«  1  »

 

Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 121

 

Es ist vielleicht in Österreich nicht so dramatisch wie in Deutschland, ich möchte aber trotzdem hier heute den Antrag stellen, dass wir alles unternehmen, um solchen Übergriffen vorzubeugen. Es ist inakzeptabel, dass Menschen auf Grund ihres religiösen Bekenntnisses, welches immer dieses ist, bedroht oder diskriminiert werden. Ich stelle den Antrag, dass die Wiener Stadtregierung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Bundes alles tut, was dafür notwendig ist.

 

Ich habe heute noch ein drittes Anliegen mitgebracht, und zwar die Aufhebung der Entschädigungsfristsetzung für die Heimopfer der Wiener Jugendwohlfahrt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es dauert oft Jahre, manchmal Jahrzehnte, bis man bereit ist, über Dinge, die man in der Kindheit erlebt hat, zu sprechen. Und nun hat die Stadt hier einen Schlussstrich gezogen, dass man seit 31. März nicht mehr einen Antrag auf Entschädigungszahlung stellen kann, auf therapeutische Unterstützung schon, aber die Entschädigungsleistungen sind nicht mehr möglich.

 

Ich bin selber sehr bewegt gewesen, dass ein Freund von mir, von dem ich das nicht gewusst habe, mir erzählt hat, dass er selber Heimopfer ist. Wie er es mir gesagt hat, hat das alles für mich Sinn gemacht, weil irgendwie alles in ihm über dieses erfahrene Leid nach Gerechtigkeit schreit. Er selbst, der mir dann vor wenigen Wochen erzählt hat, was ihm passiert ist, hat mir gesagt, dass er nicht bei der Stadt angesucht hat, dass er nicht um eine Entschädigungszahlung angesucht hat, weil er mit all dem nichts zu tun haben will, weil er gar nicht darüber nachdenken will. Ich glaube, dass er noch länger brauchen wird. Darum ist es wichtig, dass wir diese Fristsetzung erweitern, dass wir sie aufheben, damit es weiterhin möglich ist, für die Opfer, die einfach länger brauchen, hier die Möglichkeit belassen, zumindest offiziell Gerechtigkeit zu erleben.

 

Wir haben das auch schon im Ausschuss diskutiert, ein offizieller Akt der Entschuldigung, und ich weiß, dass sie das machen wollen, ist dringend notwendig und ausständig, und ich hoffe, dass sie da ganz aktiv dran bleiben.

 

Abschließend kann ich jetzt nur sagen, es wird sie nicht überraschen, dass wir dem Budget nicht zustimmen können und als Politikerin … (GR Mag. Rüdiger Maresch: Wir sind beim Rechnungsabschluss!) - Beim Rechnungsabschluss, natürlich, ja! Wir können das nicht gut finden, und ich darf noch einmal daran erinnern, dass alle von uns, die selber Kinder haben und an die kommenden Generationen denken, Politik machen müssen, die für die kommenden Generationen verträglich ist. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Die GRin Stenzel ist seit 15.45 Uhr wieder anwesend.

 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Meinhard-Schiebel. Die selbstgewählte Redezeit beträgt 10 Minuten. - Bitte schön.

 

15.44.11

GRin Brigitte Meinhard-Schiebel (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin!

 

Wir alle wollen gesund bleiben und wenn wir krank sind, wollen wir rasch und gut behandelt werden, und weil wir unsere Krankenkassenbeiträge bezahlen, haben wir ein Recht darauf. Das ist eine verständliche Auffassung, wenn es um Gesundheit, Krankheit und den Versorgungsauftrag geht, den wir zu erfüllen haben.

 

Aber, um es gleich vorwegzunehmen, sie alle, meine Damen und Herren, wissen, was in den Rechnungsabschlüssen zu den Krankenhäusern, zur Gesundheit und zu den Pflegeeinrichtungen steht. Dass Gesundheitskosten und Pflegekosten nicht weniger werden, dass Personalkosten und Materialkosten steigen, das ist nichts Neues, das ist auch nichts Überraschendes. Dass Krankenhäuser nicht immer die effizienteste Lösung sind, aber mit Sicherheit eine teure Lösung sind, das wissen wir alle. Aber die wirkliche Herausforderung, die auf uns wartet, steht uns bevor. Der Bedarf im Gesundheitswesen steigt, nicht nur, weil immer mehr Menschen in Wien leben und damit auch immer mehr Leistungen in Anspruch genommen werden, sondern auch, weil Medizin und Pflegeleistungen effizienter und teurer geworden sind. Jetzt braucht es mehr denn je enorme Anstrengungen, um den Standard guter Versorgung auch halten zu können.

 

Ein Schwerpunkt dabei ist es, Krankheit zu behandeln, Pflege und Betreuung zur Verfügung zu stellen. Aber ein ganz wichtiger Schwerpunkt, der immer mehr in den Mittelpunkt rücken muss, ist die Gesundheitsvorsorge, die Prävention und die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Menschen selbst. Obwohl wir eine sehr gute Gesundheitsförderung und tolle Angebote in dieser Stadt haben, werden sie schlicht und einfach viel zu wenig in Anspruch genommen.

 

Auch wenn Sie jetzt ein bisschen lächeln und schmunzeln, aber denken Sie einfach an ihr eigenes Gesundheitsverhalten, daran, ob Sie rauchen, wie oft Sie sich bewegen, wie Sie sich ernähren, ob Sie regelmäßig zur Kontrolle zum Zahnarzt gehen, wenn Ihnen auch nichts weh tut, und ob Sie regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Lebensstilveränderungen fallen niemals vom Himmel, es ist schwierig, sich von einer Methode, die man viele Jahre entwickelt hat, einfach zu verabschieden und etwas Neues zu beginnen. Aber Gesundheitskompetenz ist eine gesundheitspolitische Voraussetzung, um das Gesundheitswesen und auch das Krankenbehandlungswesen erhalten zu können.

 

Sie können mir jetzt entgegenhalten, was das mit den Rechnungsabschlüssen und mit den zu erwartenden notwendigen Budgeteinsparungen zu tun hat. Es hat damit zu tun, dass wir um eine Systemänderung nicht herumkommen, und die muss finanziert werden, wird sie bereits und muss sie weiterhin werden. Und jeder Schritt einer Systemveränderung, die notwendig ist, um die bestmögliche und leistbare Gesundheitsversorgung zu sichern, bringt immer strukturelle Veränderungen mit sich.

 

Sie können nicht erwarten, dass Menschen, die sich jahrzehntelang an ein System gewöhnt haben, begeistert sind, wenn etwas Neues kommt. War jahrelang das

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular