Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 147
natürlich eine mehrsprachige Monarchie. Deutsch war der kleinste Teil, der in Österreich gesprochen wurde, sondern wir waren immer eine vielsprachige Nation. Damals gab es noch keine Nation. Wir waren eben eine Monarchie, österreich-ungarische Monarchie, schon im Titel war auch das Ungarische dabei. Es gab zwar in Wien sozusagen den Kaiserhof, aber daneben gab es ganz viele Sprachen. Ich weiß es jetzt nicht genau auswendig, 22 oder 25 waren es, die sich alle in dieser österreichischen Identität wiedergefunden haben. Und Deutsch war damals das Minderheitenprogramm. Nicht einmal der Kaiserhof hat Deutsch gesprochen. Ich finde das insofern total interessant, dass heute in den Wiener Schulen alle Kinder Deutsch lernen. Eigentlich müsste das im Sinne Ihrer Ideologie ja als Fortschritt gesehen werden, weil endlich alle Kinder in Wien Deutsch in der Schule lernen und das auch ein erklärtes Ziel ist, hier auch Deutsch zu lernen, damit wir alle gut miteinander auskommen können. Also ich verstehe Ihren Vorwurf wirklich nur ganz schlecht.
Dann möchte ich kurz etwas zum Thema Arbeitslosigkeit sagen. Viele von Ihnen haben wahrscheinlich die Berichte aus der Corona-Zeit gehört, dass besonders Jugendliche von der Wirtschaftskrise jetzt betroffen sind. Das heißt, dass Jugendliche noch schwerer eine Lehrstelle finden als sonst. Und natürlich auch, ich glaube, 50 Prozent, hat die Frau Ministerin gesagt, um 50 Prozent stärker sind Jugendliche und junge ArbeitnehmerInnen von Arbeitslosigkeit betroffen. Deshalb macht es sehr viel Sinn, hier Initiativen zu setzen. Ich sage jetzt quasi außerhalb von dem Ressort zum anderen Ressort, dass wir in Wien schon einiges tun. Zum Beispiel gibt es 150 neue Lehrlingsstellen mit Herbst, das heißt, nicht nur 150 wie bisher, sondern es sind mittlerweile 300 Lehrlingsplätze, die Wien alleine in Wien-nahen Betrieben anbietet. Das finde ich sehr wichtig und großartig.
Und es gibt den sogenannten One Stop Shop, das heißt, einen Ort, an dem junge Leute, die in Mindestsicherung sind, einerseits ihre Sozialhilfe finden und andererseits auch ein umfassendes Programm, welche Ausbildungen sie noch brauchen oder wie sie einen Job finden können, eine Unterstützung auf allen Ebenen, sozialarbeiterisch, aber auch klassisch, arbeitsmarkttechnisch alles an einem Ort. Sie müssen nur dort hingehen und bekommen die Unterstützung, die sie brauchen. Beides ist erstens einmalig in Österreich, One Stop Shop U25 gibt es sonst nicht. Es ist das Ziel, dass die Leute nicht von einem Amt zum anderen geschickt werden, sondern an einem Ort alles finden, was sie brauchen. Es gibt den Leuten erstens eine Chance, einen wirklich langfristigen Job mit einer guten Ausbildung zu finden und damit ein selbstständiges Leben zu führen und natürlich langfristig die Chance, die Armutsspirale zu verlassen. Das ist ja unser Ziel, dass Leute, die auch in schwierigen Verhältnissen geboren werden, nicht unbedingt bis zum Ende ihres Lebens in dieser Situation bleiben müssen. Genau daran arbeitet Wien, und ich finde es gut, wenn der Bund das zusätzlich unterstützt. Deshalb sind wir bei diesem Antrag dabei. So, das war jetzt sehr schnell.
Jetzt gehen wir wieder zurück zur „Werkstadt Junges Wien“. Junge Leute wollen mitreden. Das sehen wir am Projekt der „Werkstadt Junges Wien“. Im Grunde gibt es ja schon in der Stadtverfassung sowas, was verankert ist, nämlich die Kinder- und Jugendparlamente. Die Frage ist nur immer: Wie finden die genau statt? Es gibt in Wien einige, die so stattfinden, dass es quasi eine Inszenierung im Festsaal der Bezirksvorstehung ist, wo Kinder und Jugendliche vorbereitete Fragen an den Bezirksvorsteher stellen dürfen, die dann direkt vor Ort vor dem Publikum beantwortet werden oder manchmal auch schriftlich. Das ist die eine Seite. Das ist eine sehr paternalistische Inszenierung meiner Meinung nach und ist nicht das, was wir als Mitgestaltung oder politische Demokratieschulung sehen, weil dort können Leute hingehen und erhoffen, dass ihr Vortrag Gehör findet.
Die andere Seite ist, auch das findet schon in Wien in manchen Bezirken statt, dass es über ein Jahr lang partizipative Workshops gibt, in denen ein Jahr lang Ideen entwickelt werden, in denen auch erklärt wird: Wie funktioniert das? Was ist ein Bezirk? Was kann man auf einer Bezirksebene ändern? Was muss man in der Stadt ändern? Was sind Themen, die eigentlich nur der Bund, also das Land, das ganze Land, also Österreich verändern kann oder wo wir dort eingreifen müssen in die Gesetze? Das alles lernen die Kinder in so einem Bezirksparlament, und wir sehen, welcher Weg der bessere ist. Das kann man sich, nachdem man sich lange das Projekt „Werkstadt Junges Wien“ angeschaut hat, gut vorstellen. Was glauben Sie wohl, welche Form des Demokratielernens macht die Kinder eher zu mündigen BürgerInnen und wo lernen die Kinder und Jugendlichen, sich selber als wirkungsmächtig und aktiv einzuschätzen? Ich denke, das lernen sie eher in Projekten wie „Werkstadt Junges Wien“ oder in einem partizipativ gestalteten Kinder- und Jugendparlament, weil das der Form entspricht, wie im 21. Jahrhundert Politik gemacht werden wird. Die „Werkstadt Junges Wien“ hat dazu einen Weg gezeigt, den wir jetzt auch weiterhin in Umsetzung bringen wollen. Außerdem hat sie sich darum bemüht, dass alle Kinder in Wien sich auch mit ihren Grundrechten auseinandersetzen und diese Grundrechte auch stärken. Denn nur wer weiß, was für Rechte er hat, kann sie auch verteidigen, wenn er das Gefühl hat, dass das nicht ganz passt.
Da geht es natürlich nicht nur um Recht auf Wohnung oder auf Bildung oder auf ein gesundes Umfeld, sondern ich möchte das Auge besonders auf die sogenannte Fürsorgepflicht des Staates lenken. In mehreren Artikeln der UN-Kinderrechtscharta, deren 30-jähriges Bestehen wir letztes Jahr gefeiert haben, geht es um dieses Wohl des Kindes, also die Art. 3, 19, 25, 26, 34, 35 und 36. In all diesen Artikeln geht es um Schutz vor Gewaltanwendung und Misshandlung, zur sozialen Sicherheit, zum Schutz vor sexuellem Missbrauch, zum Schutz von Maßnahmen gegen Entführung und Kindesmissbrauch und zum Schutz vor sonstiger Ausbeutung. Das sind keine angenehmen Themen, die da besprochen werden, und es wird nicht das Erste sein, was die Kinder in ihren Workshops sagen.
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