Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 88 von 101
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS): Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Auch im Namen meiner Fraktion möchten wir uns ganz herzlich für die Berichte, für die Arbeit des Rechnungshofes bedanken: Unabhängig, objektiv, transparent, etwas, das ganz wichtig ist und auch ein ganz wichtiges Fundament in unserer politischen Diskussion darstellt. Ich möchte auch eines betonen: Ich finde auch die Homepage des Rechnungshofes sehr gut gestaltet, vor allem auch die Zusammenfassungen der Berichte.
Das macht einfach Lust auf mehr, macht Lust auf mehr Lesen und ich glaube auch, es ist ganz wichtig, dass die gute Arbeit des Rechnungshofes und die Berichte auch einer breiten Bevölkerung zugänglich sind. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, hier einfach auch zu sehen, welche Arbeit da passiert, welche Institutionen es da gibt und auch welche Empfehlungen vom Rechnungshof ausgesprochen werden.
Ich möchte meine Rede auf zwei Themenbereiche oder zwei Rechnungshofberichte fokussieren, der eine ist die Bekämpfung der Energiearmut und der andere ist die bundesweite Analyse der Pflege in Österreich. Zum ersten Teil, der Energiearmut: Niedriges Einkommen, hohe Energiekosten und Gebäude mit schlechter Bausubstanz sind die Ursachen für Energiearmut. Ich betone aber immer wieder: Energiearmut ist eine Form, eine Ausprägung von Armut insgesamt und insgesamt muss immer die funktionierende Armutsbekämpfung im Vordergrund stehen.
Das ist auch der Grund, warum meine Fraktion oftmals Themen eines Heizkostenzuschusses in der Form nicht zustimmt, weil ich es doch für sehr wichtig erachte, dass es insgesamt darum geht, weniger Energie zu verbrauchen, im Bereich der Wärme, im Bereich von Licht, auch im Bereich der Mobilität. Und ja, es gibt Ausnahmefälle und da ist es tatsächlich wichtig, auch konkrete finanzielle Leistungen zu übernehmen, zum Beispiel das, was auch die Wien Energie mit der Ombudsstelle macht, wo im Jahr knapp 700 Personen anfragen, die sich tatsächlich Heizen nicht leisten können.
Dort muss man auch wirklich gezielt darauf eingehen, um Energiearmut in dem Sinn zu bekämpfen. Eine EU-Studie sagt ja, dass zirka 2,8 Prozent der Österreicher tatsächlich zu wenig Geld fürs Heizen haben. Ich glaube also, es sind zwei Aspekte wichtig: Es ist tatsächlich das Thema der Sanierung, der Energieeffizienz und auf der anderen Seite, dort wo nicht unmittelbar geholfen werden kann, braucht es auch diese Unterstützung. Dies ist vor dem Hintergrund wichtig, weil man da sehr schön sieht, dass Klimaschutz durch die Reduktion des Energieverbrauchs auch sehr stark zu sozialer Fairness führt.
Der zweite Punkt ist eine sehr wichtige Analyse des Rechnungshofes, nämlich die bundesweite Analyse der Pflege in Österreich. Bis dato haben wir fast keine konkreten Zahlen. Wir haben keine konkreten Zahlen, was Pflege insgesamt in Österreich kostet, und Sie haben das sehr schön zusammengestellt: Es sind jetzt knapp 7,9 Milliarden. Das Spannende dabei ist: 2,9 Milliarden der Bund, 2,1 Milliarden das Land, aber 2,9 Milliarden die Privaten, und das vor allem, und das halte ich für sehr wichtig, gerade im Bereich der pflegenden Angehörigen.
Da werden sehr viel Zeit und auch finanzielle Mittel aufgewandt, um Menschen zu Hause zu pflegen. Wir haben ein Problem: Es gibt immer weniger pflegende Angehörige. 84 Prozent der zu pflegenden Personen werden von Angehörigen gepflegt, das ist ein großes Thema, dessen wir uns annehmen müssen. Sie vermerken in ihrem Bericht auch sehr richtig, dass es insgesamt eine mangelnde Koordination zwischen Bund und Ländern gibt, dass wir kein einheitliches Finanzierungssystem haben.
Das gilt für Gesundheit und Pflege insgesamt, das ist ein ganz großes Problem, das bis dato nicht gelöst wurde. Das ist quasi wie ein Gordischer Knoten, der noch immer besteht, aber nicht aufgelöst wird. Daher kann ich mich auch Ihren Empfehlungen für eine solche nachhaltige Finanzierung, für einen viel stärkeren Fokus auch in Richtung Prävention, für eine Schnittstelle zwischen Gesundheit und Pflege - etwas, das wir in Wien haben, etwas, das im Ressort in der Politik entsprechend abgebildet ist - anschließen.
Wir fordern da auch immer wieder ein, dass wir diesen Zugang zu Gesundheit und Pflege ganz konkret am Beispiel der Primärversorgungseinheiten schaffen. Das heißt, dass die wohnortnahe Versorgung der Menschen auch Gesundheit und Pflege insgesamt umfasst. Wir haben das auch in unserem Regierungsprogramm, in dem wir gerade den Bereich der mobilen Pflege und Betreuung ausbauen wollen, sehr konkret skizziert, ganz konkret, indem wir auch das Konzept der Community Nurses sehr viel stärker integrieren. Warum? Weil wir wollen, dass Menschen möglichst lange zu Hause in ihren eigenen vier Wänden leben können und dann, wann immer es einen Pflege- oder einen Betreuungsbedarf gibt, sie entsprechend unterstützt werden können.
Sie sprechen in Ihrem Bericht auch einen wichtigen Punkt an, der uns ein großes Anliegen ist, nämlich dass wir einheitliche Qualitätsstandards im Pflegebereich haben. Das ist wesentlich und das ist von Bundesland zu Bundesland tatsächlich sehr, sehr unterschiedlich. Insgesamt ist die gesamte Datenlage, würde ich einmal sagen, sehr mangelhaft ist fast sanft ausgedrückt. Wir haben eine ähnliche Situation auch im Gesundheitswesen. Dadurch bleibt auch sehr vieles intransparent und die Schnittstellen funktionieren entsprechend teilweise nicht gut.
Was wir immer gefordert haben, ist das Thema der Generationengerechtigkeit auch im Bereich der Pflege, weil wir das Thema langfristig und umfassender sehen müssen. Es braucht natürlich auch mehr Ausbildungsplätze, nicht nur, aber das ist auch wichtig, auch ein Aspekt, den wir bei uns im Regierungsprogramm verankert haben, dass wir 9.000 Pflegepersonen bis 2030 ergänzen wollen.
Es braucht aber nicht nur Personal, es braucht flexiblere Arbeitszeitmodelle und natürlich ein viel attraktiveres Umfeld, um den Pflegeberuf auch wieder interessanter zu machen, ein sehr wichtiger Beruf, ein sehr wichtiges Standbein in unserem Gesundheits- und Sozialsystem.
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