Gemeinderat, 73. Sitzung vom 11.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 21
ordneten Ziele der Stadtentwicklung definiert, ist wiederum bei der nächsten Stadträtin angesiedelt.
Auf die Frage, was die größten Bausünden in Wien der letzten Jahre sind, sagt Seiß als Erstes, wie auch ich vorher bereits erwähnt habe, dass die Errichtung der Wienerberg-City ein Sündenfall war: Es gibt mehr als 1.000 Wohnungen, keine Freiräume, kaum öffentlicher Verkehr und teils unsoziale Architektur.
Der Gegenstand des zweiten Kritikpunkts ist ebenfalls im 10. Bezirk angesiedelt: Ein weiterer Witz ist Monte Laa. Über die meistbefahrene Autobahn Österreichs wurde ein ganzer Stadtteil aus sozialen Wohnbauten errichtet, wieder ohne U-Bahn oder Bim.
Als Drittes führt Seiß noch an: Wien-Mitte ist wohl das beste Beispiel für die Interessenverquickung von Politik und Finanz und Bauwirtschaft in Wien. Der größte Skandal ist aber, dass dieses drittklassige Spekulationsobjekt im freien Immobilienmarkt wohl abgestraft worden wäre, die öffentliche Hand aber nun als Mieter einspringt.
Was ist, zusammenfassend, all diesen drei Projekten gemein? - In allen Fällen haben Grundeigentümer und Bauträger gemeinsam mit der Politik drittklassige Projekte auf Kosten der Steuerzahler umgesetzt. Damit ist einigen wenigen geholfen, die große Mehrheit aber hätte Besseres verdient.
In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, fordere ich Sie auf: Machen Sie Ihre stadtplanerischen Hausaufgaben, und hören Sie auf, hier irgendwelche Lobhudeleien vom Stapel zu lassen! - Danke schön.
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Herr Kollege! Ich darf Sie noch um Desinfektion des Rednerpults bitten. - Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Oxonitsch. Ich erteile ihm das Wort.
GR Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Man kann feststellen, dass wir in diesem Haus eigentlich vier Arten von Diskussionen haben. Es gibt Diskussionen, bei denen man im Hinblick auf den jeweiligen Hintergrund der Partei, der man angehört, unterschiedlicher politischer Einschätzungen ist. Manchmal entspinnen sich hier Diskussionen, weil man vielleicht das eine oder andere nicht richtig weiß. Es gibt Diskussionen, wo man etwas zwar weiß, aber Wahlkampf ist. Und es gibt Diskussionen beziehungsweise Redebeiträge - ich würde das gar nicht Diskussionen nennen -, bei denen man schlicht und ergreifend die Realität negiert.
Das war gerade bei Kollegen Berger jetzt am Schluss der Fall. Wenn jemand die Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs in Wien in Frage stellt, dann kann man das nur als Negieren der Realität bezeichnen, überhaupt wenn man weiß, dass die Wiener Linien immer wieder Höchstbewertungen bekommen und dass über 40 Prozent der Wienerinnen und Wiener den öffentlichen Verkehr in Wien gerne nutzen. (Zwischenruf.) In Frage zu stellen, dass die Wiener Linien eine Erfolgsgeschichte haben, ist jedenfalls sehr skurril, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte nur auf einen Punkt eingehen, um ein bisschen die planerische Befähigung des Herrn Berger gewissermaßen zu dokumentieren. Würde man seiner Argumentation im Hinblick auf Bauabschnitte, bei denen es viel Verkehr und vielleicht auch Staus durch den Bau gibt, folgen, dann hätten wir keine Station Karlsplatz und keine Station Stephansplatz. Jetzt muss man eben auf dem Matzleinsdorfer Platz bauen. Es ist nun einmal so, dass U-Bahn-Bauten durchaus auch große Baustellen nach sich ziehen. Ich bin froh, dass man sich damals getraut hat, solche großen Verkehrsknotenpunkte in Angriff zu nehmen, und die U-Bahn gebaut hat, die uns jetzt rasch in die Innere Stadt bringt, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nun noch ein paar Antworten zu den Ausführungen des Kollegen Gara im Zusammenhang mit dieser leidigen Frage der Kostenschätzung. Es ist schon von beiden Rednern unserer Fraktion dargestellt worden, wie der U-Bahn-Bau funktioniert. Zunächst gibt es klarerweise eine erste Grobplanung samt entsprechender Kostenschätzung. Dann kommt es - darauf hat Kollege Stürzenbecher ja auch hingewiesen - in einem intensiven Dialog mit der Bevölkerung auch zu Veränderungen, wobei man hier durchaus auch zugeben könnte, dass man vielleicht das eine oder andere nicht mitbekommen hat. In dieser Phase finden Umplanungen statt, die dann die Grundlage für eine Detailplanung darstellen.
Ich gebe ganz offen zu: Ich bin Ottakringer, und ich bin von der U2/U5 überhaupt nicht betroffen. Ich habe nicht mitbekommen, was sich auf dem Elterleinplatz und in Margareten im Zuge von Bürgerbeteiligungsverfahren abgespielt hat. Erst jetzt, als ich mir das angeschaut habe, bin ich draufgekommen, wie viele Maßnahmen es seitens der Wiener Linien in diesem Zusammenhang gegeben hat. Das ist, wie gesagt, letztendlich die Grundlage für Detailplanung.
Dann kommt das Ausschreibungsverfahren, und ich kann nicht glauben, dass Sie das nicht wissen. Sie kennen natürlich den Ablauf ganz genau! Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das nicht wissen. Aber es ist halt Wahlkampf, und es ist schlicht und ergreifend Tatsache, dass ein Ausschreibungsverfahren - darauf kann man noch einmal hinweisen -, aufgehoben wurde und wir uns jetzt in einem Verhandlungsverfahren befinden. Und ich warne davor - Kollege Stürzenbecher hat darauf hingewiesen, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen -, in dieser Phase von wahnsinnigen Kostenexplosionen zu reden. Das kann nur kontraproduktiv sein! Ich will ja kein Interesse unterstellen, dass es das vielleicht gibt, dass das passiert. Aber wenn man jetzt schon davon redet, dass es eh teurer wird, dann halte ich es gerade in einem Verhandlungsverfahren, in dem es zu Recht strengste Stillschweigepflichten gibt, für durchaus fragwürdig und problematisch, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in einer solchen sensiblen Phase jetzt einen Sondergemeinderat einzuberufen.
Man kann sich ja anschauen, wohin das führt. Ich brauche mir nur einen Fall, der mich damals indirekt auch betroffen hat, vor Augen führen. Das ereignete sich nicht in Wien, sondern in Kärnten, aber man kann sehen, wohin es führt, wenn man in einem Vergabeverfahren in der Öffentlichkeit mit Zahlen operiert! Der Rechnungshof
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