Gemeinderat, 44. Sitzung vom 27.11.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 100
können wir das nicht! Wir können Antisemitismus nicht ignorieren! Wir können Weltverschwörungstheorien nicht ignorieren! Hier braucht es klare Worte! Und ich wende mich hier auch an die Kollegen und Kolleginnen der ÖVP. Es ist auch die Verantwortung der ÖVP, auf Regierungsebene dafür zu sorgen, dass hier nicht in Koalitionsräson darübergegangen wird, wo längst gesellschaftspolitische, demokratiepolitische Grenzen überschritten wurden (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.), und das werden sie permanent von Ihren Regierungspartnern! (Aufregung bei der FPÖ.) Das ist eine rückwärtsgewandte Politik, und wir müssen aufpassen, dass die offene Gesellschaft, für die wir eintreten, eine offene weiterhin bleibt.
Bedenklich finde ich auch auf Bundesebene, dass die ÖH angegriffen wird. Die ÖH soll ihre Wahlen in einer Zeit machen, wo Prüfungen stattfinden. Das ist natürlich mit dem Wahlvorgang insgesamt sehr schwer zu verbinden. Ich denke, dahinter steht, dass die ÖH als kritischer Teil der Zivilgesellschaft geschwächt werden soll. Auch das ist aufs Heftigste zurückzuweisen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine gesellschaftspolitisch oder demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung, wenn hier das Wahlrecht erschwert wird. (GRin Veronika Matiasek: Sie wissen aber schon, wie hoch die Wahlbeteiligung bei der ÖH ist!) Mit Wahlbeteiligung hat das nichts zu tun. Fakt ist, wenn die Wahlen in eine Zeit gelegt werden, wo die Studierenden Prüfungen abzulegen haben, dass sich die damit sicher nicht erhöhen wird. (GR Mag. Wolfgang Jung: Es geht sich aus, daneben zu wählen!) Doch, das ist die Wahrheit.
Wien aus meiner Sicht geht hier wirklich den anderen Weg, und darauf sind wir stolz, dass hier eine rückwärtsgewandte gesellschaftspolitische Haltung in keinster Weise Platz hat. Wir sind eine offene Gesellschaft, wir stehen für eine offene Gesellschaft. Wissenschaft braucht ihren freien Raum, ganz, ganz wichtig. Dafür sorgen wir, das stellen wir sicher. Was mir aber auch an dieser Stelle wichtig ist zu sagen: Wissenschaft im Elfenbeinturm kann es auch nicht geben. Wissenschaft braucht Kontroverse, damit sie sich selbst kontrollieren kann, damit sie aber auch in Diskurs mit der Gesellschaft gehen kann und hier auch Partizipation, Austausch, Wissenstransfer möglich sind und auch eine Reflexion.
Die schon von mir angesprochene Tagung der Sozialwissenschaften hatte ein sehr, sehr schönes Motto, nämlich „Reflexion“. Ich schaue gerade in meine Unterlagen, Entschuldigung, jetzt habe ich ... Nein, ich bin gleich weg zu Ihrer Freude. Aber ein paar Minuten seien mir noch gegönnt. Es geht um das Motto „Diagnose, Reflexion und Antizipation“. Ich finde, das ist ein sehr, sehr schönes Motto, und nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Politik, auch für die Wissenschaftspolitik. Das können wir uns mitnehmen. Das können Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren auch von der Opposition, vielleicht einmal anschauen, wie es ausschaut mit Diagnose, Reflexion und Antizipation.
Wien als Wissenschaftsstandort ist gesichert. Wir werden hier alles tun, dass es weiterhin einen guten Austausch und Dialog gibt und Wien als weltoffene Stadt weiter attraktiv für alle Forscherinnen und Forscher bleiben wird. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Das waren jetzt 11 Minuten, Restredezeit der GRÜNEN wäre noch 5 Minuten. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Nittmann.
GRin Mag. Ulrike Nittmann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werte Kollegen und sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne!
Vielleicht zu Beginn ein Wort zu meinen Vorrednern, zum Herrn Gara und zur Frau Huemer. Bitte machen Sie sich keine Sorgen um die Freiheit der Wissenschaft in Wien. Wir, die Freiheitlichen, stehen für die Freiheit der Wissenschaft. Wir stehen zum Staatsgrundgesetz aus 1867, das letztendlich Ausfluss der Freiheitsbewegung von 1848 war. Sie brauchen sich nicht zu sorgen. (Beifall bei der FPÖ.)
Und, Frau Kollegin Huemer, der Antisemitismus geht nicht von uns aus. Der neue Antisemitismus geht vom politischen Islam aus. Das ist das Problem der heutigen Zeit. Nicht wir. (Beifall bei der FPÖ.)
Aber so wie wir für die Freiheit der Wissenschaft stehen, stehen wir selbstverständlich auch für die Freiheit der Kunst. Sehr geehrte Frau Stadträtin, Sie sind seit Mai 2018 bei uns, was uns sehr freut, weil Sie eine langjährige Geschichte beendet haben, nämlich die des StR Mailath-Pokorny, der in der Kultur mehr verwaltet als gestaltet hat. Es war schon bei Ihrer Antrittsrede sehr erfrischend und sehr positiv, dass Sie gleich den Anspruch auf Transparenz in der Kulturförderung für sich vereinnahmt haben und Wien auch als Musikhauptstadt durchaus in den Mittelpunkt Ihres Interesses stellen wollen. Das liegt sehr auf unserer Linie, weil auch wir wollen Wien, die Musikhauptstadt Wien, wieder den Ruf zukommen lassen, der Wien auch die internationale Anerkennung gebracht hat. Sie haben uns aber nicht nur Ihre Neuausrichtung bei Ihrer Amtsantrittsrede wissen lassen, sondern was Sie auch gemacht haben und was ganz neu ist in dieser Stadt, und das ist eh schon mehrmals angesprochen worden, Sie haben gehandelt. Sie haben gehandelt und nicht nur geredet. Unmittelbar nach Ihrem Amtsantritt haben Sie bei den Wiener Festwochen die Reißleine gezogen. Das war einmal eine ganz eine tolle Sache, ich habe das auch schon in meiner letzten Rede positiv vermerkt. Auch wurde klar, dass beim Volkstheater der Vertrag mit der derzeitigen Intendantin nicht verlängert wird und Sie über eine Neuausrichtung des Volkstheaters nachdenken.
Ich glaube aber, dass es nicht allein reichen wird, sich über die Neuausrichtung des Volkstheaters Gedanken zu machen. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Punkt, dass man sich grundsätzlich über die Theaterlandschaft in Wien, und damit meine ich Sprech- und Musiktheater, Gedanken macht und bitte, nehmen Sie bei dieser Gedankenreise das Publikum mit. Nehmen Sie das Publikum mit, nämlich deshalb, wir reden hier auch von Steuergeldern, die von allen Wienern und Wienerinnen bezahlt werden und somit auch von denen, die auch die Wiener Theater, Musik- und Sprechtheater, konsumieren wollen. Demokratisieren Sie in dem Sinne die
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