Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 64 von 101
Selbstverständlichkeit. Wir waren eine fünfköpfige Familie. Mein Vater war Alleinverdiener, aber trotzdem hatten wir und unsere Gäste genug zum Leben und auch genug zum Essen. Das ist für die Kollegen der Freiheitlichen wahrscheinlich unvorstellbar, weil die halten nicht einmal geflüchtete Menschen auf europäischem Boden aus, geschweige denn in der Nachbarschaft. Und wenn ich mir die heutige Situation in Moria, in Griechenland anschaue und auch außerhalb der EU-Grenzen, dann ist es ein Armutszeugnis, nicht für die Europäische Union, sondern es ist ein Armutszeugnis für uns alle, die in politischen Verantwortlichkeiten sitzen. Auf der Bundesebene, da haben Sie recht, da könnte man mehr machen, da werden wir von der ÖVP blockiert. Auf der kommunalen Ebene hätten wir hier die Möglichkeiten, mehr herauszuschöpfen, uns mehr für die Menschenwürde und für die Menschenrechte einzusetzen.
Dafür muss man Solidarität nicht nur plakatieren, sondern das muss man auch ausleben. Wenn ich mir heute die österreichische Politlandschaft anschaue, dann merk‘ ich, dass genau jene, die bei Kriegen und Krisen weggeschaut haben, sich heute über die geflüchteten Menschen aufregen. Dass hier jene, die sich gegen die Fluchtursache stellen, heute versuchen, geflüchtete Menschen zu bekämpfen. Statt hier globale Verantwortung zu nehmen, betreiben sie stattdessen weiter eine Politik der Abschottung, des Generalverdachts und der Ausgrenzung gegenüber Einwanderern und Geflüchteten. Statt sich hier gegen totalitäre Regime und auch Politiker zu stellen, schüren Sie Hass gegen schutzlose Menschen! Wer gibt Ihnen das Recht, dass Sie über Menschen urteilen können, dass Sie über das Menschenleben urteilen können? Wer sind Sie? Wer sind Sie überhaupt, dass Sie heute die Entscheidung treffen über Menschen, über Menschen, die schutzlos dastehen? Sie sind diejenigen, die bei Kriegen und Krisen weggeschaut haben! Sie sind diejenigen, die keine einzige politische Verantwortung bis jetzt getragen haben! Und Sie sind die Ersten, die sich heute über geflüchtete Menschen aufregen! (Zwischenruf.) Ja, zu Ihnen komme ich noch, Herr Guggenbichler, ja. Es ist unverschämt, dass Sie heute im Wiener Rathaus hier obdachlose Menschen, Erwerbslose, Pensionisten und Pensionistinnen gegen geflüchtete Menschen ausspielen! Das ist unverschämt von Ihnen! Das ist Ihre Politik, das haben Sie in den letzten Jahren gemacht!
Sie sind diejenigen, die NGOs, die Menschenrechtsaktivisten wie die Seebrücke kriminalisiert haben! Sie haben bis jetzt keinen einzigen Finger gerührt, um eben die Menschenrechte zu verteidigen, um eben demokratische Rechte zu verteidigen! Und hören Sie auf in diesem Haus, ich werde es nicht zulassen, dass Sie unsere Kolleginnen und Kollegen als Linksradikale und Linksextreme beschimpfen! Weil es ist Ihre Partei, Sie sind der verlängerte Arm der Identitären, die erst vor Kurzem bereit waren, hier eine rechte Miliz aufzubauen! Ihre Politik gefährdet die Demokratie und nicht unsere Politik! Sorry!
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Frau Mag. Aslan! Der FPÖ vorzuwerfen, sie wäre der verlängerte Arm der Identitären, ist genauso unzulässig, wie es auch unzulässig ist, die GRÜNEN als etwas zu bezeichnen. Daher muss ich Ihnen leider einen Ordnungsruf geben.
GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (fortsetzend): Mit Ehre nehme ich diesen Ordnungsruf ...
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Danke. Es tut mir sehr leid, dass ich heute zwei Ordnungsrufe schon vergeben musste, aber was soll ich tun. Bitte fahren Sie fort.
GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (fortsetzend): Danke sehr, ja. Ich will noch zu meinem Schlusswort kommen. Aber das hat jetzt irgendwie sein müssen, weil es nicht sein kann, dass in diesem Raum - es ist nicht würdig für dieses Haus, dass hier dermaßen massiv gehetzt wird, während kilometerweit von uns Menschen im Dreck versumpfen, dreijährige Mädchen vergewaltigt werden auf europäischem Boden, Kinder mitten in der Nacht von Ratten gebissen werden! Wir werden es nicht zulassen, dass man weiterhin gegen diese Menschen hetzt! Wir übernehmen die Verantwortung. Wir haben die Bringschuld in diesem Haus, uns für Menschenwürde, für europäische Werte und auch Menschenrechte weiterhin einzusetzen. weil wir uns für eine solidarische Generation weiterhin einsetzen wollen, weil wir uns einfach für ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen, egal, woher, einsetzen wollen. Ja, Solidarität bedeutet für uns, niemanden zu vergessen. Solidarität bedeutet für uns, füreinander da zu sein. Und deswegen ist es wichtig, hier heute Politik gegen rechte Politik und demokratiefeindliche Politik zu machen! Danke.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr nicht amtsführender Stadtrat Nepp, ich erteile es ihm.
StR Dominik Nepp, MA: Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Bezug nehmend auf die vorigen Wortmeldungen kann man den Grünen wenigstens zu Gute halten, dass sie sagen, was sie sich vorstellen, nämlich dass alle Menschen hier aufgenommen werden sollen, egal, ob das Asylrecht das hergibt oder nicht. Bei allen anderen Parteien, die sich bis jetzt zu Wort gemeldet haben und die zu heiklen Themen anscheinend überhaupt schweigen, ist es doch ein bisschen ein Herumdrücken, und die Redebeiträge sind nicht ganz schlüssig.
Ich sehe mir etwa die Ausführungen des Kollegen von den Neos an: Er hat zuerst gesagt, wie wichtig es sei, diesen Akt beziehungsweise dieses Poststück heute zu beschließen, das sei super wichtig für alle hier in diesem Haus, und jeder, der nicht mitstimme, sei kein weltoffener Mensch, oder wie immer Sie das bezeichnet haben.
Allerdings muss man sagen, dass Sie aber am Ende Ihrer Rede auch offenbart haben, dass die Hilfe vor Ort überhaupt nicht funktioniert. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Hilfe vor Ort und das System im Zusammenhang damit, dass wir beschließen, Geld hinunterzuschicken, nicht funktionieren, dann frage ich mich, warum wir heute diesem Poststück zustimmen! Darin steht ja genau das, was Sie bekrittelt haben, nämlich dass 321.000
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