Gemeinderat, 6. Sitzung vom 24.03.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 78
land jährlich durchschnittlich 85.000 Sozialwohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind.
Zwischen 2006 und 2020 ist in Deutschland die Zahl der Sozialwohnungen, die da hinausgefallen sind, quasi eine Million gewesen. Das ist insgesamt eine Halbierung der Sozialwohnungen in Deutschland innerhalb von 14 Jahren. Woran liegt das? In Deutschland wurde die Sozialbindung von Wohnungen befristet. Wir hatten früher einmal ein ähnliches Modell wie in Österreich. Der Staat fördert zwar sozialen Wohnbau, verliert aber durch die Befristung, durch diese Sozialbindung, immer mehr an Terrain, und ein bisschen erinnert mich das an das Modell der Wohnbauinitiative. Deutschland sollte uns ein warnendes Beispiel sein.
Es ist aus meiner Sicht die Aufgabe der öffentlichen Hand, den politischen und rechtlichen Rahmen so zu setzen, dass die soziale Preisbindung auf die Lebenszeit von Gebäuden sichergestellt wird. Es mag nicht groß ins Gewicht fallen, wenn nach und nach die 6.500 Wohnungen der Wohnbauinitiative aus der Preisbindung fallen, aber als Strategie der Stadt für leistbares Wohnen ist die Wohnbauinitiative denkbar schlecht geeignet.
Es kann nicht sein, dass wir eine Wohnbaupolitik betreiben, die am Ende dazu führt, dass auf günstigen Liegenschaften, die die Stadt zur Verfügung gestellt hat, teure Wohnungen vermietet werden. Der Rechnungshof empfiehlt: „Im Falle von Liegenschaftsverkäufen zu vergünstigten Konditionen an gewerbliche Bauvereinigungen wären diese zu einer mit gemeinnützigen Bauvereinigungen vergleichbaren Mietzinsbildung zu verpflichten.“
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Vergeben wir die Liegenschaften nur mehr in Baurecht und ausschließlich an gemeinnützige Bauvereinigungen, dann ist auch die Frage der Mietzinsbildung geklärt. Der Grüne Klub, sehr geehrte Damen und Herren, wird jedenfalls darauf achten, wie die Empfehlung des Rechnungshofs in diesem Punkt Berücksichtigung findet.
Ganz kurz noch zwei andere Punkte: Der Rechnungshof macht deutlich, dass wir bei der Sanierung des Gemeindebaus viel schneller werden müssen. Bei der festgestellten Geschwindigkeit erreichen wir einen Sanierungszyklus von 67 Jahren, das angestrebte Ziel wären 30 Jahre. Dieses Tempo mag kurzfristig Ausgaben sparen, langfristig ist auch das nicht nachhaltig gedacht.
In der Sanierung liegt erstens ein immenses Potenzial für den Klimaschutz. Thermische Sanierung, Ausstieg aus fossilen Rohstoffen und Begrünung müssen im Gemeindebau mit aller Kraft angegangen werden. Ein angemessener Sanierungszyklus ist zweitens auf lange Sicht kostensparender und sorgt deshalb langfristig auch für Leistbarkeit. Drittens sorgt ein angemessener Sanierungszyklus für Wohnqualität und ist deshalb auch aus sozial- und wohnungspolitischen Gründen gefordert.
Den Ankündigungen aus dem Regierungsprogramm müssen Taten folgen. Gerade jetzt, wo jeder konjunkturelle Impuls dringend notwendig ist, müssen wir in die Sanierung des Gemeindebaus investieren und diesen Rückstand aufholen. Der Gemeindebau ist der Schatz der Stadt, und so sorglos behandelt man den größten Schatz nicht.
Die Brauchbarmachung von Gemeindewohnungen muss schneller gehen, der Leerstand im Gemeindebau muss an den strukturellen Leerstand herangeführt werden. Ich weiß, dass da in den letzten beiden Jahren schon einiges gelungen ist, aber da muss es weitergehen. Es geht nicht an, dass deutlich mehr Gemeindewohnungen leerstehen, als dies der Fall sein müsste. Das ist gerade vor dem Hintergrund des gestiegenen Bedarfs - wir kennen die Vormerklisten für Gemeindewohnungen - unbedingt notwendig.
Letzter Punkt: Der Rechnungshof empfiehlt, die Missachtung des Verbots von gewerblichen Kurzzeitvermietungen in Wohnzonen konsequenter zu verfolgen. Bis zum Abschluss der Rechnungshofprüfung hat die Baupolizei die gewerbliche Kurzzeitvermietung für sage und schreibe zwei Wohnungen untersagt. Das liegt zum einen sicher an der Jugendlichkeit der rechtlichen Bestimmung sowie an der Länge der Verfahren. Wie wir im Ausschuss erfahren haben, gibt es mittlerweile deutlich mehr Fälle, andererseits müssen wir da trotzdem genau hinschauen.
Gibt es weitere Mittel, die wir der Baupolizei in die Hände geben müssen? Müssen wir die Wohnzonen ausweiten, um Ausweichbewegungen zu vermeiden? Die gewerbliche Kurzzeitvermietung von Wohnungen ist aus mehrerlei Hinsicht konsequent zu bekämpfen. Erstens, weil wir jede Wohnung als Wohnung brauchen, um eine Entspannung am Wohnungsmarkt nachhaltig sicherzustellen, und zweitens, weil wir die durch die Pandemie gebeutelten Beherbergungsbetriebe in Wien konsequent vor dieser Konkurrenz schützen müssen, die Wohnungen zweckentfremdet.
Machen wir uns keine Illusion: Sobald der Tourismus wieder einsetzt - hoffentlich bald -, wird auch der gewerbliche Missbrauch von Wohnungen für Kurzzeitvermietung wieder beginnen und dann, sehr geehrte Damen und Herren, sollten wir noch besser vorbereitet sein. Ich ende mit der Forderung, die Empfehlungen des Rechnungshofs ernst zu nehmen, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, und bedanke mich noch einmal herzlich bei den PrüferInnen für die umfangreiche und kompetente Arbeit. Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dr. Sittler, und ich erteile es ihm. Bitte.
GR Dr. Peter Sittler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Frau Vizebürgermeisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Internet!
An allererster Stelle möchte ich Ihnen, liebe Frau Rechnungshofpräsidentin und Herr Präsident des Stadtrechnungshofes, dafür danken, dass die Rechnungshofberichte immer ausführlich, korrekt und auch wirklich in die Tiefe gehend Punkte aufdecken, die wesentlich sind.
Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es scheinbar nur um die Kenntnisnahme eines Rechnungshofberichts. Dieser Bericht „Wohnbau in Wien“ vom Februar dieses Jahres - wir haben darüber zuvor auch schon einiges im
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular