Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 140
Wir haben ein zu geringes Wirtschaftswachstum. Wir haben eine zu hohe Arbeitslosigkeit. Wir haben zu viele Mindestsicherungsempfänger. Der Schuldenstand ist zu hoch. Wir haben eine angespannte Budgetsituation. Die Situation ist so schwierig, dass wir nicht einmal mehr eigene Mittel haben, um ein Museum zu errichten, um Schulen zu bauen, um andere notwendige Infrastruktureinrichtungen zu errichten. Wir sind auf PPP-Modelle angewiesen. Das ist vorgesehen beim Wien Museum, das ist vorgesehen bei mehreren Schulen, die geplant sind. Und das macht man nicht deshalb, weil man jetzt auf einmal so eine Begeisterung verspüren würde, Dinge zu privatisieren, sondern weil es einfach nicht mehr geht, weil diese Stadt auf Grund ihrer budgetären Probleme nicht mehr in der Lage ist, grundsätzliche Dinge der Daseinsvorsorge zur Verfügung zu stellen. Also spätestens wenn man an diesem Punkt angelangt ist, wird man doch die Notwendigkeit zu Reformen und zu einem effizienteren Wirtschaften erkennen!
Dass wir sehr skeptisch sind, was PPP-Modelle betrifft, nimmt ja wohl kaum wunder, wenn man sich Beispiele anschaut wie TownTown oder wie das Media Quarter Marx. Das ist ja überhaupt die Höchststrafe, das ist ja das Schlimmste, was einer Gebietskörperschaft wie der Stadt Wien passieren kann, wenn man nicht einmal weiß, wer sein privater Partner ist, und dann erst im Nachhinein draufkommt, mit wem man sich eingelassen hat - was ja auch ein Beispiel dafür ist, dass die Verwaltung nicht so gut funktioniert, wie wir uns das wünschen würden, sondern es hat sich da die Politik halt einfach auf eine schillernde Persönlichkeit verlassen, und man hat grundlegende Dinge, die der wirtschaftspolitische Hausverstand einem sagt, nicht gemacht. Der Rechnungshofbericht hat uns das ja mehr als eindeutig und mehr als klar dargestellt, was bei diesem PPP-Modell alles schiefgegangen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wurden in dieser Debatte mehrfach aufgefordert, doch zu sagen, wo die Verwaltung effizienter werden sollte, wo man einsparen könnte, und zwar in namhaften Beträgen, nicht im Ausmaß von wenigen Zehntausend oder Hundertausend Euro, wie das vielleicht bei den singenden Kanaldeckeln oder bei den Zebrastreifen oder bei den Ampelpärchen der Fall ist. Ich darf da auf das Institut EcoAustria verweisen. Wir haben Ihnen diese Einsparungsvorschläge schon einmal nähergebracht. Ich durfte sogar schon die ganze Unterlage überbringen.
Wir haben die Verwaltungskosten in Wien verglichen mit denen in anderen Bundesländern und sind zu Konsolidierungspotenzialen in dreistelliger Millionenhöhe gekommen. Zum Beispiel - erster Punkt -: Allgemeine Verwaltung. Hier kommt man zu Pro-Kopf-Aufwendungen, die weit über dem österreichischen Vergleichswert liegen. Würde man den österreichischen Vergleichswert auch in Wien erreichen, so könnte man die Verwaltungskosten von 1,9 Milliarden auf 1,7 Milliarden EUR reduzieren. Konsolidierungspotenzial Nummer 1: 200 Millionen EUR.
Gesundheits- und Spitalswesen: Hier hat uns die EcoAustria ausgerechnet, dass wir in Wien im stationären Bereich 19,6 Prozent über dem österreichischen Durchschnitt liegen und 23,8 Prozent im ambulanten Bereich. Konsolidierungspotenzial: 678 Millionen EUR.
Stationäre Pflegedienste: Ohne die Qualität der Pflegedienstleistungen zu beeinträchtigen, könnte man 223 Millionen EUR einsparen, wenn die Kosten der stationären Pflege nicht doppelt so hoch wären wie im Länderdurchschnitt.
Nachvollziehung der Bundesbeamtenpensionsreform: Sie wissen, hier gibt es eine Übergangsregelung bis zum Jahr 2042, von manchen auch liebevoll als die „Raumschiff-Enterprise-Lösung“ bezeichnet - für 2042, da wissen wir noch nicht, wie der technologische Fortschritt bis dahin aussehen wird. Ausgerechnet hat es uns in diesem Fall der Rechnungshof: 350 Millionen EUR Konsolidierungspotenzial.
Anhebung des Pensionsantrittsalters für Gemeindebedienstete: Ich habe hier ein Chart. Es war im Jahr 2004 so, dass Bundesbeamte und Gemeindebeamte ungefähr im gleichen Alter in Pension gegangen sind, nämlich durchschnittlich mit ungefähr 57 Jahren. Seit dem Jahr 2004 hat sich das krass auseinanderentwickelt. Es ist nun so, dass die Bundesbediensteten durchschnittlich mit über 60 Jahren ihren Ruhestand antreten, während das die Wiener Gemeindebediensteten nach wie vor mit durchschnittlich 57 Jahren tun. Einsparungspotenzial: 100 Millionen EUR.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen eine sparsame, wirtschaftliche, zweckmäßige und rechtmäßige Verwaltung. Wir brauchen das Geld für eine bessere Ausbildung der Schulkinder, für neue Schulen, für den Ganztagesunterricht, für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, für das Deutschlernen im ausreichenden Ausmaß vor dem Schuleintritt, für die U-Bahn bis an die Stadtgrenze, für den Straßenbau, damit wir in unseren Bezirken nicht mehr über Rumpelpisten fahren müssen, für Garagen, für sichere Fußgängerwege, für Wohnungen - sowohl für geförderte Eigentumswohnungen als auch für Sozialwohnungen für die sozial Bedürftigsten. Ich war erst vor Kurzem in der Gruft, wo man mir erklärt hat, dass es die allerallerwenigsten schaffen, aus der Gruft heraus zu einer Gemeindewohnung zu kommen, obwohl die alle wohnfähig wären, einfach weil die Gemeindewohnungen für diese Personen nicht in annähernd ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen. - Und wir brauchen das Geld selbstverständlich für Betriebsansiedlungen und für einen Gründungsfonds.
Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Verwaltung muss effizienter werden. Ein Kurswechsel ist notwendig! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ich danke sehr. - Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Prof Van der Bellen. – Bitte.
GR Dr Alexander Van der Bellen (Grüner Klub im Rathaus)|: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist Usus im Gemeinderat, dass wir in der zweiten Runde dieser Debatte auch zu europäischen Fragen Stellung nehmen dürfen, und dieses Privileg würde ich gerne in Anspruch nehmen. Es tut sich ja allerhand seit
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