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Gemeinderat, 72. Sitzung vom 02.07.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 40

 

gespeichert, den er ja gehabt oder auch nicht gehabt hat? Man weiß es nicht.

 

Ich frage mich schon, warum gibt es noch immer keine unabhängige und wissenschaftlich institutionalisierte Dokumentationsstelle für Rechtsextremismus und Islamismus, die die Netzwerke durchleuchten und wichtige Grundlagenarbeit für die Polizei leisten könnte? Warum gibt es noch immer keine Aussteigerprogramme für die Menschen, die aus dem Extremismus raus wollen? Warum gibt es seit zwei Jahren eine Strategie, ohne dass Sie jemals daraus konkrete Handlungen und Maßnahmen abgeleitet hätten? Was bringt eine Strategie ohne konkrete Maßnahmen? Da frage ich mich schon: Wer hat da geschlafen? Waren das die schwarz-blauen Innenminister der letzten Jahre? Waren das die schwarz-blauen IntegrationsministerInnen der letzten Jahre? Oder war das vielleicht sogar Ihr Heiland, der Bundeskanzler höchstpersönlich?

 

Der ist ja überhaupt der Ärgste, der war der erste Integrationsstaatssekretär in unserem Land und redet jetzt von verfehlter Integrationspolitik. Wie hat seine Politik ausgesehen? Nun ja, (Zwischenruf.) zum Beispiel, werte Kolleginnen und Kollege, sieht das offensichtlich so aus, wenn der Bundeskanzler Integrationspolitik betreibt: Er lässt sich lächelnd mit Burschen, die den faschistischen Wolfsgruß zeigen, fotografieren. Das kann wirklich nicht Ihr Ernst sein! Sie können jetzt erklären, dass die Burschen das nicht wussten, dass das ein Scherz war, ich weiß nicht, es ist alles vollkommen irrelevant, der Bundeskanzler Sebastian Kurz, erster Integrationsstaatssekretär dieses Landes, der weiß ganz genau, was dieser Gruß bedeutet, und lächelt auf dem Foto wunderbar in die Kamera. Das kann wirklich nicht Ihr Ernst sein!

 

Aber es ist ja nicht nur der Bundeskanzler. Ich bin mir seit vorgestern, ehrlich gesagt, überhaupt nicht mehr sicher, was Sie eigentlich wollen. Ich frage mich die ganze Zeit, ob Sie auf Bundesebene deswegen keine Maßnahmen gesetzt haben, weil Sie vergesslich sind oder wegen einer Überforderung oder ob Sie eigentlich gar nicht möchten. Vorgestern haben Sie nämlich, und ich meine wirklich Sie, wie Sie hier sitzen, einen Offenbarungseid abgelegt. Wie kann man bitte einen Antrag, in dem es um die sofortige Einberufung des Bundesnetzwerkes geht, ablehnen?

 

Da geht es um eine Sitzung, in der wir gemeinsam beraten, wie wir gegen Extremismus in unserem Land vorgehen, und endlich auch im Bund Maßnahmen fixieren. Wie kann man gegen eine Sitzung sein und finden, es reicht in der aktuellen Situation eh, wenn man das irgendwann einmal im Herbst macht, nachdem Sie jetzt schon über ein Jahr absolut untätig waren? Bitte, Kollegen, Kollegen von der ÖVP: Sogar die FPÖ hat da zugestimmt. So schwierig kann das ja wirklich nicht sein. Sehen Sie die Notwendigkeit der Zusammenarbeit nicht? Oder ist da vielleicht doch vieles an Show dabei und Ihre Politik gar nicht das Lösen von Problemen, das Aufdecken von Netzwerken und das Verfolgen von Hintermännern? - Erklären Sie mir das, bitte. - Danke.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Ornig. Ich erteile es ihm.

 

13.18.39

GR Markus Ornig, MBA (NEOS)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich warte nur auf das Ende der Diskussion zwischen den Herren da, die da offensichtlich sehr hitzig ist, das hört man nämlich sogar da drinnen, was eigentlich selten ist.

 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nicht zu sehr auf die Vorredner einzugehen, aber ein Satz ist bei mir leider Gottes massiv hängen geblieben, und der stört mich massiv, nämlich vom Kollegen Haslinger. Sie sind ans Rednerpult gegangen und Ihr erster Satz war: Multikulti ist gescheitert. In was für einer Stadt leben wir da eigentlich? - Wir leben in einer Stadt, die basiert auf der Zusammenkunft, auf der Verströmung verschiedenster Kulturen. Wir leben in einer Stadt, die wir deswegen lieben, weil sie so vielseitig ist. Wir leben in einer Stadt, die sich jährlich weiterentwickelt, die auch jährlich versucht, sich stark weiterzuentwickeln, und die international - jetzt sage ich etwas, das ich normalerweise oft kritisiert habe, aber es ist halt nun einmal so - zur lebenswertesten Stadt der Welt geworden ist.

 

Und Sie sagen, Multikulti ist gescheitert? Ich verstehe, warum Sie es sagen müssen, denn irgendwie matcht ihr euch ja mittlerweile schon sehr stark, FPÖ - ÖVP, wer härter mit dem Thema umgeht, wer mehr Schlagzeilen machen kann, wer besser durchkommt in der gesamten Thematisierung der riesigen Herausforderung, die wir haben. Und wir haben eine riesige Herausforderung! Wir haben die Herausforderung, dass wir in dieser Stadt noch einmal klar und deutlich machen müssen, dass religiöse Spannungen, Radikalismus, politische Konflikte aus anderen Ländern, aber auch in unserem Land, die in Wien ausgetragen werden, definitiv nicht tolerierbar sind. Da gibt es keinen Punkt und kein Komma!

 

Wir müssen diesen Herausforderungen angemessen mit konkreten Maßnahmen und vor allem nachhaltig begegnen und Konzepte sowie Maßnahmen zur Prävention von Gewalteskalation erarbeiten, aber auch umsetzen. Ich komme später dann noch einmal darauf zurück. Es gibt ja sehr, sehr viele Konzepte, sowohl auf Stadtebene als auch auf Bundesebene, die am Tisch liegen, die da helfen würden, aber sie werden halt zum Großteil nicht umgesetzt. Warum sie nicht umgesetzt werden, dazu möchte ich mich später noch äußern.

 

Extremismus ist natürlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, das staatliches Handeln in vielen Bereichen sehr, sehr fordert und insbesondere bei der inneren Sicherheit, der Justiz, den Bildungseinrichtungen, der sozialen Sicherheit muss man da genau drauf schauen. Es ist unumgänglich, dass Deradikalisierungsmaßnahmen und Präventionsmechanismen entwickelt werden. Seit drei Jahren besteht mittlerweile das Bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung, koordiniert vom BVT. Das ist gut und schön, aber was ist denn da passiert? - Leider noch viel zu wenig. Und wem kann man das umhängen? - Das kann man, obwohl es nicht mein Job ist, nicht der Wiener Stadtregierung umhängen. Das muss man den Menschen umhängen, die es vor nicht allzu langer Zeit geschafft haben, das BVT schlicht und ergreifend zu sprengen. Dagegen muss man

 

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