Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 70
vielleicht eine leise Erfahrung demnächst da auch machen können. Es ist kein Geheimnis, dass ich denke und auch öfters gesagt habe, dass es nach einem gewissen Zeitraum auch gut ist, wenn man sich aus der Politik zurückzieht. Ich finde, dass man nicht allzu lange in der Politik sein sollte. 24 Jahre Bürgermeister, 35 Jahre im Gemeinderat, 30 Jahre in der Regierung, wenn man Ihre Zeit als Stadtrat dazunimmt, sind eine sehr lange Zeit. Man kann darüber diskutieren, dass auf der anderen Seite vielleicht die Steilvorlage Matthias Strolz auch nicht von allen so gut gesehen wird. Aber ich glaube, es gibt etwas dazwischen. Ich hoffe, diese Mitte zu finden. Ich sage, ich werde nicht 30 Jahre in der Politik bleiben, aber auch mich nicht nach 7 Jahren verabschieden. Ich glaube jedenfalls, dass es wichtig ist, immer frisch, visionsreich und kräftig in der Politik zu bleiben und sich da nicht zerreiben zu lassen. (Beifall bei den NEOS.)
Was aber auf jeden Fall bleiben wird, Herr Häupl, ist eine Persönlichkeit, die zu einer Kultfigur geworden ist. Ich habe Videos von Ihnen gesehen und weiß, dass Sie auch mit jungen Menschen sehr gut umgehen können. Sie sind eine Kultfigur, und ich glaube, es gibt ganz viele, die am liebsten mit Ihnen auf einen Kaffee oder vielleicht auf einen Spritzer gehen, aber das ist ja letztlich der Respekt, der Ihnen zu Recht entgegengebracht wird. Ich bin mir sicher, dass Sie nicht nur auf Grund der Amtszeit, sondern auch auf Grund Ihrer Leistungen sich einreihen können in die Riege der großen Bürgermeister wie Helmut Zilk oder Leopold Gratz.
Und abschließend die Frage: Werden Sie mir fehlen? Ja, ganz ehrlich, Sie werden mir fehlen. Ich danke Ihnen für den Dienst an unserer Stadt, den Dienst an den Wienerinnen und Wienern, Ihr Rückgrat, Ihre Haltung in schwierigen Fragen, Ihre Leidenschaft und Energie. Ich wünsche Ihnen wirklich alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei NEOS, SPÖ, GRÜNEN und ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist der Herr GR Mag. Juraczka. Ich erteile es ihm.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Ehrengäste! Vor allem aber sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Michael Häupl!
Für einen Oppositionspolitiker ist die Vorbereitung auf so eine Rede gar nicht so einfach. Man weiß ja, dass nicht nur jedem Beginn, sondern auch jedem Abschied ein gewisser Zauber innewohnt, und so neigt man in derartigen Situationen sehr oft dazu, zu verklären, sentimental zu werden, zu schmeicheln. Ich verspreche eines, ich werde mich zusammenreißen. Aber nicht nur, weil du es wahrscheinlich nicht gewohnt wärst, von mir nur Lob zu erfahren, sondern auch, weil deine vielgerühmte Bescheidenheit damit nur schwer umzugehen wüsste. Andererseits, meine Damen und Herren, jetzt, hier, heute eine harte, trockene, humorlose Abrechnung zu betreiben, hätte zumindest aus meiner Sicht drei fundamentale Nachteile.
Erstens wäre es kindisch, zweitens wäre es in hohem Maße unhöflich und drittens in seiner Einseitigkeit wohl so auch nicht ganz wahr. Denn bei allen Unterschieden - und du hast deine heutige Abschiedsrede ja auch dazu genutzt, inhaltliche Abgrenzungen wieder auf den Tisch zu legen - ist eines, glaube ich, klar: 24 Jahre an der Spitze unserer Stadt, das kann kein Zufall sein. 24 Jahre Bürgermeister beziehungsweise Landeshauptmann, 25 Jahre an der Spitze einer Landespartei, auch beeindruckend - wobei mir, der ich das auch einmal geschnuppert habe, die wirklich große Verantwortung dieser Funktion bewusst ist -, 30 Jahre Mitglied der Wiener Landesregierung oder, wie heute schon mehrfach gesagt wurde, 35 Jahre Wiener Gemeinderat.
Nur um das Ganze auch in Relationen zu setzen, meine Damen und Herren: Als der junge Michael Häupl 1983 hier in den Wiener Gemeinderat eingezogen ist, da trat ein gewisser Bruno Kreisky gerade von der politischen Bühne. Unmittelbare Kausalitäten sind nicht übermittelt, weiß ich nicht, aber jedenfalls, als 1988 dann Michael Häupl hier als Umweltstadtrat aufrückte, wurde gerade der 41. amerikanische Präsident vereidigt, ein gewisser George Bush, aber nicht wie die jungen hier vielleicht meinen könnten, der George W., nein der Vater, George Herbert Walker Bush, ist damals angelobt worden. Auch das erwähne ich, nur um hier zeitliche Distanzen aufzuzeigen. Das Jahr 1994, als Michael Häupl dann als Bürgermeister dieser Stadt vorstand, hat sich Österreich, es wurde heute schon gesagt, mit fast Zweidrittelmehrheit in einer Volksabstimmung für den EU-Beitritt ausgesprochen. Helmut Kohl hat damals wieder einmal eine Bundestagswahl gewonnen, diesmal gegen Rudolf Scharping, ein großes Idol meiner Jugend, Ayrton Senna, ist damals verstorben und - du hast es ein bisschen mit Spitälern - das Wiener AKH ist nach einer sehr, sehr schwierigen Vita jedenfalls zumindest eröffnet worden. Es war, ist man heute geneigt zu sagen, jedenfalls ein anderes politisches Zeitalter, eine andere politische Epoche.
Mich hat ja sehr amüsiert, als in der letzten Ausgabe der Wochenzeitschrift „News“ die Innenpolitikjournalistin Julia Ortner in einem aktuellen Porträt über deine Person eine Fragestellung aufgebracht hat, die 1994 ganz offensichtlich Politikjournalisten wirklich bewegt hat, nämlich: Kann der scheue Intellektuelle Michael Häupl den Volkstribun Helmut Zilk ersetzen? Also das mit dem scheuen Gemüt, der Gschamigkeit, ich weiß nicht, wie das deine Gattin sieht, aber ich glaube, das haben wir ganz gut hingebracht. Du kannst ja mittlerweile sogar über die Austragung Olympischer Spiele abstimmen lassen, ohne rot zu werden. Dass du ein Intellektueller bist, zeigt sich leider Gottes manchmal auch darin, dass du mit mir beispielsweise viel lieber über die umstrittene Bodenreform des Salvador Allende im Chile der frühen 1970er Jahre diskutierst als über die Probleme der Verkehrspolitik des rot-grünen Wien im Jahr 2018.
Ich möchte jetzt gar nicht auf all die Dinge eingehen, die du heute angesprochen hast, denn dass es bei den Themen Bildung, Budget und Integration ganz unterschiedliche Ansätze gibt, das ist bekannt. Nur ein Mal erlaube man mir, dass ich doch ernst werde, weil ich das so grundsätzlich anders sehe. Du hast gesagt: Was hätten wir denn 2015 machen können? Hätten wir einen
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