Gemeinderat, 35. Sitzung vom 27.04.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 124
antisemitischer Persönlichkeiten, wie beispielsweise des Bürgermeisters Lueger, den wir ja an anderer Stelle hier auch diskutiert haben, manifestiert.
Und es gibt natürlich auch den Antisemitismus von links außen, der manchmal eine kompromisslose Unterstützung für die Palästinenser oder auch in einer einen antisemitisch konnotierten Rhetorik bei Globalisierungsgegnern anzutreffen ist.
Das alles sind die verschiedensten Formen. Und ich denke, wir in unserer Gruppe sind am besten Weg zu sagen: Man kann nicht das eine gegen das andere aufrechnen, all diese Formen sind abzulehnen.
Mein Vorredner hat es auch schon angesprochen, was mir sehr wichtig ist, wir haben ja schon den nächsten Termin für diese Arbeitsgruppe: Jedes Jahr im Sommer wird weltweit der Al-Quds-Tag begangen - er wird auch immer wieder Internationaler Jerusalem-Tag genannt und ist in der arabischen Welt mitunter auch ein gesetzlicher Feiertag -, der leider Gottes immer wieder dazu verwendet wird, massiv gegen den Staat Israel zu hetzen, mittlerweile auch in Mitteleuropa, in den letzten Jahren immer wieder auch in Wien. Dazu haben sich - zumindest in der letzten Arbeitskreissitzung - alle Parteien geäußert: Wir wollen diese antisemitischen Äußerungen in dieser Form nicht. Hoffentlich finden wir auch ein geeignetes Werkzeug, bei aller Notwendigkeit der freien Meinungsäußerung und bei aller Notwendigkeit des Rechts auf Demonstration, hier solchen Umtrieben Einhalt zu gewähren.
Meine Damen und Herren, Österreich im Allgemeinen, Wien im Speziellen hat eine große jüdische Tradition. Ich ersuche nur - und wir hatten ja heute schon mehrfach den Anlass dazu - hier Dinge nicht zu vermischen. Es ist natürlich auch zulässig, andere Meinungen zu kritisieren. Es ist natürlich zulässig, wenn politisch links stehende Menschen beispielsweise die Regierung Netanjahu kritisieren. Selbstverständlich geht das, und es ist selbstverständlich auch möglich, wenn bürgerlich-konservative Kräfte linke Thesen wie beispielsweise bei George Soros als problematisch erkennen. Und da diese Soros-Diskussion jetzt immer wieder im Raum steht, sage ich ganz offen: Die Art und Weise, wie Viktor Orbán, der - auch das wurde heute schon gesagt - durchaus Mitglied der EVP ist -, diese Diskussion im ungarischen Präsidentschaftswahlkampf geführt hat, hat mir nicht gefallen. Das ist nicht in Ordnung. Ich denke aber, dass Kritik an George Soros jedenfalls möglich sein muss. George Soros ist ja kein Geist und kein Gespenst, der nur interpretiert werden darf, er spricht ja auch selbst. Und wenn man sich zuletzt seine Interviews angesehen hat, wie er da beispielsweise anlässlich der deutschen Bundestagswahl mit honorigen Menschen der deutschen Innenpolitik wie dem nunmehrigen Innenminister Horst Seehofer umspringt, darf man durchaus Kritik üben.
Aber wir dürfen uns jetzt in dieser Situation schon auch darüber im Klaren sein, meine Damen und Herren, dass diese Stadt eine große jüdische Tradition hat und dass wir uns, wenn wir von Antisemitismus reden, nicht nur der Mitschuld mancher unserer Vorfahren bewusst sein müssen, sondern, dass wir uns auch einer ausgesprochenen Verbundenheit bewusst sein dürfen. Es kann kein Zufall sein, dass Theodor Herzl den „Judenstaat“ in dieser Stadt geschrieben und auch in dieser Stadt verlegt hat, meine Damen und Herren. Und wir wissen, welch große jüdische Tradition Wien hat. Daher ist mir eines ganz wichtig, da sehr oft davon gesprochen wird, was denn alles zu welcher Gesellschaft dazugehöre, oder auch nicht: Das Judentum, die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören jedenfalls zu Österreich. Sie gehören zu Wien wie das Riesenrad und der Stephansdom, und dessen sollten wir uns an dieser Stelle auch bewusst sein. - Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und von StRin Ursula Schweiger-Stenzel.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Ich erteile es ihm.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren.
Ich finde es großartig, wenn es von allen ernst gemeint ist, dass wir gemeinsam mit 100 Gemeinderäten, Gemeinderätinnen eine Arbeitsdefinition von Antisemitismus beschließen, die wir nicht selbst erfunden haben, sondern eine Definition als Grundlage für die weitere Arbeit zu übernehmen. Jetzt haben wir heute eine Diskussion rund um George Soros gehabt, die jetzt noch einmal kurz angesprochen wurde. Im Zusammenhang damit empfehle ich allen, die es ernst nehmen, dass wir Antisemitismus auf allen Ebenen bekämpfen, einen Text, der sehr einfach erklärt, was geht und was nicht geht, was eine normale Kritik an jemandem und an einer Geschäftspraxis ist und wann die antisemitischen Codes beginnen. Da muss man nicht wahnsinnig weit zurückblättern, Sie finden den Artikel im „Standard“ vom 22. April. Sie finden den Artikel leicht, wenn sie es googeln mit „Gudenus gegen Soros“. Das Problem ist nicht allein der Antisemitismus. Da geht es darum, dass ein Politologe aus Ungarn nach Orbáns Wahlerfolg gemeint hat, diese Art und Weise des Umgangs von Orbán mit Soros wird sich wohl in Europa ausweiten, denn das funktioniert dort gut, also werden es andere rechte, rechtskonservative, rechts außen, rechtsextreme Parteien nutzen. So ähnlich, wie das Wording dort funktioniert hat, so ähnlich ist es jetzt auch vorgekommen - der Text erklärt das etwas genauer -, eben nicht die Kritik an irgendeiner Hedge-Fonds-Praxis, eben nicht ein genaues Feld - diese Vorgangsweise habe ich nicht gut gefunden -, sondern allgemeine Verdächtigung in den Raum stellen, je unkompletter, desto besser. Und da müssen Sie halt auch die Definition, die wir dann jetzt gemeinsam abstimmen, genau durchlesen, denn wer die verinnerlicht, wird sehen, wenn wir das ernst nehmen, dann geht das eine nicht. Das passt einfach nicht zusammen. Und dann muss man vielleicht auch sagen, das wollte ich nicht, da muss man halt dazulernen in der Frage und sagen, okay, wenn das so ist und offensichtlich alle sagen, wenn du das so sagst, ist es ein antisemitischer Code, der wird so verstanden, dann könnte man ja auch dazulernen und es wenigstens kein zweites Mal verwenden, oder keine drittes Mal.
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