Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 86
che Verbesserung wollen! Die Frage ist nur: Was können wir uns zumuten? Wie können wir vor Ort helfen? Wir können ja jetzt nicht plötzlich ganze Kontinente verschieben, hier alle in die Wirtschaftskraft bringen, während dort die Kontinente aussterben.
So geht Entwicklungshilfe nicht! Entwicklungshilfe funktioniert normalerweise so, dass man den Menschen, die sich entwickeln sollen, hilft, unabhängig zu werden. – Ich glaube, das ist unsere Herausforderung, und ich kann auch nicht verstehen, wohin all die Entwicklungsmilliarden über die Jahre geflossen sind, nämlich sichtlich nicht dorthin, wohin sie hätten fließen sollen! In diesem Zusammenhang wird man über neue Systeme nachdenken müssen.
Auf jeden Fall beherbergen beziehungsweise aufnehmen müssen wir Menschen, die als Flüchtlinge Angst um Leib und Leben haben wie zum Beispiel syrische Flüchtlingsfamilien. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Es gibt aber auch eine andere Diskussion in der Europäischen Union, und zwar betreffend Steuerungsmaßnahmen. Es kann nämlich nicht sein, dass wir Österreicher 10 276 Flüchtlinge im Jahr aufnehmen und andere Länder niemanden. So sehe ich einen Zusammenhalt nicht! Das sehe ich kritisch, und diesbezüglich kann eine Gemeinschaft nur zusammenwachsen, wenn man sich auch gemeinschaftlich verhält. Und da so etwas meist nicht ohne den kleinen Schubs einer Vorschrift funktioniert, wird eine entsprechende Vorschrift notwendig sein.
Zur Rolle Wiens: Ich bin nicht der Meinung, dass kleine Länder nichts beitragen können. Ich glaube, dass der Einzelne etwas beitragen kann, und wir hier in Wien haben viel Wissen beziehungsweise Know-how. Wir können sehr viel beitragen. Wir können sehr viele Modelle anbieten. Wir selbst hier haben aber auch eine Verantwortung, und zwar können wir zum Beispiel ein Bürgercenter für Europafragen einrichten, oder wir können bei der Einreichung von EU-Projekten Erleichterungen schaffen, vor allem aber Hilfe ermöglichen. Wir können auch Budgetmittel in den Europaausschuss geben, damit wir kleine Projekte direkt aus dem Gemeinderatsausschuss heraus fördern können.
Was aber vor allem für uns wichtig wäre, ist, wie schon Frau Europa-Abgeordnete Mag Schmidt gesagt hat, dass wir an Insuffizienzen einsparen. Das haben wir echt und wirklich in der Hand! Das ist nicht nur die Aufgabe Europas, sondern auch der Stadt Wien. Diesbezüglich besteht eine gemeinsame Verantwortung, und ein dementsprechendes Vorgehen wird die Zukunft Europas, unseres Landes und unserer Stadt sichern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ich danke sehr.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich ganz besonders auch den EU-Kommissar für europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, Johannes Hahn, zurück an seiner ursprünglichen Wirkungsstätte begrüßen (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Klaus Werner-Lobo.
GR Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte KollegInnen aus dem EU-Parlament.
Ich möchte kurz auf einen beziehungsweise auf zwei Punkte eingehen, die heute schon mehrfach angesprochen worden sind.
Wir haben zu Beginn der Sitzung eine Gedenkminute für die Opfer des Genozids in Armenien gehalten. Und ich freue mich, dass es gelungen ist beziehungsweise gelingt, heute einen gemeinsamen Antrag zwischen SPÖ und Grünen im Gedenken an diesen Genozid zu beschließen. Außerdem darf ich ankündigen, dass es heute um 18:30, beginnend beim Karlsplatz, einen „March for Justice“ geben wird, bei dem man der Opfer dieses Genozids gedenkt.
Wir haben schon heute in der Früh – und das wurde auch jetzt in der Debatte mehrfach angesprochen – der tausenden Toten in den letzten Jahren gedacht. Diese Menschen haben die Flucht aus ihren Heimatländern versucht, um Europa zu erreichen, sie haben sich eine Perspektive geschaffen und sind an diesem Versuch gescheitert, im Mittelmeer ertrunken und umgekommen. Das Ziel dieser Männer, Frauen und Kinder war es, ihr Überleben zu sichern beziehungsweise nicht nur ihr Überleben zu sichern, sondern meist auch in diesem reichen Europa eine Perspektive zu finden, um in der Folge dann auch ihren Angehörigen helfen zu können.
Das ist nämlich das Ziel der meisten Menschen, die aus Armut und Elend und vor Kriegen flüchten. Und im Übrigen ist diese Form von Migration die effizienteste Form von Entwicklungshilfe: Mit den sogenannten „remittances“ überweisen MigrantInnen und Flüchtlinge Geld in ihre Heimatländer an ihre Familien, um ihren Angehörigen damit zum Beispiel Schulbesuche oder Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Das sind jährlich ungefähr 300 Milliarden EUR. Das ist die effizienteste Form von Entwicklungshilfe, die es weltweit gibt. Deswegen ist es eigentlich zu begrüßen, wenn Menschen auf der Flucht vor Elend diese Perspektive suchen!
Jetzt gerade in diesen Minuten startet ein Flugzeug von Wien-Schwechat nach Pakistan, und mit diesem Flugzeug werden nicht Urlauber und Urlauberinnen nach Pakistan gebracht, sondern es ist dies ein Flugzeug der Asylabschiebeindustrie, die davon profitiert, dass Menschen – zum Teil in den Tod – abgeschoben werden. Diesfalls sind es zum Beispiel vor allem Menschen, die aus dem Norden Pakistans, aus dem Swat-Tal, zu uns geflüchtet sind, wo ihre Familien vom Tod bedroht sind, wo es noch immer Taliban gibt, wo Menschen umgebracht und ihre Heimstätten zerstört werden. Und diese Menschen werden auch in Österreich und auch von der österreichischen Bundesregierung in ein Land abgeschoben, wo ihnen Verfolgung und Tod drohen.
All das muss man bedenken, wenn wir hier über Flucht reden. Wir müssen uns zuallererst, wenn wir als Europäer und Europäerinnen, aber auch als Österreicher und Österreicherinnen darüber reden, die Frage stellen, warum Menschen überhaupt zu uns flüchten und wie wir damit umgehen. – Die meisten dieser Menschen kom
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