Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 93
Kraus hat es vorher schon ganz kurz angesprochen: Es geht darum, dass es in diesem Zusammenhang in ganz Österreich seit Jahren intensive Debatten zur Stärkung von Orts- und Stadtkernen gibt, und ich glaube, das ist kein Zufall. Ich komme später darauf zurück.
Wir haben dieses Fachkonzept hier im Haus letztes Jahr im Dezember beschlossen. Parallel gab es dazu auch österreichweit einen intensiven Diskurs. Es ist erstmals auf österreichischer Ebene gelungen, dass sich alle Bundesländer, der Bund und auch die Vertretung der Städte und Gemeinden in ÖROK-Empfehlungen gemeinsam darüber geeinigt haben, wie man Orts- und Stadtkerne stärken kann. - An dieser Diskussion sieht man, wie wichtig die politische Auseinandersetzung mit diesem Thema ist.
Warum ist das kein Zufall? - Weil große Herausforderungen in unserer Gesellschaft auch damit in Zusammenhang stehen, wie wir mit unseren Zentren in unseren Städten umgehen. Die Gestaltung dieser Zentren ist auch ein Lösungsansatz für diese Herausforderungen, zum Beispiel betreffend Klimawandel. Ich bin froh, dass die Diskussion zur Klimapolitik heute hier einen großen Stellenwert einnimmt. Die mediale Aufmerksamkeit dazu hat in den letzten Monaten etwas nachgelassen. Das Thema wird uns aber weiterhin sehr intensiv begleiten.
Funktionierende Zentren zeichnen sich vor allem durch kurze Wege aus. Durch funktionierende Zentren schaffen wir nachhaltige Mobilität, und Priorität in diesen Zentren haben Fußgängerinnen und Fußgänger. Sie brauchen einen Anschluss ans hochrangige Öffi-Netz. Außerdem braucht es dort sinnvolle Lösungen für den Radverkehr und die Logistik, die man vor Ort braucht, vor allem für den Einzelhandel.
Zusätzlich braucht es in funktionierenden Zentren funktionierende Maßnahmen für Klimaanpassung. Damit sind wir beim Bereich Beschattung und Kühlung. Dabei geht es auch um dieses Recht auf Wohlfühlen, das alle Wienerinnen und Wiener haben. Daher ist die Gestaltung von funktionierenden Zentren ein maßgeblicher Beitrag zum Umgang mit dem Klimawandel.
Aber auch am Beispiel der Thematik Digitalisierung sieht man den Zusammenhang mit funktionierenden Zentren. Das Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir haben das jetzt auch in der Corona-Krise bemerkt. Es geht um den Umgang mit Online-Handel: Der Einzelhandel muss darauf reagieren, denn der Einzelhandel ist ein wesentlicher Bestandteil von funktionierenden Zentren. Und wie so oft ist das kein Entweder-oder, es geht weder nur lokal noch nur online, sondern es braucht eine sinnvolle Ergänzung. Es geht um ein gutes Miteinander. Die Stadt Wien hat kurzfristig in der Corona-Krise reagiert. Unterstützt über die Wirtschaftsagentur konnte man sich Förderungen abholen, wenn man im Einzelhandel Angebote nachbessern wollte.
Aber die Digitalisierung spielt auch eine Rolle bei Dienstleistungen. Wir wissen ja: Funktionierende Zentren zeichnen sich durch einen Mix aus Angeboten aus: Man braucht Einzelhandel, man muss dort gut wohnen können, man braucht dort soziale Infrastruktur und man braucht dort Dienstleistungen. Und beides zusammen, das lokale Angebot vor Ort, das Physische plus die Ergänzung durch Online-Angebote, macht die Zukunft von Zentren aus.
In der dritten Debatte, die in den letzten Jahren sehr intensiv geführt wird, geht es um die Frage: Wie gehen wir mit öffentlichem Raum um? Es ist dies eine hochpolitische Frage: Wem gehört der öffentliche Raum? Wer nutzt den öffentlichen Raum? - Das hat etwas mit dem zu tun, was ich gerade angesprochen habe, dass es nämlich eine unterschiedliche Nutzung der Zentren gibt: Auch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen halten sich dort zu unterschiedlichen Zeiten auf, nämlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Wohnbevölkerung, Touristinnen und Touristen, die Geschäftskunden, Jugendliche, Seniorinnen und Senioren. Und für all diese Bevölkerungsgruppen muss das Angebot passen. - Das ist, wie gesagt, eine hochpolitische Frage.
Diese hochpolitische Frage stellen wir uns als rot-grüne Stadtregierung und als rot-grüner Gemeinderat, und wir übernehmen hier Verantwortung. Wir brauchen in diesen Zentren konsumfreie Räume. Wir brauchen dort eine gute öffentliche und soziale Infrastruktur. Die Gestaltung ist ganz zentral.
Ich bin sehr froh, dass in den letzten Jahren in diesem Ressort viele Initiativen gesetzt wurden, um den öffentlichen Raum zu gestalten. Darum ist Wien so lebenswert. Vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben!
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau VBgm.in Hebein. Die Redezeit beträgt maximal 15 Minuten. Bitte schön.
VBgm.in Birgit Hebein: Herr Vorsitzender! Werte Mitglieder des Gemeinderates!
Der Rechnungsabschluss 2019 ist für mich der erste, und ich freue mich und konfrontiere Sie gleich mit einer Zahl, die uns eigentlich alle aufrütteln sollte, nämlich mit der Zahl 7,6. Um 7,6 Grad Maximaltemperatur wird sich unsere Stadt aufheizen, so die Forscher und Forscherinnen, wenn wir in der Stadt nicht handeln und tätig sind. Ich erinnere daran, was diese Hitze in unserer Stadt für die Arbeitsqualität, für die Nachtruhe, für Menschen, die besonders gefährdet sind, bedeutet. Und unter 7,6 Grad leidet auch die Natur.
Im Mai gab es so wenig Niederschlag wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Daher muss gehandelt werden. Handeln habe ich versprochen, als ich vor genau einem Jahr hier angetreten bin, und zwar unter dem Aspekt des Klimaschutzes und des sozialen Zusammenhalts. Das machen wir. Und wer ist wir? - Ich beginne gleich damit, mich recht herzlich zu bedanken bei all meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Büro und bei allen Kollegen und Kolleginnen in allen Abteilungen. Sie machen Wien aus, herzlichen Dank!
Einer der ersten Aufträge, die ich gegeben habe, war die Erstellung einer Hitzekarte. Dabei geht es nicht nur darum, zu schauen, wo es besonders heiß in unserer Stadt ist, sondern auch darum, herauszufinden, wo es am wenigsten Grünraum gibt und wo die meisten alten Menschen und Kinder wohnen, die besonders davon
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