Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 140
Laut einer Studie – Allianz-Studie heißt sie - war die höhere Lebenserwartung bei den Frauen gleichzeitig begleitet von Altersarmut. Die Armutsquote liegt im internationalen Vergleich bei Frauen über 65 bei 15 Prozent. Ich werde nachher noch in meiner Charta den Einkommensanwalt vorschlagen, weil ich glaube, wir müssen uns jetzt Lösungen überlegen, wie wir dieser Sache Herr werden. Es kann nicht sein, dass Frauen, die Doppelleistungen gebracht haben, doppelt und dreifach belastet waren, letztendlich in der Armut enden. Zudem sind die Erwerbsverläufe von Frauen natürlich durch häufigere Berufsunterbrechungen und einen erheblich höheren Anteil an atypischen Beschäftigungsverhältnissen gekennzeichnet. Das heißt, diese Probleme gilt es zu beseitigen.
Ich habe also diese Frauencharta, die ich einbringen möchte. Ich habe hier mehrere Punkte, und zwar insgesamt acht Punkte, von denen ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir sie umsetzen müssen und auch umsetzen können, um die Situation zu verbessern.
Das eine ist eine Bildungsoffensive für Frauen in Wien, denn in Wien steigt derzeit die Arbeitslosenquote von Frauen. Zwei Drittel - das möchte ich, dass sich jeder merkt oder selbst überlegt - der arbeitssuchenden Frauen in der Bundeshauptstadt haben keinen Schulabschluss! Das ist dramatisch! Das heißt, hier können wir ganz dringend ansetzen. Wenn Sie selbst sagen, und die Frau StRin Brauner hat es auch gesagt, Bildung ist wesentlich, dann, glaube ich, müssen wir hier ansetzen, wie immer wir das auch schaffen. Es hängt natürlich auch irgendwie mit den Deutschkenntnissen zusammen, dass hier Deutsch erlernt wird, dass wir hier Schulabschlüsse für diese Frauen anbieten und überhaupt möglich machen. Das wird aber nur möglich sein, wenn wir eine ausreichende und flexible Kinderbetreuung haben, am besten 24 Stunden lang. Eine Verbesserung der Qualifikation ist daher das Wesentliche bei Einkommenssituation, Berufssituation, Armutsverhinderung.
Wir können das alles nur erzielen, wenn alle die Doppelrolle der Frau als Mutter und Ernährerin auf Grund der sich verändernden Formen des Zusammenlebens akzeptieren und unterstützende Rahmenbedingungen schaffen.
Der zweite Punkt wäre bei mir der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, dass hier die Engpässe beseitigt werden, sowohl bei der Kinderbetreuung als auch bei den Kindergarteneinrichtungen, bei den PädagogInnen und auch bei der flexiblen Gestaltung.
Es gibt zum Beispiel in Deutschland ein sehr gutes Modell von 24-Stunden-Kinderbetreuung, aber nicht nur in Deutschland, sondern in anderen Ländern auch. Da geht es auch nicht darum, dass man 24 Stunden lang die Kinder abgibt, sondern dass man flexibel seine Arbeitszeit einteilen kann oder eine Krankenschwester oder Ärztin, et cetera Möglichkeiten hat.
Der nächste Punkt wäre das Angebot an Ganztagsbetreuung. Das haben wir nicht an den Wiener Pflichtschulen. Da ist nur ein Drittel mit Ganztagsbetreuung und Nachmittagsbetreuung. Das würde eine vorrangige Entlastung der berufstätigen Mütter bringen, weil in Wien sind drei Viertel der Mütter berufstätig. Das ist auch noch eine, glaube ich, sehr wesentliche Zahl, dass man sich das vor Augen hält. Das heißt, die Rahmenbedingungen sind besonders wichtig.
Wir brauchen auch eine Erleichterung des Wiedereinstiegs nach der Karenz. Das gelingt immerhin nur 50 Prozent der Wiedereinsteigerinnen, dass sie es schaffen. Hier haben wir eine gewisse Schwäche in Österreich. Es ist zwar im europäischen Vergleich unsere Beschäftigungsquote von Frauen überdurchschnittlich hoch, aber das relativiert sich, wenn man sich die Teilzeitquoten anschaut. Diese sind nämlich relativ hoch. Sehr viel Teilzeit führt natürlich letztendlich in eine geringe Pension und eben dann unter Umständen auch in eine Altersarmut. Das heißt, wir haben einen sehr geschlechtssegmentierten Arbeitsmarkt.
Wir haben fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, unflexibel vor allem mit selten gelebter partnerschaftlicher Teilung der Betreuungspflichten. Es nützt uns nichts, dass wir da jetzt sagen, der Mann oder der Partner muss. Fakt ist, wenn er nicht da ist, tut er es nicht. Das heißt, wir können hier nur Einrichtungen schaffen, die diese Situation verbessern, eben die strukturellen Rahmenbedingungen verändern und damit den beruflichen Handlungsspielraum, insbesondere ab der Geburt eines Kindes, erweitern und nicht so eng machen, wie er derzeit ist.
Das Risiko beruflicher Nachteile im Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg von Frauen ist groß und hat eben sehr langfristige Auswirkungen, letztendlich mit Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes, der dann eben oft nicht geschafft wird. Es braucht einen umfassenden Wiener Maßnahmenkatalog, wie wir diesen Wiedereinstieg verbessern. Seit Jahren sind wir eigentlich auf derselben Stufe geblieben, trotz Anstrengungen von AMS und verschiedener Institutionen. Hier müssen wir unbedingt Lösungen finden und auch die Gründe herausfinden, warum sich das in keinster Weise verändert hat.
Dann ist es auch so, dass sich natürlich die Weiterbildung im Rahmen des AMS - das ist ein weiterer Punkt bei mir - am Bedarf des Arbeitsmarktes orientieren muss und es nicht zu einer Beschäftigungstherapie ohne Jobchancen verkommen sollte. Es muss hier einfach mehr zusammengearbeitet werden mit den Unternehmen oder den Start-ups oder auch den Forschungsinstituten, die bereits einen Bedarf für die Zukunft feststellen können, welche Berufe am Arbeitsmarkt vermehrt notwendig sein werden oder welche Berufsgruppen zurückgehen, sodass man rechtzeitig darauf reagiert.
Der Punkt 6 ist die Schaffung eines Einkommensanwaltes. Darüber habe ich schon ein bisschen gesprochen, dass man bei gleicher Qualifikation und gleicher Leistung das Einkommen eigentlich längst angleichen muss. Das ist nicht eine Forderung, sondern das fällt bei mir unter „normal“. Mir ist noch nicht ganz klar, warum das nicht geschieht. Aber um dem auf die Spur zu kommen, kann man so einen Einkommensanwalt einschalten. Ich bin auch für jede andere Idee offen, allerdings habe ich noch keine andere Idee vernommen. Das Positive wäre, dass wie beim Volksanwalt vermittelt wird
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