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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 28.11.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 51

 

braucht es unbedingt auch neue Männerbilder, es braucht da mehr Sensibilität.

 

Ich finde es - ich habe es an dieser Stelle schon gesagt - extrem kontraproduktiv, wenn Frauenorganisationen weniger Mittel bekommen, denn sie brauchen mehr Mittel. Sie arbeiten für die Gleichstellung von Frauen, und das auf verschiedenen Stellen: Sie arbeiten auf der Bewusstseinsebene, auf der Bildungsebene, sie arbeiten auf der wissenschaftlichen Ebene, sie arbeiten im arbeitsmarktpolitischen Kontext. Sie unterstützen Frauen, wenn sie von Gewalt betroffen sind, bei Fragen wie: Wie komme ich aus der Gewaltspirale heraus? Wo finde ich Arbeit? - Denn meistens ist mit der Erfahrung von Gewalt verbunden, dass die davon Betroffenen ihren Arbeitsort, ihren Wohnort wechseln müssen. Da kommt es also zu ganz viel Veränderung. All diese Arbeiten leisten Frauen, und daneben brauchen sie Unterstützung, um auch ihre seelische Heilung vorantreiben zu können.

 

Hier sind also extreme Profis am Werk. Ich kann mich jedes Mal, wenn ich eine Einrichtung besuche, wirklich davon überzeugen, und ich lade Sie ein: Besuchen Sie diese Einrichtungen! Sie sind offen für Gespräche. Schauen Sie sich an, welche großartige Arbeit dort geleistet wird!

 

Diese Arbeit geht nicht ohne Geld, das ist klar. Da braucht es Unterstützung. Es ist kontraproduktiv, beim Erhöhen von Strafausmaßen anzusetzen - das ist okay, wenn man sagt, das ist ein gesellschaftliches Bekenntnis, dass wir das nicht wollen, aber da ist die Tat schon passiert! Den Frauen hilft, wenn vorher Unterstützung kommt, wenn sie vorher genug Geld haben, damit sie ausziehen können, wenn sie vorher genug Geld haben, um sagen zu können: Ich brauche dich nicht, mein Leben kann ich eigenständig führen!

 

Wenn Frauen dieses Selbstbewusstsein schon von klein auf mitbekommen, dass sie als Frau, als Mädchen gleichwertig sind, wenn sie ihre Rechte über die Schule, über die Gesellschaft vermittelt bekommen, dann würden wir, glaube ich, wirklich gut vorankommen, um die Gewaltzahlen senken zu können. Daher hier ein großer Appell an den Bund: Denken Sie darüber nach! Geben Sie den Fraueneinrichtungen diese Ressourcen, die sie brauchen, um Gewalt an Frauen verhindern zu können. Dafür braucht es ein multiprofessionelles Team, und es braucht sehr viele verschiedene Maßnahmen.

 

Ich denke, was noch notwendig ist, um im Gewaltschutz voranzukommen, ist eine rechtliche Verbesserung. Wir haben hier schon öfter festgestellt, dass es im Rechtsschutz Lücken gibt - der Bereich Cybergewalt ist nur ein Beispiel dafür -, und diese Lücken müssen geschlossen werden. Wie gesagt, im Wegweisebereich wäre auch darüber nachzudenken, ob nicht auch eine U-Haft sinnvoll ist, gerade in Hochrisikofällen.

 

Ich meine auch, dass wir uns genau anschauen müssen, inwiefern wir Mädchen vielleicht zukünftig noch besser unterstützen können, wenn sie von Gewalt bedroht sind: Haben sie ausreichende Informationen, wo es für sie sichere Orte gibt? Haben sie ausreichend Informationen, wer sie beraten kann? - Auch da gilt es also, noch einmal genau hinzuschauen.

 

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, auf ganz vulnerable Frauengruppen hinzuschauen, wie beispielsweise auf obdachlose Frauen. Versteckte Obdachlosigkeit macht Frauen wirklich sehr, sehr abhängig. Wenn sie sich, um nicht auf der Straße schlafen zu müssen, bei irgendwelchen Bekannten einquartieren, sind sie damit derartig abhängig, dass es nicht verwundert, wenn gegen sie Gewalt ausgeübt wird. Schauen wir daher auch auf die ganz verletzlichen Personengruppen unter den Frauen, dass auch sie Schutzräume haben, dass sie Wohnungen haben, dass sie Anlaufstellen haben.

 

Ich denke, in der Erkennung von Gewalt ist auch das Gesundheitssystem gefordert. Hier braucht es wirklich auch Schulungen. Wir haben in Wien Opferschutzgruppen in den Spitälern. Soweit ich das einschätzen kann, arbeiten die sehr gut, aber auch mit zu wenig Ressourcen. Ich denke, da können wir noch mehr tun - dies ist mein Appell an den KAV.

 

Wie gesagt, die opferschutzorientierte Täterarbeit muss ebenfalls dringend ausgebaut werden, denn wir werden das Verhältnis zwischen Männern und Frauen nicht verändern, indem wir nur auf der Seite der Frauen arbeiten, sondern nur, indem wir auch ganz bewusst Täterarbeit leisten. Auch das braucht Ressourcen.

 

Insgesamt, denke ich, hilft es Frauen, wenn sie ökonomisch eigenständig sein können, das heißt, eine gute Ausbildung und gute und sichere Arbeitsplätze haben. Es hilft ihnen, wenn wir einen starken Sozialstaat, ein starkes Sozialsystem haben. Darum bin ich wirklich so eine Bekämpferin der möglichen Abschaffung der Notstandshilfe, denn das ist noch einmal eine Verschärfung der Abhängigkeit von Frauen.

 

Ich denke, der Schutz für Frauen hängt nicht an irgendwelchen Lippenbekenntnissen, sondern sie brauchen ganz konkrete Taten. Taten sind Ressourcen in Unterstützungseinrichtungen, Taten sind Solidarität, Taten sind klare Worte, wenn es um Gewalt an Frauen geht.

 

Wien hat eine sehr umfassende Antigewaltstrategie. Dazu gehört, dass wir die Frauenberatungseinrichtungen, die Mädchenberatungseinrichtungen absichern, gut absichern. Dazu gehört, dass wir in allen Bereichen darauf schauen, dass Frauen sicher, unabhängig, selbstbestimmt und eigenständig leben können. Dazu gehört, dass wir Kampagnen fahren, die Bewusstsein schaffen, die Aufklärung schaffen, die Sichtbarkeit schaffen für die Einrichtungen, für Anlaufstellen.

 

Bevor ich zum Schluss komme, noch ein paar Worte zu diesem Kleinprojektetopf: Dieser Kleinprojektetopf, der mit 130.000 EUR dotiert ist, ist eine sinnvolle Maßnahme. Warum ist sie sinnvoll? - Es ist ein Topf, wo wir den MitarbeiterInnen des Magistrats das Pouvoir geben, dass sie mit bis zu 5.000 EUR Projekte, die einen frauenspezifischen Fokus haben, unterstützen können. Die Antragsteller tragen sich in die Antragsliste ein, müssen das Projekt erklären, dieses wird genau und ganz streng geprüft - ich höre eher, die Auflagen sind viel zu hoch, als dass sie zu niedrig wären -: Ist das ein gutes Projekt? Ist das Projekt im Sinne unserer Strategie? - Erst dann wird freigegeben.

 

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