Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 86
schaftliche Prosperität war eigentlich so etwas wie ein Erfolgsrezept.
Wir sind dann in der Integration immer weiter fortgeschritten. Aber irgendwann kommt man zu dem Punkt, wo man sich die Frage stellen muss: Gehen wir jetzt noch weiter in Richtung eines europäischen Bundesstaates? Oder lassen wir die Integration dort, wo sie uns bisher hingebracht hat, und nehmen wir einfach die Vielfalt in Europa zur Kenntnis?
Dieser Integrationsprozess hat ja parallel zu einem massiven Erweiterungsprozess stattgefunden. Die ersten Mitgliedstaaten, die drei Beneluxstaaten, haben die europäische Integration in einem auch staatsrechtlich sehr engen Sinn vorgemacht, aber natürlich aus einem Modell der historischen und geographischen Nähe. Da sind ja Grenzen lang vor jedem Schengen-Raum abgeschafft gewesen. Aber das sind eben Staaten, die sehr viele Gemeinsamkeiten gehabt haben. Die drei Großen, Westdeutschland - damals -, Frankreich, Italien, sind dazugekommen.
Mittlerweile reicht die Europäische Union von den Grenzen des Atlantiks bis weit nach Osteuropa, vom Nordkap bis weit hinein in den südlichen Mittelmeerbereich. Es ist die geographische Dimension auch eine ganz andere geworden, und die Frage ist natürlich zu stellen: Kann man das, was man seinerzeit mit dem Kerneuropa vielleicht hätte machen können - einen Bundesstaat, wenn man das gewollt hätte -, auch in dieser großen geographischen Dimension bewerkstelligen?
Wenn man sich die Geschichte ein bisschen anschaut: Es sind Entwicklungen, für die es kein historisches Vorbild gibt, immer sehr schwer zu beurteilen. Das ist teilweise bei der Währungsunion so, das ist teilweise auch bei der jetzigen europäischen Integration so: Es gibt kein historisches Vorbild, daher kann man das so oder so sehen. Aber die Geschichte lehrt uns, glaube ich, dass solchen Superstaaten meistens kein langes Leben beschieden ist. Es ist einfach viel zu schwierig, so viele unterschiedliche Entwicklungen unter einen Hut zu bringen.
Daher müsste man jetzt einmal die Frage beantworten: In welche Richtung soll sich dieses Europa weiterentwickeln? Wo geht man weitere Schritte der Integration? Wo verlagert man im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auch wieder Kompetenzen zurück zu den Mitgliedstaaten? - Was wir jetzt teilweise haben, ist eine Überbürokratisierung, die von der Zentrale kommt, und in vielen wichtigen, nur gemeinsam europäisch zu lösenden Problemen fehlt es an gemeinsamen Regelungen. (Beifall bei der FPÖ.)
Um diese Debatte sollte man sich nicht herumschwindeln. Wir haben jetzt ein Nebeneinander von teilweise staatlicher Zusammenarbeit bei den europäischen Gipfeltreffen - wobei man da schon auch ganz ehrlich sagen muss, es gibt eben Gleiche und Gleichere. Ich meine, ganz klar ist, dass nicht jeder Regierungschef, nicht jede Regierungschefin gleich wichtig sind. Es gibt hier natürlich den harten Kern, es gibt die zentralen Achsen. Also geht es schon auch um die Argumente, die man teilweise in Österreich gebracht hat: Wenn wir nicht dabei sind, haben wir nichts mitzureden. Die Frage müsste man schon ehrlich einmal stellen: Was haben wir eigentlich mitzureden? (Beifall bei der FPÖ.)
Vielleicht liegt es aber auch an unserer eigenen Politik, weil es natürlich relativ leicht ist, nach Brüssel zu fahren, überall die Mandate mitzuerteilen, dann nach Österreich zurückzukommen und zu sagen, es passt uns vieles nicht. Ich glaube auch, viele Dinge könnte man verbessern mit einer konsistenteren und fokussierteren österreichischen Europapolitik, die auch Allianzen schmiedet.
Auch das ist uns leider vielfach abhandengekommen. Man braucht natürlich in einem Klub, wo 28 Staaten vertreten sind, permanent Allianzen. Das können nicht immer dieselben sein, aber man muss sich permanent zusammensetzen. Es ist natürlich in erster Linie Aufgabe der Bundesregierung, hier auch unsere Interessen dadurch zu vertreten, dass wir uns mit jenen Ländern - teilweise funktioniert es ja, etwa dann, wenn wir an die Gentechnik denken, da haben wir durchaus nicht ganz unerfolgreich Allianzen geschmiedet – zusammen tun und dann entsprechend auch gemeinsam auftreten. Allein ist man da sicher zu schwach.
Aber die Grundsatzdebatte darüber, was aus dieser europäischen Integration wird, findet zur Zeit überhaupt nicht statt. Mein persönlicher Zugang ist: Es ist in erster Linie wichtig, dass wir wirtschaftlich zusammenarbeiten. Der gemeinsame Markt ist eine Errungenschaft und ist auch notwendig.
In der Frage, ob eine gemeinsame Währung wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, sind wir gerade mitten dabei, auch diese Frage vielleicht beantwortet zu bekommen. Ich glaube, man sollte beim Euro auch viel weniger Ideologie hineinbringen. Wenn man sich die Geschichte des Euro anschaut, sieht man, dass er ja erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung entstanden ist, weil seinerzeit die Franzosen und auch die Briten massive Vorbehalte hatten und dann gesagt haben, die Deutschen müssen ihre D-Mark aufgeben, dann wird alles gut.
Eigentlich haben wir eine harte Währung gehabt. Wir sind auch mit dem harten Schilling sehr gut gefahren, wir haben gar keine Währungsunion gebraucht. Es ist uns gelungen, durch relativ parallele wirtschaftliche Koordinaten und Eckdaten eigentlich den Kurs zwischen Schilling und damals D-Mark über viele Jahre konstant zu halten, und wir sind damit nicht schlecht gefahren. (GR Heinz Hufnagl: An welchen Kurs würden wir uns da anlehnen, wenn es die D-Mark nicht mehr gibt?)
Ja, die Frage ist: Ist der Euro der Nachfolger der D-Mark und der harten Währungen, oder ist der Euro heute eine Lira und eine Drachme? - Ich möchte keine Lira und möchte keine Drachme, ich möchte eine harte Währung. Das hat man den Menschen damals auch versprochen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn man sich den Kursverfall des Euro zum Dollar anschaut: Kurzfristig mag es sein, dass es Exportchancen eröffnet, aber langfristig importieren wir uns Inflation. Inflation hat in Ländern wie Deutschland, Österreich, den Niederlanden oder Finnland keinen guten Ruf. Das ist
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