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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 71

 

geäußert wird, ist nicht eine Kritik gegen die EU, sondern eine Forderung an ein neues, anderes Europa, an eine Sozialunion.“ Und Kollege Margulies hat gesagt: „Ohne Sozialunion kann eine Wirtschaftsunion alleine heute nicht mehr existieren und wird von den Menschen nicht akzeptiert. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam an einer Sozialunion weiterarbeiten.“ (Peter Kraus, BSc: Bravo! - Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Die Briten sagen, das ist uns zu viel. Und Sie sagen, dann machen wir noch viel mehr! (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Damit setzen Sie die gesamte Europäische Union einer Gefahr aus, die wir auf gar keinen Fall mittragen können! Aber vielleicht erklären Sie mir das nachher noch, ich würde gerne von Ihnen Folgendes wissen: Warum wollen Sie das? Und was heißt „Sozialunion“ eigentlich?

 

Ich versuche, Sie zu interpretieren, das ist fast wie in der biblischen Exegese: Warum Sozialunion? Meinen Sie denn, dass die Unzufriedenheit, die wir in Europa erleben, nur dadurch abgefedert werden kann, dass man sozial ausgleicht? Oder wollen Sie den Euro retten? Einige Kollegen aus anderen Ländern, die Ihnen zuzurechnen sind, sagen nämlich: Die Währungsunion kann ohne gemeinsame Budgetpolitik nicht funktionieren! Wir müssen, um den Euro zu retten, eine gemeinsame Budgetpolitik und dadurch eine Sozialunion haben.

 

Ich teile das Anliegen: Es ist ganz richtig, dass der Euro in Gefahr ist, solange wir keine gemeinsame Budgetpolitik haben! Aber ich glaube nicht, dass wir uns von den einen Schmerzen befreien können, indem wir uns andere Wunden zufügen.

 

Jetzt frage ich mich: Was heißt „Sozialunion“ wirklich. Das könnte jetzt mehrere Dinge bedeuten. Ich habe nachgelesen und überlegt, was Sie meinen könnten.

 

Wollen Sie die gleichen Sozialstandards in allen Mitgliedstaaten haben? - Das würde uns eine Nivellierung nach unten bringen, die wir in Österreich nicht haben wollen! Oder wollen Sie damit den Lohnkostenwettbewerb wegnehmen, was eigentlich dann zur Folge hat, dass die osteuropäischen Länder, die es eh schwer genug haben, noch einmal einen Schritt nach unten gehen werden? Oder heißt das für Sie, dass wir Mindestlöhne und Pensionen angleichen, dass wir eine europaweite Arbeitslosenversicherung oder vielleicht eine gemeinsame Familienpolitik haben werden? - Auch das ist nur mit einer Nivellierung nach unten, über gemeinsame EU-Steuern und ein gemeinsames Budget möglich.

 

Als Antwort darauf ganz kurz gesagt: Wenn die Europäische Union in die ureigensten Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreift, dann schwächt sich die Europäische Union. Wollen wir das? - Die Briten wollen es jedenfalls nicht!

 

Eine Sozialunion ist eine Transferunion. - Sie kennen vielleicht das Spottlied des Wiener Kongresses, das damit endet: Österreich zahlt für alle! Und Sie wissen auch, dass eine Sozialunion eine Gleichheit der Kaufkraft voraussetzt. Man kann nicht gleiche Sozialtransferleistungen bezahlen, wenn die Preise ganz unterschiedlich sind. Das wäre eine verordnete Gleichmacherei. Das ist übrigens auch - für Sie sowieso - ein wichtiges Thema: Wenn von oben verordnet gleichgemacht wird, kann das zwischen Ost- und Westeuropa gar nicht funktionieren. Das geht nicht!

 

Eine Sozialunion widerspricht auch dem Prinzip der Subsidiarität. Ich brauche Ihnen dieses Prinzip jetzt nicht zu erklären. Wir sind in Europa geeint, aber in Europa herrschen kulturelle Unterschiedlichkeiten und unterschiedliche Gegebenheiten, und das ist doch auch gut und schön so! Wir wollen eine Sozialunion, die alles nivelliert, nicht! Das brauchen wir nicht! Wir können gemeinsam gerecht und fair miteinander leben, ohne Unterschiede wegzudefinieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Danke.

 

Die wesentlichen Ziele der Europäischen Union, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wichtig und sinnvoll, und sie sind taxativ aufgezählt: Es sind dies der Binnenmarkt, die Zollunion, die Handelsunion, die Erhaltung des innereuropäischen Friedens. Und das ist sinnvoll.

 

Herr Vilimsky! Sie haben gesagt, dass man uns „Zerstörer der Union“, und so weiter nennt. - Mir ist nicht ganz klar, wie Sie sich die Europäische Union genau vorstellen! Vielleicht liegt es nur an der Weise, wie Sie das ausdrücken! - Ich glaube, wir alle hier sind einer Meinung, dass wir die Europäische Union brauchen, um weltweit bestehen zu können. Stellen Sie sich vor, Österreich würde in Japan um einen Termin zur Besprechung anfragen, wie wir die Frage des geistigen Eigentums regeln: Dann würden wir diesen Termin gar nicht bekommen! Wir brauchen die Europäische Union für diese gemeinsame Politik. Früher haben wir unsere Bauernhäuser selbst gebaut und unsere Trachten selber genäht. Heutzutage läuft das anders, und das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen.

 

Zweiter Punkt, das CETA-Gezeter: Jetzt fordern die Grünen eine Sozialunion, aber sie wollen kein Handelsabkommen. Das verstehe ich nicht! Vielleicht müssen wir uns fragen: Was ist nur populär, und was ist richtig? - Sie kennen diese philosophischen Gedanken zum Thema Demokratie: Sind wir nun als Politiker Handlanger von Meinungsumfragen? Herr Vilimsky! Ein bisschen habe ich Sie so verstanden: Wir sollen das tun, was die Meinungsumfragen besagen. - Ich verstehe Demokratie nicht so! - Oder sagen wir auf der anderen Seite, dass das Volk falsch abgestimmt hat, wir wollen es austauschen? - Zwischen diesen beiden falschen Haltungen müssen wir eine Lösung, einen Zugang der Vernunft finden, und diese Vernunft heißt, dass wir nachdenken und nicht populistisch handeln, sondern den richtigen Weg suchen.

 

Was ist der richtige Weg? In Österreich kommen jetzt 60 Prozent unseres Einkommens schlussendlich aus dem Ausland, aus den Exporten, das sind 6 von 10 EUR. Jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt, direkt oder indirekt, vom Export ab.

 

Es wurde heute schon gesagt: Vielleicht arbeitet nicht jedes österreichische Unternehmen mit Kanada, aber es kommt durch den Export nach Kanada immerhin 1 Milliarde EUR herein, und ein bisschen mehr als die Hälfte dieses Betrages geht Richtung Kanada hinaus. - Ich glaube, dass wir uns die Zusammenarbeit mit Kanada

 

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