Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 106
Jeder hat das freie Recht, seine Meinung zu ändern, das ist keine Frage, aber das ist kein Kompromiss in Sachen Wirtschaftspolitik, das ist eine 180-Grad-Wende in Sachen Wirtschaftspolitik. Das wäre auch kein Problem, ginge es um Überschriften und um Worte, aber es geht in Wahrheit schon um etwas anderes, um etwas Größeres. Ich denke, es geht darum, ob die Wirtschaftspolitik dieser Stadt von einem Geist getragen ist, der anerkennt, dass unser Wohlstand, unser Sozialstaat und letztlich auch die so wichtige Frage der Verteilungsgerechtigkeit davon abhängig sind, ob wir wettbewerbsfähig bleiben, davon abhängig sind, ob wir es schaffen, dass das Leben, das Wirtschaften und das Arbeiten in dieser Stadt wieder so einfach wie möglich werden. Wir als Politik haben dabei auch eine Verantwortung, nämlich die Verantwortung, dass die Menschen, die in dieser Stadt leben und jeden Tag hart arbeiten, sich auch etwas aufbauen können, nämlich bescheidenen Wohlstand, Eigentum zum Wohle ihrer selbst und zum Wohle ihrer Familien. Da sich dieser Geist, diese liberale Grundhaltung weder in diesem Budget noch in diesem Programm findet, können und müssen wir als neue Volkspartei daraus wohl schließen, dass wir die einzige verbleibende wirtschaftlich liberale Kraft in diesem Gemeinderat sind.
Was uns wohl eint, um auf einer positiven Note zu enden, ist das Ziel einer gerechten und offenen Stadt, in der jeder Mensch seine Talente zum Wohl der Allgemeinheit entfalten kann. Aber was uns trennt, sehr geehrte Damen und Herren, ist, wie ich glaube, unsere Überzeugung, dass diese soziale Gerechtigkeit nur durch soziale Mobilität erreicht werden kann und nicht durch immer größere Abhängigkeit von einem immer größeren Staat.
Diese soziale Mobilität bedeutet für uns, dass der Staat oder in unserem Fall die Stadt für alle die gleichen guten Grundlagen schaffen muss, vor allem in der Bildung, in der Gesundheit, in der Sicherheit, natürlich auch im Klimaschutz - und wir sind für alles dankbar, was da gelingt -, aber dass darüber hinaus auch jeder Mensch, so wie es jetzt in der Corona-Krise so wichtig ist, darauf vertrauen kann, dass die Allgemeinheit ihm oder ihr hilft, wenn er oder sie es wirklich braucht, aber abgesehen davon, dass wir alle als Individuen, als Familien, als UnternehmerInnen, als Arbeitnehmer so frei und so eigenständig leben können wie nur möglich. Für dieses liberale Weltbild werden wir uns unermüdlich einsetzen, heute und in den kommenden fünf Jahren in diesem Hohen Haus.
Zu diesem Zwecke bringen wir unterschiedliche Beschlussanträge ein, die ich nur kurz in ihren Überschriften zitieren werde. Der erste: Beschlussantrag betreffend Abschaffung der Dienstgeberabgabe, auch genannt U-Bahn-Steuer der Gemeinde Wien, der zweite: Beschlussantrag betreffend Aufhebung des Wiener Valorisierungsgesetzes, der dritte: Beschlussantrag betreffend Tourismuszonen für Wien, der vierte: Beschlussantrag betreffend Reform beziehungsweise Aussetzung der Ortstaxe, der fünfte: Beschlussantrag betreffend volle Transparenz beim U2/U5-Bahn-Bau, der sechste: Beschlussantrag betreffend regelmäßige Vorlage abgelehnter Subventionen und der siebente und letzte: Beschlussantrag betreffend Beseitigung des systemischen Webfehlers in der Stadtverfassung. - Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Tatsächliche Redezeit waren elf Minuten. Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist GR Prof. Kaske, selbstgewählte Redezeit neun Minuten. Ich erteile ihm das Wort.
GR Prof. Rudolf Kaske (SPÖ): Einen schönen Nachmittag! Sehr geschätzter Herr Stadtrat! Geschätzte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates! Geschätzte Wienerinnen und Wiener, die via Livestream dabei sind!
Da das heute, so wie vom Kollegen Gstöttner, meine erste Rede im Gemeinderat ist, gestatten Sie mir auch einige persönliche Bemerkungen. Zum Ersten möchte ich sagen, dass ich mich über die freundliche Aufnahme über die Parteigrenzen hinweg, zumindest in den persönlichen Gesprächen, die ich bisher wahrgenommen habe, freue. Zweitens werde ich versuchen, wie jeder von uns, politisch das Beste für diese unsere Stadt und die Bürgerinnen und Bürger zu geben. Drittens gehört es zu meinem Selbstverständnis, auch anderen zuzuhören, auch wenn man die Meinungen der anderen vielleicht nicht immer teilt. Viertens heißt das auch für mich, politischen Mitbewerbern Respekt entgegenzubringen. Ich sage aber auch sehr offen, dass ich mir das umgekehrt natürlich genauso erwarte.
Meine geschätzten Damen und Herren, damit es aber nicht zu kuschelig wird, möchte ich hier mit klaren Aussagen und Ansagen etwas zur Spezialdebatte sagen. Am Beginn dieser Spezialdebatte zum Bereich Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Stadtwerke möchte ich feststellen: Wer heute nicht investiert, verliert die Zukunft. Jetzt geht es darum, Arbeitsplätze und Unternehmen zu retten, Einkommen zu sichern und zu investieren.
Lassen Sie mich daher noch einmal kurz zurückblicken: Auf Grund der Pandemie ist der Wirtschaftsstandort Wien seit knapp neun Monaten bedroht. Eine der erfolgreichen Maßnahmen, mit denen die Stadtregierung gegengesteuert hat, war der Wiener Gastro-Gutschein - eine Erfolgs-Story und vor allen Dingen eine Win-win-Situation, meine Damen und Herren, einerseits für die rund 7.000 Gastro-Betriebe mit knapp 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auf der anderen Seite für die Wienerinnen und Wiener. Mich hat daher in der Debatte etwas erstaunt, dass dieser Gastro-Gutschein von manchen dieses Hauses ins Lächerliche gezogen worden ist. Ich glaube aber, die Zahlen sprechen für sich, denn mehr als 86 Prozent nahmen den Gutschein in Anspruch und knapp 34 Millionen EUR wurden ausbezahlt.
Wie gesagt, meine Damen und Herren, der Gastro-Gutschein ist eine von vielen erfolgreichen Maßnahmen. Einige andere Maßnahmen wurden ja bereits erwähnt, aber ich darf sie hier noch einmal bringen: Denken Sie nur an die „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH, an die Joboffensive 50plus sowie das Pilotprojekt zur Sicherung der betrieblichen Lehrplätze sowie das Förderprogramm zur Unterstützung der Hotellerie und der Klubszene. Ich bin sehr froh, dass wir einen Bürgermeister und eine
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