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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 101

 

punkt nicht entsprechen. Aber Sie müssen sich angesichts dieser Bilder eingestehen, Ihre Hilfe vor Ort hat nicht funktioniert! Die Hilfe vor Ort wie sie die Bundesregierung beschlossen hat, hat nicht funktioniert, und ich komm‘ auch gleich darauf zu sprechen, warum: Weil der Flug des Innenministers in allererster Linie eine PR-Aktion war und die Hilfsgüter nach wie vor nicht dort angekommen sind, wo sie sein sollten!

 

Und auch unsere Beiträge bei der UN-Flüchtlingshilfe sind seit Jahren beschämend. Die Zahlen des letzten Jahres zeigen das ganz deutlich. Deutschland zahlt das 100-Fache von unseren jährlichen Beiträgen, Schweden das 37-Fache, die Schweiz das 10-Fache, das kleine Luxemburg das 3-Fache, und selbst Ikea zahlt mehr in den UNHCR-Flüchtlingsfonds, als es Österreich tut!

 

Aber gut, jetzt muss ohnehin die Evakuierung dieses Lagers oberste Priorität haben. Wir sollten hier unseren Beitrag leisten und solidarisch sein, indem wir insbesondere Kinder und Familien bei uns aufnehmen. Denn eines ist klar, sehr geehrte Damen und Herren: Dafür, dass unsere europäischen christlich geprägten Werte Bestand haben, sorgen nicht irgendwelche Gebetsstunden im Parlament! Entscheidend ist einzig und allein, ob wir diese Werte wie Menschlichkeit und Nächstenliebe auch tatsächlich leben!

 

Bei aller Hoffnung auf ein Umdenken, das ich wirklich nicht aufgeben möchte, ist trotzdem leider zu erwarten, dass die Bundesregierung weiter weder zu substanzieller Hilfe vor Ort noch zu einer Aufnahme von Kindern und Familien aus diesem Elendslager bereit sein wird. Deshalb gehen wir hier heute als Stadt voran und kommen unserer humanitären Verpflichtung nach. Wir haben ein 300.000 EUR schweres Hilfspaket für Sofortmaßnahmen für diese humanitäre Krise geschnürt, und ich freue mich darauf und bin auch stolz darauf, dass wir das heute beschließen werden und bitte hier auch um eine möglichst breite Zustimmung. Danke sehr.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist GR Kunrath, ich erteile es ihm.

 

15.32.05

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kollegen und Kolleginnen! Alle vor dem Monitor!

 

Zu Udo Guggenbichler muss ich jetzt eh nichts sagen, erstens ist er nicht da und zweitens einmal, gerade wer im Glashaus sitzt, sollte weniger mit Steinen werfen und von Moral sprechen. Aber Herr Guggenbichler hat es ja auch für wichtiger gefunden, über Gebührenerhöhungen zu sprechen als darüber, wie es Menschen geht, die derzeit im Schlamm liegen. Das erschüttert schon und das zeigt auch ein bisschen, wo es hingeht. Wenn er von Obdachlosen spricht, die mit Tieren nicht in eine Obdachloseneinrichtung gehen können, dann sollte er einmal mit Leuten wie Herrn Kollegen Prack oder mir sprechen. Dann würde er erfahren, wo es solche Dinge gibt. Die gibt‘s nämlich und Wien hat sich dafür auch immer wieder eingesetzt, dass Obdachlose hier in Wien entsprechend versorgt werden.

 

Aber nicht einmal ganz eine Woche nach dem Internationalen Tag der Menschenrechte - zur Erinnerung: Zur Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung am 10. Dezember 1948 - sprechen wir zu einem Thema, das uns alle eigentlich betreffen sollte. Trotzdem sehen wir alle weiter zu, wie die Menschenrechte hier auf europäischem Boden verletzt werden, und Kollege Konrad wirft das anderen vor, nur sich selbst offensichtlich nicht, mit unterschiedlich gemischten Gefühlen. Auch er hat gegen den Antrag zum sicheren Hafen Wien gestimmt. Die FPÖ stellte letzte Woche den Antrag, das Asylrecht überhaupt gleich auszusetzen. Die VP verhindert im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei in Deutschland und Luxemburg ein Holen von Menschen aus Westbalkan oder Griechenland. Bgm Ludwig hat sich am 4. März noch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen, sich dezidiert dagegen ausgesprochen. Die Reaktionen damals waren überhaupt ganz interessant: Für den Herrn damaligen Vizebürgermeister Dominik Nepp war es eine Provokation der Sonderklasse, zu fordern, dass Kinder nach Wien kommen, eine Provokation der Sonderklasse, wenn man Kinder aus dem Schlamm retten will! Nie wieder darf so etwas passieren, darf sich so etwas wiederholen wie 2015. Floriani-Prinzip pur, nur die anderen sollen was machen, wir sind in der Mitte Europas, uns geht das alles nichts an. Und wie es heute mehrmals von Herrn Dominik Nepp, Kollegen Nepp gesprochen worden ist, er spricht ja nicht von nichtösterreichischem Reisepass, sondern er spricht dann von Menschen, die keine Staatsbürgerschaft haben, heute Vormittag.

 

Katharina Stemberger von der Initiative „Courage - Mut zur Menschlichkeit“ und Christoph Riedl von der Diakonie waren in der letzten Woche rund um den Tag der Menschenrechte in Lesbos vor Ort. Was sie berichten, ist katastrophal und Europa und der Europäischen Union unwürdig. Kara Tepe, das Nachfolgelager von Moria, befindet sich in einer Windschneise auf einem ehemaligen Militärübungsplatz. Kathi Stemberger berichtet von einer grauenhaften Situation: Neugeborene auf dem nassen Boden, kalten Boden liegend, für die Wäschekörbe und Felle gebracht wurden, um sie vom Boden wegzubekommen und die Körbe halb in die Luft zu hängen, weil so die Babys am ehesten gewärmt werden können. Zelte, die nicht winterfest sind, sondern lediglich dünne Wände haben, und Familien, die auf engstem Raum hausen, ich habe es euch letzte Woche gesagt: Fünf Quadratmeter für eine vierköpfige Familie. Aber es sind derart instabile Zelte, die der Wind umweht und die sich dann in den großen Wasserlachen vollsaugen. Es gibt kaum Kanalisation, keinen Strom, kein fließendes Wasser, keine Schule für die Kinder, keine Tagesstruktur, keine Perspektive. Ich hab‘ es letzte Woche berichtet und wiederhole es heute nochmals, auch nach Gesprächen am Wochenende sowohl mit Kathi Stemberger als auch mit „Ärzte ohne Grenzen - MSF“: Die häufigste Versorgung, die es derzeit gibt, ist die Versorgung gegen Rattenbisse bei Kindern, weil die Ratten in der Nacht die Kinder anknabbern. Die Folgen kennen wir alle: Rattenbisse können dazu führen, dass die Pest wieder auf europäischem Boden ausbricht. Aber wir schauen weg, wir setzen das Asylrecht möglicherweise aus. Aber wenn wir wollen, dann können wir gemeinsam Lösungen schaffen! Und wenn wir wollen, können wir an einen Weg

 

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