«  1  »

 

Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 79 von 125

 

das ist nicht grundsätzlich abzulehnen, aber in Schönsprech zu sagen, alle sind glücklich, und nicht zu sagen, dass das eigentlich auch eine Variante ist, sozusagen alle in das Boot zu holen, und wenn man jedem etwas gibt und dem Eigeninteresse folgt, dann muss man das auch hier klar sagen. Und noch einmal, ich sage das als jemand, der grundsätzlich sehr einverstanden ist, dass private Investoren mit ihrem Geld Dinge in dieser Stadt tun können, die einen Mehrwert schaffen.

 

Aber jetzt stelle ich mich schon einmal in Ihre Schuhe, aber vor allem in die Schuhe der GRÜNEN, die sich sonst bei jeder Gelegenheit in einer quasi Mainstream-Kapitalismuskritik hinstellen und private Investoren verteufeln, mit Regulierungen zupflastern. Da stellen Sie sich im Wahlkampf hin vor das Haus einer privaten Eigentümerin, die dieses Haus abreißen und neu bauen will, und Sie stellen sich dort hin mit einem überdimensionierten Hai und schreiben „Bye, bye Miethai!“ und sagen, das ist der schlimmste Kapitalismus, diese Investorin, die dieses Haus umbauen will und diese Mieterin hinaushaushauen will. Das ist eine Doppelmoral, die Sie hier haben. Gibt es jetzt gute Investoren und schlechte Investoren? Wann ist in Ihren Augen eine Rendite gerechtfertigt? Wie bewerten Sie, was sind Ihre politischen Kriterien, nach denen Sie eigentlich bewerten, ob es gut ist, dass jemand privates Geld in die Hand nimmt und bauen darf in Wien, und welche nicht? Ich orte da, verzeihen Sie, eine extreme Beliebigkeit und - ich bleibe dabei - einfach Doppelmoral. (Beifall bei den NEOS und von GR Dr. Wolfgang Aigner.)

 

Wir sind der Meinung, dass man über das Weltkulturerbe durchaus diskutieren kann. Ich bin nicht davon überzeugt, dass Wien das Weltkulturerbe braucht. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es nicht der Tourismuschef ist, der darüber bestimmen soll. Ich glaube, es ist nicht die Frage des Tourismus, ich glaube, es ist keine ökonomische Frage, ich glaube nicht einmal, dass die Frage des Weltkulturerbes eine stadtplanerische oder Stadtgestaltungsfrage ist. Es ist eine kulturpolitische Frage und es ist, wenn man so will, eine kulturhistorische Frage. Und in diesem Sinne muss man das beleuchten, und nicht in der Frage, ob das jetzt dem Tourismus nutzt oder ob jemand etwas davon hat. Im Bereich der Stadtplanung kann es durchaus sein, dass man sagt, das ist eine quasi Selbstbeschränkung oder die letzte Möglichkeit, Dinge aufzuhalten, die vielleicht passieren könnten an Stadtplanung, Stadtgestaltung, et cetera. Aber grundsätzlich ist es eine kulturpolitische Frage: Wollen wir das, wollen wir diesen Ensembleschutz, bekennen wir uns dazu?

 

Und ja, ich bin auch nicht davon überzeugt, dass es ein Blick ist, der Canaletto-Blick, der sozusagen determiniert, wie sich diese Stadt weiterentwickelt. Aber Sie können nicht einfach so im Vorübergehen die Abschaffung in Kauf nehmen. Sie können das nicht tun, nachdem Sie sich Jahre zuvor beim Projekt Wien-Mitte ganz anders geäußert haben. Das geht nicht. So viel geändert hat es sich nicht. So viel geändert hat sich hier die ganze Frage nicht. Das ist eine Beliebigkeit, die ich nicht ertragen kann. Das ist eine Politik, die ich nicht ertragen kann, und das ist in meinen Augen eine Unehrlichkeit.

 

Wenn Sie von einem Projekt überzeugt sind, setzt sich dann ja eine Marketing- und PR-Maschinerie in Gang. Da werden dann Artikel geschrieben in Medien, die dann der Stadtregierung sehr freundlich gesonnen sind, warum wir das Weltkulturerbe nicht brauchen, warum das nicht mehr zeitgeistig ist, warum das überhaupt einer innovativen Stadtgestaltung abträglich ist, warum dieses Projekt so toll ist. Also, das ist ja wirklich atemberaubend, was sich da an Marketing- und PR-Maschinerie in Gang setzt, wenn so etwas läuft. Ich bin sehr beeindruckt, das läuft sehr professionell, muss ich sagen. Ja, darüber kann man diskutieren, aber Sie müssen diskutieren.

 

Deshalb bringe auch heute wieder den Antrag ein - Sie kennen ihn schon -, dass nicht bei jedem Bauprojekt, aber grundsätzlich bei diesen, wo die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status droht, eine Volksabstimmung abzuhalten ist. (Beifall bei den NEOS.) Gerade wenn Sie überzeugt davon sind, dass das Projekt gut ist, dann werden Sie doch den Mut aufbringen, das mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren.

 

Ich sage auch an dieser Stelle, ich lasse mir hier jetzt nicht weiter - und ich habe das ein paar Mal gehört - Populismus oder Ähnliches unterstellen. Stellen Sie sich bitte einmal die Frage - und das war sehr gut, da auch bei der Veranstaltung der Aktion 21 zu sein -, wen Sie hier eigentlich vertreten. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt vertreten, dann müssen Sie es zulassen, mit ihnen reden, verhandeln, Ihre Standpunkte auf den Tisch legen und es auch ermöglichen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung dazu äußern. Haben Sie den Mut und lassen Sie hier eine Volksabstimmung zu. - Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Nächster Redner ist Herr GR Mag. Chorherr. Ich erteile ihm das Wort.

 

17.42.55

GR Mag. Christoph Chorherr (GRÜNE)|: Meine Damen und Herren!

 

Da meine Vorrednerin noch verlangt hat, wir sollen begründen, wir sollen mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren und die Beweggründe unserer Haltung auf den Tisch legen, möchte ich noch einmal in aller Ruhe und auch vielleicht für ein breiteres Publikum zusammenfassen, warum wir GRÜNEN dieses Projekt unterstützen, gerade aus der Geschichte dieses Projekts, was ja möglicherweise auf den ersten Blick nicht unbedingt einleuchten mag. Ich gebe Frau Stenzel recht, dass vielleicht heute wirklich mehr Menschen zuhören. Da sich in der Tat viele Menschen für dieses Projekt interessieren, möchte ich ein bisserl ausholen und auch, obwohl andere wichtige Entscheidungen anstehen, unsere Standpunkte ein bisschen ausführlicher begründen, so lange es mir die Zeit erlaubt.

 

Wie schaut die Ausgangsposition aus meiner Sicht aus? Und da beginnt jetzt schon meine erste Kritik an Ihnen, Frau Stenzel, die ich sehr höflich formulieren will. Wie kann man in einem Atemzug die unglaubliche Zerstörung von Palmyra, eines zweitausendjährigen Welt

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular