Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 147
extrem viele Projekte gerade im Verkehrsbereich am Laufen, zum Beispiel, und weil jetzt das auch schon mehrfach angesprochen wurden, die Pop-up-Radwege. Der Herr Kollege Maresch hat da jetzt darauf repliziert und gemeint, man soll sich da nicht so aufregen und das ist ja wichtig und da fahren ja eh Leute. Also ich muss ganz ehrlich sagen, es gibt sehr, sehr viele Radfahrer, die die bestehenden Radwege durchaus und gerne nutzen, und die Pop-up-Radwege eben nicht.
Um auf das Beispiel von der Kollegin Emmerling zu sprechen zu kommen und das noch einmal zu erweitern: Ja, Stau entsteht dort, wo zu viele Autos fahren, aber auch, wo das Verhältnis nicht mehr passt. Und wenn ich ständig künstlich Staus produziere und Durchzugsstraßen permanent verstopfe, durch Pop-up-Maßnahmen in dem Fall, dann kann das nicht im Sinne des Erfinders sein, hier zusätzlich Stau zu produzieren. Und das ist ein Problem, das wir einfach sehen, sehr geehrte Damen und Herren.
Gerade die Fraktion von den GRÜNEN möchte ja zahlen- und wissenschaftlich basiert ihre Maßnahmen setzen, umso mehr verwundert es mich, dass es gerade zu den Pop-up-Radwegen keine aktuellen Zahlen gibt, dass es auch keine fundierte Basis gibt, auf der diese Maßnahme fußt. Da muss ich mich schon fragen, in welche Kategorie ist diese Maßnahme einzuordnen, und aus unserer Sicht ist es eindeutig in die Kategorie des Wahlkampfzuckerls, sehr geehrte Damen und Herren.
Jetzt sind die „Coolen Straßen“ und die Pop-up-Radwege - und wie sie alle heißen - nette Einzelprojekte, aber aus unserer Sicht - und das hat meine Kollege Juraczka schon nicht nur heute, sondern als unser Verkehrssprecher mehrfach und immer wieder betont - ist es so, dass es uns in der Verkehrsplanung nicht immer nur um Projekte gehen kann. Wir brauchen hier große Würfe, wir brauchen auch ein Schauen auf höherer Ebene, wir brauchen hier eine andere Flughöhe als nur die Projektebene, wir brauchen auch eine Perspektive über die Grenzen hinweg, Stichwort Pendler, Stichwort Park&Ride, Stichwort Öffi-Ausbau in den Außenbezirken, denn ich kann Ihnen schon eins sagen: Das Ziel - da sehen wir uns auch mit im Boot - muss schon sein, den Individualverkehr grundsätzlich zu reduzieren. Nur, wir haben unterschiedliche Wege, sehr geehrte Damen und Herren von Rot-Grün, denn wir sind nicht dafür, dass man plötzlich irgendwo was zu macht und verhindert, sondern dass man den Menschen Möglichkeiten gibt, auf Alternativen umzusteigen. Und das sehen wir nicht, sehr geehrte Damen und Herren. Es braucht hier aus unserer Sicht eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik, die über die Stadtgrenze hinausgeht, die aus der Projektebene wieder auf eine vernünftige Ebene zurückkommt und weg von den Pop-up-Maßnahmen mit Wahlkampfzuckerl. - Vielen Dank.
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Nächster Redner ist Herr GR Ellensohn. Ich erteile ihm das Wort.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Verkehrspolitik ist Sozialpolitik, ist Klimaschutz und macht Emotionen wie wenig andere Themen in der Stadt. Das freut alle im Wahlkampf, wir können alle unsere unterschiedlichen Konzepte sagen, die einen für mehr Sicherheit, die anderen für weniger Sicherheit im Straßenverkehr, die einen für mehr Lärm, die anderen für weniger Lärm, und so weiter, und so fort.
Jetzt gehen wir es einmal durch. In Europa haben letztes Jahr alle begriffen, wie wichtig die Klimafrage ist, deshalb reagieren ja auch viele große Städte. Jetzt ist vorher vom GR Rüdiger Maresch Paris angeführt worden. Lesen Sie sich einmal den Entwurf durch - dort sind gerade Wahlen -, den die Bürgermeisterin Anne Hidalgo vorgelegt hat, eine sozialdemokratische Bürgermeisterin. Ich lege gerade der Sozialdemokratie ans Herz, wenn man wieder fahren darf, nach Paris zu fahren und sich das anzuschauen, was die alles vorhaben, was man alles machen kann.
Was machen wir in Wien? Seit Jahren versucht man, den öffentlichen Verkehr auszubauen. Machen wir. Wir sind ja in der richtigen Richtung unterwegs, jetzt geht es nur darum, fahren wir weiter nach vorne oder fahren wir rückwärts. Da macht auch das Lieblingsfahrzeug, das wir verwenden, einen Unterschied: Ein Fahrrad hat keinen Rückwärtsgang, da schaut man nach vorne, macht Politik nach vorne und überlegt sich etwas für heute und für die nächsten Generationen. Mit dem Autofahren momentan, ich kann es nicht anders sagen, mit dem Dienstwagen wird gerade rückwärts gefahren, zurück, die einen bis in die 60er, 70er, und die anderen irgendwo dazwischen. Das hilft uns allen nicht.
Während der Corona-Krise haben viele gesehen: Okay, weniger Lärm bei mir. Alle von Ihnen haben Mails bekommen von Leuten und haben mit Leuten geredet, die sagen, tatsächlich ruhiger, ich kann das Fenster offen lassen, es ist angenehmer draußen. So weit werden wir nicht kommen, denn da haben ja fast gar keine Leute fahren können, aber die Idee, den Leuten Lebensplatz zu geben: Verkehrspolitik ist am Schluss die Frage, wem gehört die Stadt. Und einer nach dem anderen kommt heraus und erklärt mir, was er alles mit dem Auto machen muss. Wie lang sitzen Sie denn alle im Auto am Tag? Glücklicherweise muss niemand von uns im Auto wohnen, weil den Eindruck könnte man fast gewinnen: Mein Leben spielt sich im Auto ab und das Allerwichtigste ist die eine halbe Stunde oder die Stunde, die ich drinnen sitze. Man sollte eine Statistik machen, wer kommt da eigentlich jeden Tag oder zu einer Gemeinderatssitzung im Dienstwagen her, wer kommt im Privatauto, wer kommt anders und wer kommt mit den Öffis.
Ich habe es einmal überschlagsmäßig gemacht. Es gibt im Übrigen quer durch einen anständigen Gendergap: die Frauen - aller Fraktionen - sind sehr vorbildlich in dem Bereich, anders als die Männer. Überlegen Sie sich das aber: Wenn Sie den Straßenverkehr nur vom hinteren Sitz kennen und vorne links ist der Fahrer und Sie fahren so durch die Gegend, dann haben Sie halt wenige andere Eindrücke. Wenn Sie viel zu Fuß gehen, schaut das anders aus.
Wo man versucht, wenigstens alle mitzunehmen, ist bei der Sicherheit. In Helsinki - nicht so groß wie Wien, aber immerhin fast 700.000 EinwohnerInnen - hat man
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