Gemeinderat, 27. Sitzung vom 28.09.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 94 von 102
wie man sich eigentlich eine Reduktion der Akutbetten vorstellt. Sie können nicht so ohne Weiteres Akutbetten reduzieren, auch wenn diese durch den hohen Personalstand teuer sind. Bevor Sie Akutbetten reduzieren, müssen Sie eine Übergangspflege installieren. Für diese Übergangspflege brauchen Sie ein Entlassungsmanagement. Und wenn die Übergangspflege im Rahmen der Rehabilitation nicht ausreicht, brauchen Sie Pflegebetten. Das heißt, im Grund genommen haben Sie eine ganze Kadenz an Notwendigkeiten, die Sie einleiten müssen, bevor Sie daran denken, Akutbetten zu reduzieren. Interessant sind auch die Bürokratiefolgekosten, bei denen Österreich durchaus mit Deutschland verglichen werden kann und die sich zu meinem, fast kann man schon sagen, Entsetzen im nächsten Jahre noch verstärken. Wir haben grundsätzlich, und es gibt entsprechende Vergleichsstudien, ein Drittel der Arbeitszeit der medizinischen Berufe für eine Mehrfachdokumentation ohne medizinischen Mehrwert. Es werden, das kann man ungefähr schätzen, wenn man jetzt eine deutsche Studie auf Österreich interpoliert, in Österreich mindestens 3,5 Milliarden für eine Gesundheitsbürokratie ausgegeben, ohne dass das einen medizinischen Mehrwert hat. Und diese Problematik, diese Mehrfachdokumentation, vermehrt sich im nächsten Jahr noch im Rahmen der Ambulanz. Ich möchte es noch einmal wiederholen: Das Wiener Spitalskonzept 2030 ist kein Wiener Spitalskonzept. Mehr als die Hälfte aller Fondsspitäler sind nicht beinhaltet. Vor allem bei der flächenmäßigen Versorgung Wiens gibt es doch erhebliche Probleme, die im Spitalskonzept 2030 nicht erwähnt werden. Nehmen wir zum Beispiel die nördlichen Bezirke 21 und 22, die lediglich 2 funktionierende Spitäler haben im Unterschied zum anderen Bereich, der 20 hat. Die unfallchirurgische Versorgung wird durch die Umwandlung des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhauses in ein Reha-Zentrum weiter verschlechtert. Den günstigen Weg an sich von Floridsdorf zum Lorenz-Böhler-Unfallspital kann man so einschätzen, dass man es fast direkt zu den Bezirken über der Donau zählen kann. Dafür wird in der Orthopädie Speising eine Unfallchirurgie aufgemacht. Haben Sie das irgendwann einmal im Gesundheitsausschuss gehört? Haben Sie das im Rathaus bei einer Gemeinderatssitzung gehört? Nein! Es wird hier nur über dieses Sanierungskonzept des KAV, über das Spitalskonzept 2030 gesprochen. Die tatsächliche Gesundheitsversorgungsstruktur, die tatsächliche Finanzierung und Verantwortlichkeit wird eigentlich nicht erwähnt.
Es wird auch nicht erwähnt, und ich wiederhole das noch einmal: Die Finanzhoheit über den Krankenanstaltenverbund hat nicht der Generaldirektor, sondern die Magistratsabteilung 24 - Gesundheitsplanung.
Die Rufbereitschaft ist auch ein Punkt, den man schwer verstehen kann, weil eigentlich alle wissen sollten, dass wir im Jahr 2017 sind, und dass es seit zwei Jahren das EU-Arbeitszeitgesetz gibt, das nicht nur die maximale Wochenstundenanzahl reglementiert, sondern auch die Ruhezeiten reglementiert. Es gibt die Möglichkeit, aus diesem sehr strikten Arbeitszeitgesetz rauszuoptieren. Es funktioniert aber nur bei Krankenanstalten mit einer Dualfunktion, wie es beispielsweise das AKH ist. Ich möchte mir erlauben, Ihnen ein Beispiel zu erklären. Beginnen wir mit dem AKH, universitärer Bereich, Dualfunktion: Montag 8-Stunden-Dienst, dann Bereitschaftsdienst, um 2 Uhr wird die Kollegin oder der Kollege aufgeweckt, macht zwei Stunden eine entsprechende medizinisch-ärztliche Tätigkeit, legt sich wieder hin, steht am Morgen um 7 Uhr auf, setzt sich in die Ambulanzen, arbeitet weiter. Das ist deshalb möglich, weil durch die Rausoptierung die Ruhezeiten, das EU-Arbeitszeitgesetz, nicht gelten. In Versorgungsspitälern gilt das sehr wohl. Das würde dann so aussehen: Sie haben am Montag 8 Stunden Dienst, dann einen Bereitschaftsdienst, um 2 Uhr kommt eine Aufnahme, Sie stehen auf und sind dann automatisch für den nächsten Tag blockiert. Das bedeutet, die Reststundenarbeitszeit von ungefähr 30 Stunden verteilt sich dann auf wenige Tage. Was natürlich bedeutet, dass Sie im Bereich der Krankenanstalten der Gemeinde Wien nie eine Betriebsvereinbarung bekommen. Wie gesagt, Sie sind praktisch zehn Jahre zu spät mit der Rufbereitschaft, da Sie einerseits durch die EU-Arbeitszeitregelung, andererseits durch Ihr Favorisieren von Wochenkliniken das mehr oder weniger selber unmöglich gemacht haben. Ich komme zur Zusammenfassung und zu den wesentlichen zwei Punkten: Es ist die real existierende Zweiklassenmedizin, die unentschuldbar ist, da schließlich ein Viertel der gesamten österreichischen Gesundheitskosten in Wien ist.
Ich komme zu den gefährlichen Defiziten in der Ausbildung für Allgemeinmedizin, wo eigentlich die Gewährleistung der Pflichtpraktika immer noch nicht gewährleistet ist. (Beifall bei der FPÖ.) Aus diesen Punkten …
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk (unterbrechend): Herr Gemeinderat, ich darf Sie ersuchen, Ihren Schlusssatz zu formulieren, bitte.
GR Dr. Günter Koderhold (fortsetzend): Wegen dieser alarmierenden Punkte müssen wir Ihnen als Gallionsfigur der zusammenbrechenden medizinischen Versorgung des ehemaligen sozialen Wien das Misstrauen aussprechen. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Oxonitsch. Ich erteile es ihm.
GR Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Es ist teilweise relativ schwer, jetzt wieder ein bissel in Schwung zu kommen. Aber es wird gelingen, ich werde versuchen, mich tonal nicht allzu sehr anzugleichen. Ich meine, wir haben bei der Dringlichen heute durchaus schon ein bisschen über Traditionen geredet, Traditionen, die Menschen, die nach Österreich kommen, mitbringen. Es gibt eine Tradition auch in diesem Haus. Auch wir sind nicht gefeit davor, gewisse Traditionen zu leben. Eine davon ist, es gibt eine Wahl. Was braucht man vorher? Eine Sitzung auf Verlangen, zumindest die von den Freiheitlichen haben wir schon abgehalten. Es gibt halt noch eine von den NEOS, die wir morgen abhalten werden. Es gibt schnell noch eine Dringliche Anfrage an den Bürgermeister, wo es zwar gar nicht so sehr um den Bürgermeister gegangen ist. Eigentlich hat man ihn
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