Gemeinderat, 60. Sitzung vom 25.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 76 von 100
Ich darf also gute Neuigkeiten in diesem Fall wiederholen. Wir haben eine signifikante Erhöhung des Kulturbudgets, wie sie sehr, sehr lange, ich weiß gar nicht, wann das in der Geschichte in dieser Höhe jemals der Fall war, nicht zu sehen war, eben vor dem Hintergrund einer Zielvorgabe, die erreicht wurde, eben ein ausgeglichenes Budget ohne neue Schulden. Das Budget beläuft sich auf 279,4 Millionen EUR, das sind 26 Millionen EUR mehr gegenüber dem Voranschlag 2019, das ist eine 10,32-prozentige Steigerung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Aber, wie gesagt, das ist eine Notwendigkeit von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in allen Bereichen. Wir müssen alles tun, um im Wettbewerb mit anderen Metropolen auch wirklich bestehen zu können und auch hier weiter die Nase vorne haben zu können. Wir brauchen auch diese Weiterentwicklung als Hauptstadt für Kultur und mit hehren Zielen auch als Hauptstadt als Wissenschaftsstadt, denn wir sind die größte Wissenschaftsstadt im deutschsprachigen Raum mit über 200.000 Studierenden. Ich glaube, da geht es auch darum, die Synergien und Vernetzungen einfach zu fördern und auch stärker sichtbar zu machen.
Wie wirken sich die Steigerungen 2020 aus? Was ist der Punkt, der alle zusammenhält? Für mich war ganz entscheidend, etwas zu tun, was vielleicht im politischen Dasein sonst nicht so der Fall ist. Jeder schneidet ja gerne irgendwie ein Bändchen durch und eröffnet ein Gebäude, hier geht es aber darum, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, und zwar ganz bewusst der Mensch einerseits als Zuschauer, als Publikum und andererseits als künstlerischer Produzent und auch als WissenschaftlerIn. Im Fokus sind also Kunstschaffende und KünstlerInnen in allen Sparten.
Wir haben doch schon im zweiten Bericht zur sozialen Lage der Kunstschaffenden gehört: eine erschreckende Bilanz, prekäre Arbeitsverhältnisse, Leben am Existenzminimum. Wir haben es gehört, es sind aber nirgendwo Taten gefolgt. Ich glaube, alle waren konsterniert und geschockt. Die eigene Erfahrung zeigt, wir leben in einer Zeit, wo es seit über 30 Jahren einen total überhitzten Kulturbetrieb gibt. Viele versuchen, mehr und mehr zu produzieren, bei Selbstausbeutung, auch bei der Ausbeutung anderer, weil sie nicht wissen, wie sie es sonst schaffen können. Diese quantitative Steigerung des Angebots hat aber nicht immer auch eine qualitative Steigerung zur Folge. Nach ein paar Jahren sind die Leute und die KünstlerInnen und Kunstschaffenden von diesem prekären Dasein geprägt. Ich sehe sehr stark, man kann das über die Jahre und Jahrzehnte hinweg statistisch verfolgen, was fehlende Valorisierungen, und so weiter auch in einem strukturellen Gefüge anrichten. Wir haben es auch jetzt am Volkstheater erlebt. Es gibt hier also einiges zu tun. Am Ende sind die Leidtragenden die Künstlerinnnen und Künstler, die einer drohenden Altersarmut entgegensehen.
Während also auf Bundesebene eben nichts passiert, handelt die Stadt Wien. Sie geht in Vorlage, egal, wie der Bund jetzt gerade agiert oder eben nicht agiert, denn wenn wir diese alte Politik des ständigen Junktimierens der einen Handlung an die andere verfolgen würden, würde überhaupt nichts passieren. Ich denke, hier tanze ich diesem Land gerne etwas vor. Ich glaube, das ist die richtige Politik. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Natürlich muss ich hier die hohen Erwartungen, die in mich gesetzt sind, etwas zurückschrauben und dämpfen. Natürlich ist das ein erster Schritt, es ist unmöglich, die Lösung dieser Probleme zu vollziehen, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein Schritt, der in vielen Bereichen und vielen Sparten zu einer Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen führt.
Wir wissen, das kulturelle Angebot dieser Stadt ist enorm und überbordend, aber das bedeutet für mich, ich möchte, wenn wir jetzt auch diverse Institutionen, Projektförderungen, Gruppen mehr fördern, keine Steigerung der Quantität erreichen, es sei denn in den Bezirken, das ist ein eigenes Kapitel, ein anderes Thema. Ich möchte, dass dieses Geld zu fairen Gagen führt, zu einer Verbesserung der sozialen Lage der Künstler, dass die überhaupt in die Lage versetzt werden, selber für Pensionszahlungen zu sorgen oder dass Künstler auch überhaupt engagiert werden können. Das ist ja das große Problem. Ich habe tagtäglich mit Künstlern zu tun, die sagen, dass sie zwischen 300 und 600 EUR bekommen werden, wenn sie in Pension gehen, das heißt, die Pensionsbescheide sind wirklich erschreckend gering. Hier kommt etwas auf uns zu, und wir müssen jetzt dieser Entwicklung Einhalt gebieten.
Das heißt, ich habe es Care und Repair genannt, wir versuchen eben, diesen Fördergedanken mit dem Fair-Pay-Gedanken zu verbinden, und Sie haben recht, das muss natürlich die Szene für sich selber bestimmen. Ich greife nicht in kaufmännische Leitungen ein, dafür bin ich nicht da, aber ich kann natürlich den Fördergebern, den Juroren, den Beiräten das sehr stark ans Herz legen, diesen Aspekt mitzubedenken und auch bei ihren Evaluierungen zu schauen, inwieweit dem auch Rechnung getragen wurde.
Wir führen seit einem Jahr einen ständigen Dialog. Es werden daher aber auch die Rahmenbeträge erhöht. Wir stärken die Projektförderungen für die freie Szene im Bereich Tanz, Theater und Performance. Wir erhöhen die Betriebsmittel im Bereich der Veranstalter, denn diese laden ja auch wiederum andere Gruppen und Künstler und Künstlerinnen ein, hier ihre Arbeiten zu zeigen. Das ist sehr wichtig.
Ich stärke auch das Volkstheater, um einen Neustart zu erleichtern. Auch hier spreche ich von einem Anfang. Ich hoffe, wenn wir endlich wieder ein Vis-à-vis im Bund haben werden, und wenn das dann ein kluges Vis-à-vis ist, was ich sehr hoffe, dann wird dieser sehr schnell feststellen, dass es eine dringende Notwendigkeit ist, das Volkstheater ganz anders aufzustellen und besser zu dotieren. Über dieses Thema und über die Bestellung von Kay Voges, von dem ich sehr überzeugt bin, würde ich gerne mit Ihnen länger sprechen, aber ich glaube, heute ist nicht der Platz dafür, aber jederzeit sonst. Meine Türen sind ja, wie Sie wissen, immer offen.
Wir müssen also zeitgemäße Infrastrukturen als Voraussetzung für künstlerische Arbeit schaffen. In vielen
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