehr Platz für aktive Mobilität, für Menschen, die sich bewegen, schaffen. Zum Beispiel könnten wir das ganze Hauptstraßennetz Wiens, alle Hauptstraßen, mit einem Radweg ausstatten. Wir könnten 18 hochattraktive verkehrsberuhigte Zentren wie die Mariahilfer Straße schaffen. 18! Oder wir könnten auch 20.000 Bäume in der Stadt pflanzen - das sind mehr Bäume, als wir bis jetzt in den Bezirken 1 bis 9 haben. So könnten wir nachhaltig für ein besseres Stadtklima sorgen.

 

Zu Ihrem Steckenpferd, den Arbeitsplätzen. Das ist ja das Groteske: Autobahnbau ist leider eines der am wenigsten effizienten Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme. Würden wir die Alternativen fördern, würde das 60 Prozent mehr Arbeitsplätze schaffen als die maschinenintensive Bauweise der Autobahnen und so gleichzeitig Voraussetzungen schaffen, die wirtschaftlich, sozial und klimapolitisch nachhaltig sind und eine lebenswer

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular